Es wird keine Bettlektüre

fbookdummy
Am Rande der TYPO-Konferenz habe ich erfahren, dass unsere Druckerei die ersten FontBook-Bögen bereits gedruckt hat. Vorgestern bekamen Erik, Mai-Linh und ich die letzten Blaupausen zum Korrekturgelesen auf den Tisch, 20 Bögen à 24 Seiten.
Am Abend fühlte ich mich an die Welt des Leistungssports erinnert. Manche Athleten kommentieren eine Sieg oder Weltrekord mit den Worten: »Ich kann noch gar nicht begreifen, was ich hier geleistet habe.« und »Wahrscheinlich kapiere ich morgen erst, was dieser Rekord bedeutet.«
So langsam verstehe ich diese Bewusstseinsaussetzer. Nach 2 Jahren Arbeit am FontBook, also dem Training, befinden sich die Redaktion nun im Finale. Ich blicke auf fehlerfreie, farbige Seiten in Hochauflösung. Erst jetzt dämmert mir allmählich die Kraftanstrengung aller Beteiligten, inklusive der eigenen. Langsam fühle ich mich in dem Glauben bestätigt, dass das FontBook Version 4 ein beispielloses Refernzwerk wird.
Wenn im Kapitel Serif auf den Seiten 33 bis 47 über 50 Bodoni-Pakete von 20 Bibliotheken dargestellt sind, sorgfältig redaktionell sortiert, dann ist das nicht nur ein überwältigendes Angebot, sondern eine Chance für jeden Schriftliebhaber, die für seine Zwecke geeignete Bodoni sicher zu finden. Sicherer als in jedem Web-Shop und besser vergleichbar als mit den diversen Schriftmustern der einzelnen Hersteller.
bodonidoppel
Eine von 7 Bodoni-Doppelseiten aus dem demnächst erscheinenden FontBook, mit Bodonis von FontBureau, Gert Wiescher, FontFont, ITC, Linotype, Monotype, URW und vielen anderen

Ich habe in paar Lieblingsseiten. Manche nur deswegen, weil sie ein gutes Muster ergeben. Zum Beispiel die schmale Sans-Serif Briem Akademi. Auffälligstes Merkmal sind ihre linkskursiven Schnitte. In den FontBook-Darstellung fügen sich die Zeilen aneinander wie gewebtes Garn, so dass sich ein Buchstabenteppich mit lebhaftem Muster ergibt.
briemdoppel
Die Doppelseite 44/45 aus dem Kapitel Sans zeigt die ungewöhnliche Schriftfamilie Briem Akademi (entworfen von Gunnlaugur Briem)

Die Seiten 112/113 faszinieren mich aus typografischen bzw. historischen Gründen. Der Zufall wollte es, dass sich zwei der international beliebtesten Sans-Serifs eine Doppelseite teilen, nämlich die Frutiger von Adrian Frutiger (in der »Next«-Fassung) und die Futura von Paul Renner; sie folgen allein durch die alphabetische Sortierung aufeinander.
frutigerdoppel
Der Zufall der alphabetischen Sortierung hat es so gewollt: nach der berühmten Frutiger kommt die gleichermaßen berühmte Futura

Das ganz oben abgebildete Buch ist ein Blindband, also mit weißen Seiten innen drin, hergestellt zum Angucken und Anfassen für die TYPO-Konferenz. Maße, Gewicht und Umschlaggestaltung entsprechen bereits der endgültigen Version (1760 Seiten). Als ich es in den Händen hielt wurde mir unmittelbar klar: Man wird es nicht – auf dem Rücken liegend – im Bett lesen können ... wegen akuter Lebensgefahr durch Atemnot.

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