22. März 2006, 08:52 Uhr |
Tipp
a liegt es nun vor mir: 648 Seiten stark,
»Fraktur mon Amour«. Auf den ersten
Blick eine Mischung aus »Mein Kampf« und der Bibel.
Doch der rosa Titelsatz aus Leucht-Druckfarbe und der
rosa Schnitt brechen die eingefahrenen Assoziationen.
Dieses Buch will spielen. Davon zeugen der
Kunstleder-Einband, die religiösen Proportionen, die
schrille Schmuckfarbe, der amouröse Titel und das
Thema. Fraktur-Schriften ... wen um Himmels Willen
interessieren diese fossilen Buchstaben? Nach dem
ersten Durchblättern dieses Bandes verspreche ich:
Ab heute jeden Schriftenfreund!
Der Autorin
Judith Schalansky
ist etwas unglaubliches gelungen. Sie hat eine
verstaubte, schlecht angesehene Schriftenklasse aus
der Versenkung geholt und auf Hochglanz poliert.
Plötzlich erscheinen die alten Schriftbilder in neuem
Licht. Allein die Menge der dargebotenen Schnitte und
ihre Inszenierung weckt die Freude an den
historischen Schriften. Aufgrund der kunterbunten
Vielfalt bekommt der schriftinteressierte Betrachter
unmittelbar Lust auf einen »zeitgemäßen Einsatz«
dieser Buchstaben-Relikte:
Gewohnheiten
brechen mit gebrochenen Schriften.
Das Buch gliedert sich in die Kapitel
Rotunda & Bastarda, Textura, Schwabacher,
Fraktur, Initials & Decoratives, Modern,
Contemporary und
Display – und
genau dies sind die Untergruppen, in die Judith
Schalansky die über 300 Fraktur-Zeichensätze
eingeteilt hat. Zu jedem Kapitel gibt es eine kurze,
lehrreiche Einleitung, die die Merkmale der Schriften
zusammenfasst. Die Auswahl der Schriften geschah mit
großem Sachverstand und nach langen Recherchen. Über
30 Archive bzw. Bibliotheken lieferten ihr Material
für das Buch: einen breiter gefächerten Überblick zu
den typografischen Exoten hat es nie zuvor gegeben.
Natürlich fehlen auch die ironischen Bitmap-Versionen
und die Pseudo-Frakturen nicht. Es ist einfach
erfrischend, dass dieses Buch von einer jungen
Autorin verfasst und gestaltet wurde, die nicht der
ewig-gestrigen »Rettet die Fraktur«-Tradition
verhaftet ist.
Die eigentliche Sensation ist die
beiliegende
CD mit über 130 frei verwendbaren
Fraktur-Free-Fonts. Darunter befinden sich
alte Bekannte (Fette Kanzlei, Münchner Fraktur,
Weiss-Gotisch ...), Kaisertreue (Kaiserzeit Gotisch),
braune Lümmel (Tannenberg, Potsdam, ...) und
Bierselige (Bauernschrift, Schmale Anzeigenschrift,
...); kleiner Makel: nicht alle Schriften liegen für
Mac
und PC vor, und die Formate
(.ttf, otf, ...) sind kunterbunt gemischt.
Auf der
dem Buch beiliegenden CD befinden sich 137 richtig
brauchbare Fraktur-Free-Fonts, zum Beispiel die
Kaiserzeit Gotisch, die Schmale Anzeigenschrift und
die Weiss Gotisch (von oben nach unten)
Die Schriftmuster lassen keine Fragen offen.
Alternativzeichen und spezielle Ligaturen sind
entweder in der Großübersicht (35 bis 40 pt) zu
sehen, oder kommen in den sorgfältig gesetzten
Mustertexten (11 - 14 pt) zum Einsatz. Als
Textschrift hat sich Judith Schalansky für die
FF Profile entschieden, die
ein sehr gutes Bild abgibt, Auszeichnungsschrift
ist die beiliegende Schmale Anzeigenschrift mit
Zierbuchstaben. Die linken Schmuckseiten wurden
unter anderem mit dem wunderbaren Mac-Programm
Kaleidotype generiert.
Wir alle bei FontShop sind
über beide Augen
verliebt in »Fraktur mon Amour«. Damit
dieses Gefühl auf unsere Kunden überspringt, werden
wir Judith Schalansky die ersten 50 Bestellungen
signieren lassen (der Fontblog wird darüber
berichten). Also:
die ersten 50 Besteller
bekommen »Fraktur mon Amour« handsigniert
mit persönlicher Widmung. Hier geht es
zur Bestellung ...
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