Wie ich eine Magazinseite auf dem iPad gebaut habe

Ich wollte es erst nicht glauben, als ich bei der Recherche für meinen Beitrag über das neue Digitalmagazin »Berliner Zeiten« erfuhr, dass die gesamte Gestaltung des B.Z.-Ablegers auf iPads statt­ge­funden haben soll. Dann lud mich der Chefredakteur der B.Z. Peter Huth auch noch per Fontblog-Kommentar zum Testen der App ein. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Einen Tag später saß ich in seinem Büro am Kurfürstendamm und ließ mir die Software auf mein iPad spielen. Eben habe ich – in 20 Minuten – meine erste Magazinseite damit gebaut, ein Interview mit dem Idol meiner Jugend, Marianne Rosenberg (Abbildung ganz unten).

Es dauerte zunächst etwas, bis ich mich in die Logik der App einge­fum­melt hatte. Das liegt schlicht daran, dass sie für die interne Nutzung der B.Z.-Redaktion entwi­ckelt wurde und nicht für die breiten Bedürfnisse einer Editorial-Design-Kundschaft. Das beginnt bereits bei der Bereitstellung der Inhalte. Da sich die monat­lich erschei­nende Berliner Zeiten aus dem bereits veröf­fent­lichten Material der Mutterzeitung bedient, liegt das Material für eine Geschichte – fix und fertig aufbe­reitet und nicht editierbar – auf dem Server. Die Bausteine werden in einer Palette am Kopf der Arbeitsfläche ange­boten, von links nach rechts sind das für meine Story die Headline, Dachzeile, Teaser, der Text und 2 Fotos. Am linken Bildschirmrand befindet sich die Werkzeugleiste mit den Funktionen: Struktur (eine Mischung aus Inhaltsverzeichnis und Materialsammlung), Raster, magne­ti­sche Positionierung (1 px, 5 px, 10 px, 25 pxund 50 px), Wiedergabe (vergleichbar mit Seite ansehen), Speichern und Laden. Beide Paletten stoßen in der linken oberen Ecke zusammen, ein Fingertipp auf das verbin­dende B.Z.-Logo in der Ecke fährt die Paletten ein oder aus.

Meine erste Amtshandlung ist das Aufrufen der hoch aufge­lösten Aufmacherabbildung, Marianne Rosenberg mit kirsch­roten Lippen in frivoler Pose hinter eine regen­nassen Glasscheibe. Das Foto lässt sich beliebig mit Kneifgesten vergrö­ßern, verklei­nern und beschneiden. Ein doppelter Fingertipp öffnet ein Bildbearbeitungswerkzeug, mit dem sich das Foto farbig hinter­legen und in 10-%-Schritten trans­pa­rent darüber kopieren ließe. Ich verzichte auf solche Spielereien, die ich gerne erfah­renen Layoutern überlasse.

Danach die Headline, in diesem Fall ein Zitat. Sie öffnet sich in einem skalier­baren Fenster, und umbricht auto­ma­tisch beim Verändern der Fenstergröße. Ein doppelter Fingerzeig auf den Text öffnet ein Bearbeitungswerkzeug, das weitaus mehr Optionen anbietet als die Bildbearbeitung, darunter Schriftart, -größe, Zeilenabstand, Ausrichtung, Spaltenzahl und -breite, Rahmen, Rahmenfarbe … und natür­lich lässt sich auch die Schrift mit Farbe und Transparenzen insze­nieren. Eigens für das Lesen am iPad gibt es noch die beiden Einstellungen »Textbox hat exakt die ange­legte Größe« und »Textbox passt sich im Live-View auto­ma­tisch an«.

Nach der Headline plat­ziere ich die Dachzeile und den Teaser, denen ich den glei­chen Stil zuweise. Nun noch ein biss­chen Hin- und Herschieben, und fertig ist die Magazinseite … im Rahmen meiner beschei­denen Möglichkeiten, ich habe weder Design studiert, noch prak­ti­ziert. Ich kann sie jetzt auf den Server der B.Z. laden, oder lokal auf meinem iPad.

Das Faszinierende an dieser Methode der iPad-Magazingestaltung ist die 100-prozen­tige Wysiwyg-Bearbeitung (What you see is what you get). Ich sehe beim Aufbau der Seite, beim Festlegen der Schriftgröße immer exakt das, was die Leser später auf ihrem iPad sehen werden. Weder werden Bilder umge­rechnet, noch Texte skaliert, neu geren­dert und/oder inter­po­liert. Das Ergebnis der B.Z.-Layout-App sind kris­tall­klare Seiten, die mit den im iPad einge­bauten Schriften arbeiten und am Ende ein schlankes Magazin ergeben, das rund 20 MB wiegt.

Entwickelt wurde die native Layout-App von Markus Glasmeier. Er hat sich inzwi­schen selbst­ständig gemacht und arbeitet gerade unter dem Namen eXPublica an einem neuar­tigen Redaktionssystem, mit dem man auf iOs- und Android-basierten Geräten redak­tio­nelle Inhalte publi­zieren kann. Wie leis­tungs­fähig das B.Z.-Programm bereits ist, beweist allein der Umstand der Entstehung der Erstausgabe von Berliner Zeiten: Die B.Z.-Chefin vom Dienst Irina Praß soll sie angeb­lich an einem Urlaubswochenende auf Sylt mit ihrem iPad zusam­men­ge­baut haben.


5 Kommentare

  1. martin

    mich würde inter­es­sieren wie lange du für das gestalten der seite benö­tigt hast?

  2. Jürgen Siebert

    Steht doch da: 20 Minuten. Inzwischen reichen 15 Min.

  3. Eduardo

    Die Verantwortlichen für das Design der Berliner Zeirung haben anschei­nend auch keine Designausbildung. Die Bewertungen und Screenshots im AppStore spre­chen Bände.

  4. Da Stefan

    … ein Layoutprogramm auf dem iPad? Das verspricht aber nicht gerade eine Schriftenvielfalt, oder? Immerhin dürfte der Einsatz auf die auf dem iPad instal­lierten Schriften begrenzt sein. Womit wir wieder im Webdesign vor der Ära Webfonts wären. Was sagt da das Fontblogherz, Jürgen? ;)

  5. Jens

    Man kann zwar auf dem iPad keine Fonts system­weit instal­lieren, aber Apps können ihre eigenen Fonts mitbringen. Sofern die Fonts also in der Layout-App und Reader-App einge­bettet sind, ist man nicht auf die Systemschriften beschränkt.

    Ob das im hier vorge­stellten Fall so ist, entzieht sich meiner Kenntnis ;)

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