St.-Petersburg-Tagebuch (1): Unlesbarkeit
Ein (typo)grafischer Leckerbissen in St. Petersburg, mit dem Handy aufgeschnappt, ich weiß nicht mehr wo, ich weiß nicht mehr wann (sicherlich ist das den EXIF-Daten zu entnehmen) … weiß aber vor allem nicht, was auf dem Schild geschrieben steht.
Der Unterschied zwischen »eine Sprache nicht sprechen können« und »eine Sprache nicht lesen können« war mir bis eben nicht so richtig klar. Dazu sollte ich vorwegschicken, dass ich noch nie in Asien oder Afrika Urlaub gemacht habe und heute zum ersten Mal in meinem Leben in Russland weile. Genauer: St. Petersburg, eine typografische Dienstreise zur ATypI-Konferenz. Ich hatte auch kein Russisch in der Schule.
Erst im Flieger lese ich den Baedeker-Reiseführer. Auf Seite 91 steht der für mich entscheidende Satz: »Um Straßennamen und Metrostationen zu entziffern, ist die Kenntnis des russischen (kyrillischen) Alphabets unabdingbar.« Klingt harmlos, wenn man gewohnt ist, sich mit dem Taxi durch eine fremde Stadt zu bewegen. Warum schreiben die nicht: »Um ein Wasser mit Kohlensäure von einem Wasser ohne zu unterscheiden … oder um die Damentoilette nicht mit der Herrentoilette zu verwechseln … oder um herauszufinden, vor welchem Opernhaus man steht …«?
Ich lese im Reiseführer, dass Passasch auf dem Newskij Prospekt die schönste Einkaufspassage der Stadt sei. Ohne Kenntnis der kyrillischen Schrift heißt der Ort jedoch »Naccax«. Ich habe ihn nicht gefunden, war aber dort, was ich erst beim alphabetischen Auswerten der Fotos feststellte (Sorry für die Bewegungsunschärfe, hab’ das Bild in der Dämmerung aus der Hüfte geschossen; die Dämmerung dauert hier in St. P. zu dieser Jahreszeit fantastische 2 Stunden, ungefähr von 18:00 bis 20:00 Uhr)
Auf dem Flughafen wurde es dann ernst. Nun gut, die wichtigen Schilder vorm Betreten des russischen Territoriums sind noch zweisprachig … Zoll, Ausgang, Grenze. Doch um das Förderband zu finden, auf dem mein Koffer ankommen soll, da mache ich etwas, was ich seit Jahrzehnten nicht mehr getan habe: Ich laufe hilflos der Masse hinterher. Zum Glück habe ich mir einige Gesichter aus dem Flieger gemerkt. Auf der Anzeigetafel zur Gepäckausgabe verstehe ich kein Wort, außer der Flugnummer: AB 8484.
Ich muss mal. Es gibt keine Schilder mit Piktogrammen für Männlein oder Weiblein. Was heißt überhaupt Toilette auf russisch? Sicher wird es ganz ähnlich klingen wie im Französischen, Spanischen oder Englischen. Dummerweise sprechen die Schilder nicht, man muss sie lesen. Soll ich jetzt den Reiseführer herausnehmen, und die »Umrechnungstabelle« zu Rate ziehen, um alle Schilder in meinem Blickfeld zu transkribieren? Ich muss mal, ganz dringend, verdammt.
Wenn man seit 20 Jahren Marketing für Schriften macht, aber keinen blassen Dunst von den kyrillischen Zeichen hat (ich bin nicht mal in der Lage zu beurteilen, ob dieser Schriftzug spiegelverkehrt auf der Scheibe klebt), kann man sich immer wieder an den Formen der Buchstaben erfreuen … verstehen tue ich sie trotzdem nicht.
Da hinten steht »Pektopa«. Genauer: »Ресторан«. Ein Mitreisender klärt mich auf, dass sich das »Ristarán« liest. Ich koche. Warum kann man das nicht so da dranschreiben? Ich hätte es sofort verstanden. Nur gut, dass ich an einen Experten geraten bin: »Würden Sie mir bitte verraten, wo ich mir mal die Hände waschen kann?« »Na klar, dort hinten, rechts.« Oooohkeyei, vielen Dank. Ich trabe auf ein Schild zu, auf dem ich »Tyanet« lese. Tatsächlich steht dort »Tyaлéт«, in kyrillisch, was sich »Tualét« ausspricht. Ich bin bedient. Meine Kenntnisse der lateinischen Schrift und Sprache sind in diesem Land nichts wert.
Als wär’ das Leben in einer Stadt mit einer fremden Schrift nicht schon schwer genug … hier purzeln die Lettern auch noch von oben nach unten … ja wie herum muss man das denn jetzt dechiffrieren?
Auf der Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt von St. Petersburg greife ich immer wieder zum Reiseführer, um eine Umrechnungstabelle zu konsultieren. Dabei handelt es sich nicht um eine Währungsumrechnung, sondern um eine Buchstabenumrechnung. Ich lerne, dass das kyrillische A/a dem deutschen A/a entspricht. Eine Trivialität. Das kyrillische Б/б wäre dann das B/b – kann ich mit leben – doch die Buchstaben В/в sprechen die Russen wie ein w aus. Jetzt muss ich intellektuell schon aussteigen: was ich als B lese, spricht sich v aus und eine 6 ist im kyrillischen ein b. Wer um Himmels Willen soll sich das denn merken? Und dabei folgen in der Tabelle noch 30 kyrillische Groß- und Kleinbuchstaben, die alle noch memoriert werden sollen. Nee, Leute, das schaffe ich weder in diesem Leben, schon gar nicht in den nächsten Stunden. War Russisch in der DDR nicht die erste Fremdsprache, die 20 Millionen Menschen 6 Jahre durchgezogen haben, und sie nach 1989 ganz schnell wieder vergaßen … weil sie so schwer zu behalten ist?
Selbstverständlich habe ich die wahren Attraktionen der Stadt bereits im Augenwinkel wahr genommen, aber dazu erst später mehr.
Die 17 Kilometer lange Fahrt vom Flughafen Polkowo II ins Zentrum ist gesäumt von Werbetafeln und dick-und-fett beschrifteten Unternehmen: Ikea, Obi, Samsung, … Hey, das versteh’ ich, das kann ich was lesen. Meine Augen klammern sich an vertraute Schriftzüge: Coca Cola, Canon, Hewlett-Packard, … Den Rest entziffere ich wie ein Erstklässler. (Morgen mehr)
Payback- und Meilen-Jäger könnten auf die Idee kommen, dass man im Cafe »Mocca Club« ganz viele Punkte sammeln kann … ohne zu bezahlen. Falsch. Der Buchstabe hinter den Ziffern ist überhaupt kein p, sondern ein kyrillisches R (p), das für Rubel steht. 100 Rubel sind rund 3 €.
43 Kommentare
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<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
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thomas | BFA
4,5 jahre russisch, aber nichts behalten. ich erkenne zwar buchstaben wieder und kann dir sagen, dass das schaufenster richtig herum ist, aber das wars fast auch schon.
Liz
Auf dem Schild oben steht „Zentralisierte Buchhaltung der Treuhand „AufzugRep(aratur)Montage“. Stammt bestimmt aus sowjetischen Zeiten, da wurde sehr viel mit dieser Bürokratiesprache beschriftet und Abkürzungen zusammengefügt die dann als Namen fungierten. Der fette Schriftzug sagt „Teelöffel“. Interessanter Artikel, danke für Deine Erfahrungen :)
thomas | BFA
löffel = loschka, stimmt. ;-)
matthias
kyrillische buchstaben sind ja noch halbwegs gängig, da sie bekannten mustern folgen. „schlimmer“ sind dann schriften, die dann nichts mit den gängigen lesegewohnheiten zu tun haben (chinesisch), oder ständig aus anderen ligaturen bestehen (arabisch). aber nachvollziehen kann ich das schon – obwohl die buchstaben sich recht schnell lernen…
Florian
Dann warte erstmal ab, bis Dir ein kursives ›t‹ unterkommt! Das war jedenfalls bei mir der Punkt, an dem ich an meinem Verstand bzw. der korrekten Belegung des Fonts gezweifelt habe (siehe Kyrillisch: aufrecht und kursiv bei Wikimedia).
Danke für den tollen Report, und weiterhin frohes Buchstabieren, bleib tapfer! Век живи, век учи�?ь.
Simone Wolf
Toll, Jürgen – was für eine Erfahrung! Die vergisst man sicher nicht so schnell.
Und wenn ich vom Russischen lese, dann denke ich ’sehr schade, dass alle die, die im Osten aufgewachsen sind, zwanghaft versuchen das ‚Kyrillische‘ zu vergessen.‘
Ich wünsche Dir eine gute und interessante Zeit bei der ATypI – sicherlich werden viele AtypI Besucher Deine Erfahrungen machen, ohne sie so präzise und humorvoll niederschreiben zu können.
thomas | BFA
hmm simone, das hat verschiedene gründe. es war zum einen so etwas wie »zwang«. da lernt man weniger willig.
erik
Dein bester beitrag bisher fürs FontBlog. Und das will was heissen.
Kann leider nicht mit dir kyrillisch entziffern, weil ich daheim bleiben muss diesmal.
erik
Ach, übrigens:
DDR waren 16 mio, nicht 20 (soviel einwohner wie die Niederlande)
mitya
Beste Erlebnisse noch – und sei gespannt auf solche Finessen wie „Altrussisch“ (jene Schreibweisen, wie sie vor 1917 im Gebrauch waren, wie z.B. auf dem Photo mit der Zwiebelturmkirche am Kanal, links steht da „Compagnie Singer“ in Rot am Goldgrund, doch ein Dezimal-I kennt Russisch nicht mehr), Orientalia (wie am Japanisch-Restaurant davor, übersetzt heißt es „Japaneschen“, man liebt die Verniedlichung) und dergleichen mehr.
Das stille Örtchen wird übrigens gerne mit „М“ (für Männer) und „Ж“ (für Damen) angegeben. Sieht auch „Ж“ nicht nach einer korsettbeschnürten Gestalt aus?
Amy
При�?тного путеше�?тви�? durch Mütterchen Russland!
Stefan
Meine Russischkenntnisse sind auch alles andere als gut. Allerdings kann ich immer noch alles lesen. Auf dem Schaufenster steht z.B. Tschainaja Loschka. Was vermutlich irgendwas mit Tee-Lounge oder ähnliches heisen soll. чаи = Tschai was ja in vielen Sprachen das Wort für Tee ist.
Mark
*Lach*, ja Jürgen, eigentlich bin ich ein wenig erstaunt ob der gewissen naivität, die du da an den tag legst (das hätte ich tatsächlich bei dir, der du dich so lange schon mit typographie beschäftigst nicht erwartet), die grundidee find‘ ich aber trotzdem sehr spannend. – Okay, ich hab‘ glaube ich neun jahre russisch gelernt, wollte es nicht vergessen und hab’s leider doch irgendwie getan: aber in der not find‘ ich doch noch ein paar brocken im hirn … Kurzum: arroganz ist es nicht; im asiatischen raum war ich auch noch nicht!
Was das spannende ist, ist ja der uns so selbstverständliche zeichencharakter des buchstabens (linguisten springen wahrscheinlich im quadrat ob der formulierung). Wer sagt nun schon dass p, d, b, und q eigentlich das selbe sind? Is doch wurscht, ob der hund von rechts oder von links über die straße rennt oder dabei zwischendurch – zugegeben unwahrscheinlich – handstand (oder vorderpfotenstand) macht: es bleibt ein hund [Die metapher ist geklaut, ich hab nur gerade vergessen, woher?!]. Was du also brauchst ist die einfache fähigkeit, die symbole zu dekodieren und mit dir bekannten lautmustern zu verbinden … Wenn du dann französich und englisch kannst, wird’s im russischen „relativ“ einfach – man erkennt viel am klang ;-) Das dürfte dann bei bei den asiatischen sprachen nicht mehr funktionieren …
Hab also viel spaß!
Jürgen
Gut, das ich zum Staunen anregen kann. Die Naivität ist 50 % Stilmittel und 50 % meine Natur.
Ralf Herrmann
Nicht weil sie so schwer ist, sondern weil man sie einfach nicht mehr benutzt.
Was mich jetzt brennend interessieren würde: Wie sehen denn die Verkehrsschilder aus? Sind sie kyrillisch und lateinisch? Wahrscheinlich nur die größeren, oder? Und welche Schrift wird benutzt?
Thomas
Eine interessante Erfahrung ist es auch durch Bosnien zu reisen, dort verläuft eine quasi typografische „Grenze“ quer durchs Land. In der bosnischen Teilrepublik Srpska, die zu großen Teilen von serbischstämmigen Bosniern bewohnt ist, sind unter anderem auch alle Verkehrschilder und Wegweiser auf kyrillisch, was zumindest bei mir schon mehrmals zu absoluter Konfusion geführt.
Ivo
Ralf, die Straßenschilder hier sind auch auf Russisch. Ich werd mal ein paar fotografieren für dich und nach meiner Rückkehr ebenfalls was schreiben.
Christina Hanck
Habe mich sehr amüsiert über den netten Russisch-Artikel…
In der 5. Klasse habe ich Russisch noch sehr gern gelernt, sogar leidenschaftlich das russische Alphabet-Lied gesungen. Immerhin kann ich wohl deswegen noch alle Buchstaben ;-)
(Das mit dem Zwang ist mir etwas einseitig, dann müßte man ja anderen Sprachunterricht auch nur als Zwang ansehen.) Zum Russischunterricht kam ja viel mehr: Treffen mit sowjetischen Soldaten und immer die Gefahr nun plötzlich auch mit denen sprechen zu müssen in dieser schwierigen Sprache (Aufregung!) und die Abneigung begann bei mir erst durch die oft gaaanz langweiligen und sehr ideologischen Texte in den Lehrbüchern. ABER: trotz organisierter Brieffreundschaften mit sowjetischen Kindern, überwog doch die große Freude über die erhaltenen Briefe mit den besonders gestalteten Briefumschlägen und dem Inhalt in sehr geschwungener russischer Schönschrift. Will sagen: als Kind fand ich es auch interessant mit dem Russischen.
Und wofür war Russisch noch gut: als ich das erste Mal in Griechenland war, konnte ich das Griechische ganz gut entziffern.
Nun warte ich auf Teil 2 des St.-Petersburg-Tagebuchs :-)
Florian
@ Mark: Der Hunde-Vergleich stammt aus Gerrit Noordzijs Vortrag ›Das Kind und die Schrift‹, zu finden bei Letterror.
fjord
Hey, Jürgen, ein Superbeitrag! Merci! – Und gerne mehr davon! (Wie wäre es mit einem Typorecherchereisebudget für Jürgen? Und dann auf nach Israel, Japan, … .)
Johanna
Ein schöner Artikel, vielen Dank! Ähnliche Erfahrungen habe ich im letzten Jahr in Peking gemacht, wobei die Toiletten eigentlich immer durch Piktogramme gekennzeichnet waren. Puh ;) Insgesamt war es bei mir aber eher ein „Schrift ansehen“ als „Schrift entziffern“, wobei es geradezu befreiend war , einfach nur die Schrift als „Grafik“ zu betrachten und zu sehen, was sie mir allein dadurch vermittelt. Meine Ausbeute nach zwei Wochen: Ich konnte die Schriftzeichen von Peking wiedererkennen, mich bedanken und Tschüss sagen. Hallo klappte schon vorher. :)
Roman
в�?е хорошо, Юрген.
привет из Мюнхена.
Kathrin
Ich werde wehmütig, wenn ich Deinen Artikel lese und die St. Persburg Bilder betrachte, denn ich habe als Kind einige Male meine Ferien dort verbracht. Meine Eltern hatten echte (nicht verordnete) Freunde, die in einer Seitenstraße des Newski Prospekt wohnten. Sie haben uns die russische Kultur mit Leidenschaft nahe gebracht, haben uns die grandiosen Museen und Kirchen gezeigt und uns in Gegenden geführt, die sonst kein Tourist zu sehen kriegt. Wir sind fast jeden Abend ins Theater oder Ballett gegangen – die Karten wurden an jeder Ecke verkauft und waren für alle erschwinglich. Ist das immer noch so? Wohl eher nicht …
Wenn wir mal nicht unterwegs waren, wurden legendäre Partys gefeiert, mit unglaublich viel fettem Essen, Sahnetorte und Wodka satt (natürlich nur für die Erwachsenen :). Die Schwester unserer Gastgeberin war Opernsängerin, sie und ihr Mann haben nach dem Essen Russische Arien zum besten gegeben.
Lange Rede kurzer Sinn – für mich war diese Stadt und seine Bewohner immer etwas ganz besonderes. Ich habe Russisch mit viel Begeisterung gelernt und es nie als Zwang empfunden. So schwer ist die Sprache gar nicht – die Grammatik ist nicht so von Unregelmäßigkeiten und Ausnahmen geprägt wie im Deutschen. Und mit dem Erlernen fremder Schriftzeichen tut man sich wahrscheinlich erst als Erwachsener schwer.
Lieber Jürgen, vielen Dank für Deine Zeilen – ich habe beschlossen, nächstes Jahr endlich mal wieder nach St. Petersburg zu reisen …
Johannes Brückner
Hat echt Spaß gemacht das zu lesen, weil es ein sehr persönlicher Bericht ist. Das ist es auch, was Blogs für mich ausmachen. Mehr davon!
robertmichael
toller beitrag!
mir ging es in thailand und ägypten ganz ähnlich. dort gabs zwar toiletten-bildchen allerdings habe ich keinen taxifahrer gefunden der englisch konnte, selbst in bangkok nicht. beim essen bestellen sind dafür immer bilder daneben abgedruckt, das machts schonmal leichter.
ich hatte 2 jahre russisch danach habe ich es abgewählt und schulenglisch gelernt. ich kanns heute auch nicht mehr.
wie verhält es sich eigentlich mit drussisch? deutsche wörter in kyrillischen buchstaben geschrieben, können wir uns nicht darauf mit den russen einigen? ;)
Nils
Tyaлéт war übrigens das einzige Wort, das mir beigebracht wurde, bevor ich mit fünf Jahren mutterseelenallein im Moskauer Kindergarten stand.
Ach, Erinnerungen …
zu 18. Mit dem Griechischen ging es mir ebenso; ein unerwarteter Zusatznutzen.
Mal sehen, was du noch alles entdeckst.
Johannes
Bin mal vor vielen Jahren in Moskau um 4 Uhr morgens und nicht mehr so gaaanz nüchtern aus einer Disko getorkelt und musste allein nach Hause finden. Nach Hause hieß in diesem Fall zu einem Freund, der seit vielen Jahren irgendwo in Moskau wohnte. Der war »schon mal vorgefahren«. Ich selbst kann kein russisch sprechen und kein kyrillisch lesen (obwohl ich beides liebe!). Und Moskau hat 10 Mio. Einwohner. Lost in Translation. Den Namen der Straße, in die ich musste, konnte ich entsprechend meiner Sprachkenntnis und meines Zustandes auch nur noch so lala aussprechen. Das Ergebnis war eine zweistündige Odyssee in einem Behelfstaxi (man stellt sich in Moskau an die Straße und hält die Hand raus, bis ein Auto anhält) durch die nächtliche Stadt. Und es war herrlich! Obwohl wir nicht miteinander sprechen konnten, verstanden der Taxifahrer und ich uns prächtig. Wir hatten alle Zeit der Welt und irgendwie schafften wir es. Als ich nach Hause kam, saß mein Freund mit ein paar anderen Leuten in der Küche. Wir haben dann erstmal weitergetrunken…
Yanone
Венн Ду Да�? Лезен Канн�?т, Данн Би�?т Ду Кеин Думмер Ве�?�?и!
Roman
@ Yanone:
hahaaaaaa…..das sehe ich zum ersten mal.
Ich krieg mich nicht mehr.
Danke.
Yanone
Ist nicht von mir, ne. Hab ich zum ersten Mal in Dresden in ner Eckkneipe gesehen, und zum zweiten Mal in Franken auf’m Bauernhof auf’m Klo. Ich find’s auch superlustig.
Manuela
Es ist doch wunderbar, dass es solch schöne Unterschiede auf der Welt gibt und sich auch für Typografie-Experten ein Meer an neuen Fragen aufdrängt. Entdecke nur: Es lohnt sich und macht irrsinnig viel Spaß zu entziffern. Jürgen: Das Alphabet hast Du ganz schnell drauf. Wirst vielleicht nicht blitzschnell lesen können, aber um den Sinn zu erhaschen, reichen bestimmt 2 Stunden intensive Beschäftigung mit den Buchstaben. Viel Spaß!
Kai
Dein Bericht macht dem typographieinteressierten Russischübersetzer/-dolmetscher richtig Spaß. Bin gespannt, was du weiter berichten wirst. Und wie kommst du eigentlich zurecht, wenn du durch Griechenland reist?? :-)
nora
Hei, hei … vielleicht solltest du das Genre wechseln, Jürgen! Ein grossartig geschriebener kleiner Reisebericht. Wunderbar! Danke.
hef
@ Yanone: Auch als dummer Wessi kann ich nen Spruch in Kyrillisch beisteuern:
Работа �?вл�?ет�?�? закатом пьющего кла�?�?а!
(Und ich kanns sogar aussprechen!)
Deshalb mach ich jetzt Schluss und geh eins trinken!
Ralf Herrmann
Со и�?�?е�?!
Nur mit den 2 x 6 Fällen wird es wohl dieses Wochenende nix mehr.
Klaro, ich meinte, ob auch gelegentlich zusätzlich lateinische Schrift benutzt wird, z.B. AIRPORT oder sowas.
Das wäre ganz fantastisch! :-)
Nina Stössinger
Jürgen, war das ein toller Beitrag, danke! Freue mich schon auf Teil 2. :)
Ich hatte im Gymnasium drei Semester freiwilliges Russisch (finde die Sprache unheimlich schön und wollte die komischen Buchstaben lernen) und hatte dann sieben Jahre lang nix damit zu tun, dann allerdings musste ich meine Eltern zwei Wochen lang durch Kaliningrad und Umgebung manövrieren, denn sie sprechen (und lesen!) kein Russisch. Es hat funktioniert.
Will sagen: Wenn Du die Buchstaben einmal den richtigen Lauten zugeordnet hast, dann bleibt das erhalten. Sprachen sind wie Fahrradfahren, richtig verlernen tut man sie nicht. :) (Was ich allerdings fürs Japanische so nicht bestätigen kann, aber da gibts wohl einfach zuviele Zeichen, als dass man sich die dauerhaft merken könnte, ohne sie zu verwenden …)
Marcus
Hi Jürgen noch ein, zwei Tipps: Bliny essen! (sind einfach nur Pfannkuchen aber total lecker!) im Bliny Domik, kolokolnaja ul. 8, Metrostation Wladimirskaja. Klein, wenig Platz aber riesen Auswahl! Wenn es ein Moo Moo (my my) in St. Petersburg geben sollte (ich kenn die nur aus Moskau) unbedingt ausprobieren. Russischer Fastfood!! Propganda (wenns das noch gibt) ansehen! Essen war nicht so toll. nab. reki Fontanki 40/Newski Prospekt Metro Majakowskaja. Und wenn Ihr Zeit habt, fahrt mit dem Boot (Tragflügelboot) nach Peterhof (für den Internetjunki: http://www.russlandjournal.de/russland/sankt-petersburg/peterhof/) aber nur wenn die Springbrunnen noch in Betrieb sind. Und natürlich (schafft Ihr bestimmt nicht) ins Mariinskij-Theater!!!! Karten kosteten vor 2 Jahren knapp 30 Dollar (für Russen viel weniger) bekommst Du normalerweise in jedem Hotel. Wunderschön! Und wenn man dann noch Dörnröschen sehen kann …! Viel Spaß! da-swidanija.
Raketentim
Der beste Beitrag seit langem (ohne die anderen abwerten zu wollen)!
sanddorn
Ich bin leider nie mit dem kyrillischen warm geworden, da brauchte ich nach 89 nichts zu vergessen. Bzw. da ich den Osten liebe versuche ich heute noch die Schrift zu lernen …
sanddorn
Osten = Osteuropa nicht DDR
Till Westermayer
Kein russisch, aber seit langem großes Interesse an Schriften und deswegen selbstverständlich auch schon mal über das kyrillische Alphabet gestolpert. Im Vergleich zu Indien, Japan oder China ist die Entzifferbarkeit (~ 50 % der Buchstaben sind identisch, und der Rest sieht halt ein bißchen anders aus, …) aber noch richtig gut.
Marc B.
@28 Yanone: Es gibt auch Wessis, die zumindest Kyrillisch, wenn schon kein russisch können.
Ich bin als Wessie ohne familiäre oder sonstige Bindungen kurz nach dem Abitur für 14 Tage in die Sowjetunion gereist. Einfach aus Interesse. Das war zu Gorbatschows Zeiten und ich wollte wissen, wie es dort aussieht und ob ich was vom Leben der Menschen mitbekommen kann. Ich habe mir eine Gruppenreise von einer ziemlich speziellen gemeinnützigen Organisation gesucht, sehr speziell organisiert und mit ein bisschen Zeit zum individuellen Erkunden.
Naja und mit ein paar rudimentären Kenntnissen in Altgriechisch war es nicht schwer, das kyrillische Alphabet zu lernen. Ohne ging auch gar nichts. Man kann ja nicht mal in Moskau oder Kiew Metro fahren, wenn man nicht die Stationsnamen lesen kann.
peter
Beim ersten bild muss man nur kyrillisch lesen können:
„Buchgalterei“ (Transliteriert) ziemlich am Deutsch Buchhalterei ist (Die Petersburger hattens ja von de Preußen)