Neville Brody ans Royal College of Art berufen
Der weltweit angesehen britische Designer Neville Brody, unter anderem Mitbegründer von FontShop International, der FontFont-Schriftbibliothek und der TYPO Berlin, wurde als Leiter des Fachbereichs Communication Art & Design ans Londoner Royal College of Art (RCA) berufen. Er wird diese Position zum 1. Januar 2011 antreten.
Es gab im Netz wilde Spekulationen während der letzten Woche zu dieser Personalie. Am Montag schließlich wendete sich der Rektor des RCA, Dr. Paul Thompson, mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit. Brodys Berufung bestätige die Verpflichtung seiner Hochschule, die Chancen und Herausforderungen der sich rasend schnell entwickelnden Disziplin des Kommunikationsdesigns im 21. Jahrhundert anzunehmen.
»Neville Brody ist sowohl ein eloquenter Fürsprecher als auch ein glänzender Praktiker.« begründet Thompson die Entscheidung für den neuen Leiter. »Sein Talent erstreckt sich über viele Disziplinen – von den klassischen Drucksachen und der Typografie über Online-Medien und Motion-Graphics bis hin zu Packaging und Corporate Design. Er ist einer der einflussreichsten Designer seiner Generation und verkörpert auf perfekte Weise den interdisziplinären Ethos unseres Fachbereichs Communication Art & Design.«
Obwohl ihn sein Designbüro Research Studios voll in Anspruch nimmt, hatte Brody stets großes Interesse an der Designausbildung und dem Nachwuchs. Davon zeugen zum Beispiel seiner Unterstützung des Student-FUSE-Projekts Anfang der 90er Jahre, die FUSE-Konferenzen (inkl. FUSElab) und die vielen Vorträge, die er an Hochschulen in aller Welt hielt. Auch die Idee, ein Drittel der TYPO-Konferenzkarten vergünstigt an Studenten abzugeben, stammt von Brody, denn die TYPO basiert auf dem Grundstein, den er mit seiner legendären FUSE 1995 in Berlin legte.
»Die Berufung ans RCA ist eine Ehre und eine große Herausforderung für mich.« sagt der Designer über seinen neuen Job. »Das Royal College ist ein Qualitätszentrum für Kunst und Design, die Geburtsstätte für alle Disziplinen der visuellen Kommunikation. Ich freue mich darauf, das tiefe Verständnis des RCA für Geschichte, Handwerk und Sachkenntnis mit einer dynamischen, aktuellen und forschenden Herangehensweise zu verknüpfen, um Kunst und Kommunikation weiter zu bringen.«
Was können wir in Deutschland von London lernen? Ich habe Johannes Erler gefragt, Gründer von Factor Design in Hamburg und Professor an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur. Er bewertet die Nachricht aus dem Royal College so: »Eine bedeutende Hochschule wirbt mit der Ernennung eines bedeutenden Designers und stellt damit einen direkten Zusammenhang zwischen fundierter Ausbildung und Relevanz von Design in unserer Zeit her!« Er wisse zwar nicht, welches Verfahren zu dieser Entscheidung geführt habe, aber allein das Ergebnis sei erfrischend konsequent und logisch. Die Meldung mache ihm Mut, aber kann sie ein Vorbild für Deutschland sein? »Ein Zeichen, ein Symbol dieser Art kann ich hier nicht erkennen. Jedenfalls erinnere ich mich nicht an eine vergleichbare Meldung. Die Auswahlverfahren bei uns sind gruselig. Und die Arbeitsbedingungen für Professoren verschlechtern sich zusehends.« (Abbildungen: Marc Eckardt, Research Studios)
30 Kommentare
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Johannes
Vielleicht noch ein Nachtrag zu meinem Kommentar: irgendwie hört sich das alles ja so ein bisschen wie beim Fußball an. Ein neuer Trainer wird gesucht. Es gibt wilde Spekulationen. Die Sache zieht sich. Und plötzlich zieht der Präsident des Vereins den Supertrainer aus dem Hut. Und ist wahnsinnig stolz. Und die Fans staunen und sind glücklich.
So ist die Sache hier auch aufgemacht. Und so hat sie Sexappeal.
Wie gesagt: in Deutschland wäre das undenkbar. Da steht erstmal die Verwaltung vor der Sexiness. Und dann die Quote und der Proporz. Und die Angst vor der mutigen Entscheidung. Und die Angst vor den Stars. Das ist bisweilen schon ziemlich traurig. Und bedenklich ist es auch. Weil sich diese Haltung natürlich auf die Studierenden und letztlich auf die gesamte Branche überträgt.
Wir brauchen mehr Licht und mehr Luft und vor allem auch ein bisschen mehr Glamour an den Schulen. Statt dessen gibt es W2 und entwürdigende Diskussionen über Nebentätigkeiten. Da würde sich schon der Satz »Obwohl ihn sein Designbüro Research Studios voll in Anspruch nimmt…« auf der gefühlten Grenze zur Illegalität bewegen.
HD Schellnack.
Ausgezeichnet. Sehr passend, dass Wozencroft ja auch am RCA Senior Tutor ist, Wozencrofts Texte für «The Graphic Language …2» sind klasse.
Indra
Naja, Ende des Abendlandes ist die deutsche Hochschullandschaft ja nun auch nicht gerade. Es gibt sehr wohl einige renommierte Designer unter den Hochschullehrern. Allerdings, da hast Du Recht Johannes, werden Besetzungen hierzulande selten an eine so große Glocke gehängt.
Hochschulen sehen das mitunter als Mischkalkulation. Wenn man große Stars mit gut gehendem Büro an Bord holt, ist das vielleicht Glamour und gute PR, aber man muss damit rechnen, dass sie ihren Wohnsitz wohl eher nicht verlegen, wenig an der Hochschule sind und vor allem in der Selbstverwaltung wahrscheinlich nicht extremes Engagement zeigen. Der Arbeitsaufwand in diesem Punkt ist in Deutschland nicht zu unterschätzen.
Die Stelle in London muss entweder sehr begehrt gewesen sein, oder es wurden gezielt große Köpfe angesprochen: “… those also in the running included Quentin Newark, Rick Poynor, illustrator and head of Kingston’s School of Communication Design Lawrence Zeegen; St Martins tutor Andrew Haslam; designer Cornel Windlin; and designer/writer William Holder” (Zitat Creative Review).
Dort, auf dem CR-blog, tobt zu der Meldung eine anscheinend stellenweise sehr heiße Diskussion, zumindest wenn man die »Hitzigkeit« an der Anzahl vom Moderator gelöschter Kommentare festmacht.
Gegen Rick Poynor hätte ich zugegebenermaßen auch nichts einzuwenden gehabt.
rebus
warum sind berufungskommissionen zumindestens in deutschland eigentlich immer nur hochschulintern besetzt? wenn diese zur hälfte aus externen bestünden, könnte viel eher gewährleistet werden, dass vor allem die qualität des bewerbers entscheidet und keine fragen ins spiel kommen wie: »wird der mich hier überstrahlen?«, »hat der inhaltlich mir genehme standpunkte?«.
Johannes
@ rebus: tja…
Indra
In den meisten Kommission, zumindest denen, die ich kenne, ist auch ein externes Mitglied dabei. 1 zu 2–3 internen Profs. finde ich keinen so schlechten Schnitt, immerhin muss die Person ja zur betreffenden Hochschule passen und wird nicht nur aufgrund seiner Designpreise ausgewählt.
Zudem gibt es ja auch noch externe Gutachter, die unabhängig die Kandidaten der engeren Wahl beurteilen. Inzwischen können auch die meisten Hochschulen selber über ihre Berufungen entscheiden und müssen nicht das Ministerium auswählen lassen.
Benjamin Hickethier
Ich kann Indra (3.) nur zustimmen. Auch in Deutschland gibt es etliche Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen mit ›großen Namen‹. Natürlich ist Prestige nicht immer das wichtigste Qualitätskriterium zur Beurteilung von Forschung und Lehre. Zum Glück.
Und es ist auch leicht, die Ermangelung der Berufung eines ›ähnlichen Stars‹ in Deutschland zu beklagen, eine Ernennung, die ›ein Zeichen, ein Symbol dieser Art‹ sein solle. Eine ähnlich spektakuläre Stellenbesetzung würde eine Person erfordern, mit dem Stellenwert, dem Werk und dem erfahrungsvermittelnden Anspruch von Brody. Wer sollte das sein?
Dan Reynolds
Uhh… wouldn’t that be Erik Spiekermann? He has already been an honorary professor in Bremen for several years. And he teaches at the UdK in Berlin, too. In fact, both his XING-Profile and the UdK website list him as a professor there. So, it seems to me that world-class designers are teaching in Germany at good universities as professors, too. What’s the difference?
(sorry for the English-language post :( I have a weeklong workshop this week, and am really tired…)
Edit:
Und bevor wir eine lange Diskussion anfangen, wer der bekanntere Designer ist, sage ich lieber im Voraus, dass ich Grafikdesign in den 90ern in den USA studierte… und ich wüsste wer Erik Spiekermann war schon lange vor ich von Brody zum ersten Mal hörte. Nichts gegen Brody! I just have to represent…
Christoph
Viel interessanter ist doch: warum fragt eigentlich niemand die Studenten, wen sie gern als neuen Professor hätten? (Weimar lassen wir mal aussen vor: http://brug-halle.de/2010/01/was-ihr-wollt/ )
Und jetzt braucht hier keiner die studentischen Beisitzer zu erwähnen. Deren Stimmrecht steht ja wohl in keinem Verhältnis zur Professorenschaft.
HD Schellnack.
Soweit ich weiß, arbeiten ziemlich viele namhafte Designer an Hochschulen, soweit ihr Alltag es zulässt. Namhaft für deutsche Verhältnisse, wo – da hat Dan 100% Recht – Erik sicher der unangefochten Bekannteste ist. Wobei niemand in Deutschland den Popstar-Status von Neville Brody hat – der in England zumindest für eine Zeit lang einfach auch ein Name war, den halbwegs eingeweihte «normale» Menschen kennen, die nicht aus der Branche kommen, so wie man ja auch mal den Namen eines bekannten Photographen oder Architekten kennt. In Deutschland gibt es diesen medialen Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung durch «normale» Publikationen, TV usw. eigentlich kaum, es gibt keinen Popstar-Designer, keinen Jamie Oliver der Typographie :-D
Indra
Erik ist ein Popstar. Und er ist auch einigermaßen bekannt in Nicht-Fachkreisen. In den anderen Kreisen kommt es eben darauf an, worauf man den Fokus legt.
Was ist mit Fons Hickmann, Andreas Uebele, Eike König, Atak/Georg Barber, Fred Smeijers, Klaus Hesse, Uwe Loesch (okay, vielleicht haarscharf an der Pension vorbei), Anna Berkenbusch, Rudi Baur, Alessio Leonardi, Sascha Lobe, Markus Dreßen, Ralf de Jong, Andrea Tinnes, Joachim Sauter, Sven Voelker, Gerwin Schmidt, Wim Westerveld … und das sind jetzt nur mal die, die mir zur nächtlichen Stunde gerade in den Sinn kommen.
thomas junold
du selbst liebe indra bist ja keine unbekannte. :) es ist ja nicht nur, dass uns die pop-stars fehlen, es werden auch nicht-pop-stars, aber mehr als fähige gestalter&persönlichkeiten nicht korrekt an die schulen berufen, wenn ich da an den HD denke. ja ich weiss, du hast wie immer keine zeit, aber ernsthaft deine begeisterung und fähigkeit zu denken und das anschliessend zu kommunizieren ist NUR in einer agentur echt zu begrenzt aufgehoben, blog hin oder her. du gehörst vor studenten.
es ist glaube ich vielmehr so, dass lehre ein wenig unsexy zu sein scheint aus sicht der lehrenden oder der, die sich grundsätzlich dafür interessieren. die anreize seitens der ausbildungsstätten sind begrenzt.
verena
Es ist einfach eine Zeitfrage. Irgendwann steht man vor der Entscheidung: Lehre oder Kunden und »reale« Projekte. Ich selbst hatte beides parallel gemacht. Und musste zugeben: es geht nicht. Jedenfalls nicht auf höchstem Niveau in beiden Bereichen. Im einen muss man sich den StudentInnen verpflichten und hat eine Verantwortung, die viele leider nicht so richtig ernst nehmen. Im anderen muss man flexibel sein und kann nicht sagen »oh, da kann ich nicht, da muss ich unterrichten. Müsst ihr halt auf Euren neuen grafischen Auftritt noch etwas warten«.
Ich habe mich jetzt für die die Praxis entschieden, da ich da auch mehr Freiheiten, als im Hochschulapparat habe. Und auch spielt das Ego eine Rolle, wenn man sich mit eigenen Projekten auf dem Markt beweisen kann. Was bei gleichzeitiger Professur nur mit Abstrichen ginge.
Aber ich glaube Stars, die schon alles erreicht haben und auch den Markt kennen wären super für die Hochsschulen. Dann wird aber wieder gemault, dass sie den Jungen die Plätze wegnehmen und das sie Allüren hätten.
Lasst doch alles einfach wie es ist. Oder gründet ein Royal College in Deutschland. Da ist eh alles anders.
stefano picco
Da denkt man ja glatt nach sich noch einmal ein zu schreiben … und mal eben nach England zu ziehen :P
alex
hallo,
es für mich schockierent wie sehr ihr euch alle über namen unterhaltet. warum nicht über lehrinhalte, forschung und visionen? viele leute die sich für profesorenstellen bewerben denken kaum an die studenten, größtenteils nur um ihre absicherung und dem vita gegenüber eines auftragsgebers. an den sogenannten elite designhochschulen deutschlands werden zukünftige professoren anhand der schönheit ihrer websiten ausgewählt und vetternwirtschaft wird vor forschungsansetzen gestellt. ich bin mir bewusst das bürokratie es vielen designhochschulen schwermacht neue wege zugehen. doch wenn wir alle nur nach namen entscheiden und nicht nach einer gewissen haltung zur lehre wird es keine entwicklung geben.
vielleicht ist es eine sehr naive einstellung von mir, doch wir stehen vor einem grossen umbruch (Bologna-Prozess / neubesetzungen von alt professorenstellen). und ich glaube viele schulen verlieren mit ihrer visionslosigkeit den anschluss an schulen in holland / schweiz und england.
Johannes
um das noch mal deutlich zu machen: es ging mir gar nicht so sehr darum zu bemängeln, dass es nicht genug gute und namenhafte gestalter an den schulen gibt. ich muss auch aufpassen, nicht immer nur zu meckern und auf das bessere in anderen orten zu verweisen. auch ist vieles von dem, was indra geschrieben hat, vollkommen richtig (»mischkalkulation«, zusammenstellung der kommissionen etc.). und klar (@ alex): vor allem geht es immer noch um inhalte.
was mich an der neville-meldung jedoch so reizt, ist die optimistische, vorwärtsgewandte art. dieses unbedingt wollen. dieses wuchern mit pfunden.
auf den gängen des rca sieht es wahrscheinlich genauso aus, wie in allen gestaltungsschulen dieser welt. und die gremienarbeit wird auch nicht anders sein, als in detmold. und dennoch klingt das gut und begehrenswert und nach aufbruch. und es setzt eine haltung voraus, die einen dies auch so einfach ausprechen lässt. eine populäre und trotzdem intelligente haltung. womit wir wieder beim pop wären. womit sich der brite bekanntlich etwas leichter tut.
dass der alte punksozialist brody nun chef vom royal collage of art ist, scheint in england nur logisch. wenn aber der ehemalige sponti joschka in zukunft als herr fischer bmw berät, dann ist das in deutschland verrat an der sache.
alex
hey johannes,
man muss auch bedenken das es in england eine meinung gibt, dass RCA hätte stark an qualität verloren. aber trotzdem gab zum diesjährigen term dreifach soviele bewerber wie in den jahren vorraus (was aber scheinbar an der wirtschaftskrise und dem bolgana-prozess liegt).
ich selbst habe unter drei RCA absolventen studiert und dies hat meinen horrizont sehr erweitert. erstaunlich ist da auch die starke vernetzung, was auch den wichtigsten punkt für ein studium am RCA ausmacht. eine starke alumi arbeit.
eine beeindruckende person ist für mich james goggin (www.practise.co.uk), welcher derzeit in holland in arnhem / Werkplaats und in der schweiz ECAL unterrichtet. (interessantes konzept – unterichten an mehrern hochschulen)
derzeit sind mir in deutschland 2 RCA absolventen als professoren bekannt:
http://www.fbg.h-da.de/personen/professoren/frank-philippin/
Hochschule Darmstadt – prof. frank philipin
http://www.hgb-leipzig.de/index.php?a=person&b=mitarb&id=207&
HGB Leipzig – prof oliver klimpel
beide sind sehr interessant für mich.
Florian Pfeffer
ICH OUTE MICH JETZT ALS OPTIMIST, ZUKUNFTSGEWANDT UND GLÜHENDER VERFECHTER DER HOCHSCHULLANDSCHAFT IN DEUTSCHLAND!
(und entschuldigung für die HD-artigen ausmaße meines posts – aber hier geht es um eine angelgenheit des herzens).
ich bin seit nunmehr 13 jahren an hochschulen tätig – in den usa, im libanon, in groß-britannien, italien und in deutschland (und ebenso in der praxis mit unserem designbüro one/one in amsterdam und berlin). ich war gastprofessor, gastvortragender, workshopleiter und bin nun seit nunmehr 3,5 jahren als ordentlicher professor an der hfg karlsruhe tätig. ich habe durch unser projekt :output als jurymitglied in den vergangenen 13 jahren ca. 12.000 studenten-projekte aus aller welt (ca. 80 länder) ansehen und beurteilen dürfen.
aus dieser erfahrung heraus kann ich sagen, dass es in deutschland eine ausserordentlich hohe qualität in der designausbildung gibt, die sich mit allen – ich wiederhole: MIT ALLEN! – ländern messen kann. die qualität ist dabei in den vergangenen jahren enorm nach oben angestiegen. viele der interessantesten arbeiten kommen heute aus hochschulen, sodass sich die „profis“ anstrengen müssen, um mithalten zu können.
hier nur ein beispiel: http://www.open-output.org/KatrinSchacke49/project/594
aus diesem grund haben mittlerweile sowohl der red dot award als auch der if-award studentenkategorien eingerichtet (jahre nachdem wir mit :output den anfang gemacht haben). das geht so weit, dass in manchen jahren die „best of the best“ preise beim red dot zu einem überwiegenden teil aus hochschularbeiten bestehen.
man muss aber dabei berücksichtigen, dass es in deutschland keine elite-hochschulen gibt, die wie ein leuchtturm aus allen anderen herausstechen würden (wie beispielsweise das RCA in london oder Yale, CalArts, Cranbrook, RISDI in den USA). nebenbei: das ist aber nicht nur negativ. man kann in deutschland (zumindest noch) eine sehr, sehr gute designausbildung bekommen ohne 80.000 $ dafür zahlen zu müssen.
es stimmt, dass herausragende studentenarbeiten aus deutschland meist etwas anders aussehen, als die aus anderen ländern: inhaltlich/konzeptionell fundiert, sorgfältig durchgearbeitet, typografisch oftmals sehr, sehr gut … aber – im vergleich zu den niederlanden beispielsweise – nicht so humorvoll/überraschend/witzig/spritzig oder nicht so plakativ wie in den USA. das passt aber ganz gut auf den deutschen markt (der auch nicht so viele witzig/spritzige auftraggeber hat wie die niederlande). die frage ist nur: ist das so schlecht einen eigenen charakter zu haben?
das ausschlaggebende für die qualität eines studiums ist im übrigen nicht die bekanntheit der professoren, sondern die frage ob studierende und lehrende in der lage sind, aus einem beliebigen hochschulgebäude einen magischen ort zu machen. magisch im sinne der verwandlung von menschen. studieren ist keine technische angelegenheit und hat auch nicht alleine eine berufsausbildung. es geht vielmehr um eine grosse chance im leben, selber der eigenen persönlichkeit eine form geben zu können (also eine designaufgabe an sich).
studienstrukturen spielen dabei eine zentrale rolle, weil sie einen direkten einfluss auf die art und weise haben, wie lehrende und studierende zusammen arbeiten können (bachelor lässt grüssen).
und zuletzt noch, weil mich so etwas wirklich aufregt:
wer hier schreibt, dass professor/innen sich nicht um ihre studenten kümmern, sondern nur um ihr einkommen; dass sie nach der schönheit ihrer website eingestellt werden, und vetternwirtschaft vor forschungsansätze gestellt werden, muss dafür belege auf den tisch legen – und nicht einfach im internet behauptungen aufstellen! dass man im internet einfach alles reinschreiben darf, heisst nicht, dass man das auch muss. bitte lasst doch diese vorurteile lieber weg.
ich lade alle ein, die sich für eine optimistische hochschule interessieren, an die hfg in karlsruhe zu kommen.
wir sind so zukunftsgewandt, dass wir uns aktiv um die studentengeneration von morgen kümmern (ohne das laut irgendeines lehrplanes zu müssen, sondern weil es wichtig ist): http://www.oh-camp.de
ich mache für gäste in karlsruhe gerne führungen, informiere über unser studienkonzept, zeige arbeiten und setze mich mit kritik auseinander. man kann aber auch inkognito zu uns kommen und sich auf dem gang den o-ton derer anhören, für die das alles am ende veranstaltet wird: der studenten. da haben wir keine angst vor …
Johannes
@ florian: :-))
thomas anderson
mal ehrlich: Andreas Uebele, Eike König, Atak usw. kennt doch kein normaler deutscher bürger. diese designer kennen ja kaum designstudenten anderer ausrichtungen.
@ verena: „muss man flexibel sein und kann nicht sagen »oh, da kann ich nicht, da muss ich unterrichten.“
das ist genau die einstellung, die das berufsbild designer immer weiter zerstört. flexibilität bis zum umfallen, keine normalen arbeitszeiten, sklave der entscheidungen der kunden, die sie ja immer weiter aufschieben können, weil wir ja sooo flexibel sind.
das muss endlich mal aufhören. flexibel und schnell: ja.
überstunden und nachtschichten, weil kunden einfach keine verbindlichen entscheidungen reffen: nein.
verena
@thomas
Na dann lass es eben. Die Überstunden wirst Du aber genauso beim Unterrichten haben. Weil einem nämlich alles so viel Spaß macht und man selbst soviel dabei lernt.
Ehrliche Frage an alle, die beides machen: Könnt Ihr das wirklich beides unter einen Hut bringen, ohne dabei die eigene Gesundheit zu ruinieren? Oder das noch vorhandene Privatleben? Oder dass Ihr den StudentInnen oder den Kunden und Projekten (die mich übrigens nicht versklaven, und die ich meistens auch mag) kein sauschlechtes Gewissen gegenüber habt, da Ihr einen von beiden (bzw. ca 60) jeweils zurückstellen müsst?
alex
hey florian,
danke für den ausführlichen post.
und ich denke auch das die hfg karlsruhe eine ausgezeichnete ausbildung ermöglicht. ich habe dort zwei tolle kongresse erlebt (communications next und design blast) die mich stark beeinflusst haben (z.b. die vorträge von daniel eatock und teal triggs). und ich wünschte mir es würden mehr hochschulen davon geben. (schon allein die begrenztheit der lehrtätigkeit finde ich interessant)
ich wollte nur mit meiner aussprache ein problem anklingen lassen, was auchnicht an uns studenten vorbei geht! wo es auch von dieser art noch einige mehr gibt.
ich habe nun schon mehrere bewerbungsverfahren mit bekommen, war einmal als studentischer vertreter in einer auswahlskommission (mir war dabei so als wäre ich nur fürs papier dabei gewesen) und habe bestimmt an die 30 bewerbungsgespräche gesehen. (für die belege: offenbach, darmstadt, weimar, leipzig, augsburg, detmold)
ich habe wolfgang weingart und peter von kornatzki vor einem jahr gefragt was sie von der derzeitigen lehre halten. sie sagten es gibt keine richtigen lehrer mehr (ok, sind auch vom alten schlag), trotzdem war ich darüber sehr schockiert. dabei haben beide 30 jahre jeweils gesichter von hochschulen geprägt.
einwas interessantes kam von WW…warum man nicht eine schule/studiengang für die lehre von gestaltung einrichten.
einen buchtipp möchte ich gern noch geben.
„designlehren- wege deutscher gestaltungsausbildung“
von Kai Buchholz und justus theinert
(ist auch sehr schön gestaltet von bernd meissner aus basel > http://www.officefordesign.ch)
http://www.amazon.de/Designlehren-deutscher-Gestaltungsausbildung-Kai-Buchholz/dp/3897902729
rebus
was soll das heißen, es gäbe keine »richtigen lehrer« mehr? da fehlt mir der inhalt in der kritik. »richtige lehrer« klingt für mich auch nicht nach menschen, die wir uns im fb design wünschen sollten.
Indra
Florian, das ist ein tolles Plädoyer. Dürfen wir Dich zum Sprecher der deutschen Designhochschullehrer machen?
Thomas Anderson: Meine Mutter (Schneiderin i.R.) weiß weder wer Uebele, noch wer Neville Brody ist. Ob ich Arbeiten und Protagonisten aus einem benachbarten Fachgebiet kenne, ist eine Frage des persönlichen Interesses am Blick über den Tellerrand. Vielleicht fehlen uns aber auch die Orte, breitenwirksam über unsere Zunft zu schreiben. (Hatten wir ähnlich vor ein paar Tagen bei der Diskussion über Musikkritik.)
Über die Niederlegung und Wiederbesetzung der Professur von Neo Rauch oder dem Rektorwechsel an der Akademie in Düsseldorf waren die Feuilletons voll.
Verena: Nein, ich zumindest schaffe es nicht, ein Büro am Laufen zu halten, schöne Aufträge zu akquirieren oder auch nur eigene Projekte endlich mal fertig zu machen, wenn ich halbwegs engagiert einer vollen Lehrerstelle nachkommen möchte. Das denkt/wünscht man sich von außen einfacher. Vielleicht wird das auch irgendwann wieder anders, wenn ich nicht mehr Fachbereichsleiter bin und wir so ausgiebig Studienstrukturen umbauen müssen. Aber Projektstudium im Design ist eben auch was anderes, als jedes Semester die gleiche Mathevorlesung zu halten.
Alex: Deine kreative Rechtschreibung macht mir das Lesen stellenweise ziemlich schwer. Vielleicht bin ich zu pingelig was Satzfehler u.ä. betrifft. Aber ich finde, einen Text halbwegs ordentlich zu schreiben (im Sinne von tippen) gehört für Grafik-Designer auch dazu.
Thomas
@Indra: „Aber ich finde, einen Text halbwegs ordentlich zu schreiben (im Sinne von tippen) gehört für Grafik Designer auch dazu.“
Na, dann bring doch auch noch deinen fehlenden Bindestrich rein. SCNR :-)
Wilhelm Opatz
…In seinem Tatendrang kaum zu bremsen, eilte er von einer Aufgabe zur nächsten, und das oft am selben Tag: vom Studio in Gustavsberg auf einer Schäreninsel vor Stockholm zur Kunsthochschule in der Innenstadt, an der er lehrte; von dort zu seiner spät an Polio erkrankten Frau und den drei Kindern, für die er mittags kochte, und wieder zurück in die Werkstatt. Eben noch vor den Brennöfen der Keramikfabrik gesichtet, schaute er kurz darauf in der Küche des angesagten Operakällaren vorbei, um Ideen für ein neues Restaurantgeschirr zu besprechen….
Stig Lindberg (1916 – 1982)
verena
@Wilhelm
Das ist toll! :-)
Wilhelm Opatz
ja verena, das war wohl ein außergewöhnlicher Typ, denn ‚Unter Kollegen und Studenten hatte er den Ruf, immer unter Strom zu stehen.‘ (AD, MAI ’09, Seite 72–74)
bene
Ich finde den Rüdiger Goetz sehr geil, der vermittelt CD und Marken-Strategien
an der FH Wiesbaden (jetzt Hochschule RheinMain).
Daniel
Felix Scheinberger – FH Wiesbaden.