Die arabische Schrift ist eine der am weitesten verbreiteten Schriften der Welt und blickt auf eine Geschichte von rund eineinhalb Jahrtausenden zurück. Das Bilderverbot im Islam bewirkte, dass die kursive arabische Schrift in kalligrafischen Kunstwerken wie Linien verwendet wurde. Es enstanden Kalligramme, eindrucksvolle Bilder aus Buchstaben. Da in den meisten Ländern der islamischen Welt die Kalligraphie als einzig erlaubte Kunstform galt, entwickelte sie im islamischen Raum auch eine beherrschende Rolle als Schmuckelement in der Architektur.
Boutros Fonts International: Rubbelbogen mit Naskh Medium Schrift aus der achtschnittigen Naskh-Pro-Familie
Seit kurzem bietet FontShop die Schriften der renomierten Foundry Boutros International an und befragten den in London lebenden Gründer Mourad Boutros über arabische Typografie und seine Arbeiten:
FS-Aktuell: Wie unterscheiden sich arabische Zeichen von den lateinischen Zeichen, die wir kennen? Kann man das System vergleichen?
Mourad Boutros: Die arabische Schrift lässt sich am ehesten mit der verbundenen Schreibschrift vergleichen. Je nachdem mit welchen Nachbarzeichen ein Buchstabe verbunden ist und ob dieser am Anfang, in der Mitte oder am Ende eines Wortes steht, kann derselbe arabische Buchstabe bis zu vier verschiedene Formen annehmen.
FS-Aktuell: Gibt es verschiedene arabische Schriften, wie Helvetica, Garamond oder Frutiger? Gibt es einen Trend?
Mourad Boutros: Auch im Arabischen gibt Text- und Auszeichnungsschriften. Mit anderen Worten, die Schriftenvielfalt ist ganz ähnlich. Arabische Textschriften folgen allerdings einer ganz anderen Tradition als lateinische Textschriften. Für unsere Augen wirken die oben genanten »traditionellen« Textschriften, wie z.B. Hevetica, sehr modern. Gestaltet man ein an lateinische Formen angelehntes Gegenstück, so wird es sich nicht für Texte eignen. Arabische Textschriften erhalten bis heute die verbunden-kalligrafische Form der Schrift aus dem Heiligen Koran.
Für zweisprachige, arabisch-lateinische Leitsysteme überall auf der Welt, haben meine Frau Arlette und ich bereits 1977 in Zusammenarbeit mit Letraset
Boutros Advertisers Naskh entwickelt. Sie arbeitet in perfekter Harmonie mit Helvetica und ist inzwischen die am häufigsten verwendete Schrift für mehrsprachige Leitsysteme, Autobahnschilder, Flughäfen, Krankenhäuser und Büros in der ganzen arabischen Welt. Man sieht sie zum Beispiel in den internationalen Flughäfen von Dubai, den Emiraten, und von Riyadh, bei 3M, der Bechtel-Corporation und vielen bei anderen internationalen Organisationen.
Das Design
Boutros Advertisers Naskh basiert auf dem klassischen Nasch-Stil. Es respektiert die arabische Kalligraphie und die kulturellen Regeln. Die hinzugefügte Verbindungslinie, die der lateinischen Basislinie entspricht, erzeugt Harmonie mit der lateinischen Partnerschrift. Das kann neben Helvetica auch Garamond, Futura oder Frutiger sein. Die leichten und mittleren Strichstärken sind für den Fließtext, weitere Schnitte eignen sich für Überschriften und Unterüberschriften. Die Umriss-, Schatten-und Inline-Versionen können verwendet werden, um zusätzlich auszuzeichnen und können vielfältig eingesetzt werden.
Eine weitere hervorragende Schrift für den Satz von arabischen Zeitungen und Zeitschriften ist, aufgrund ihrer ausgefeilten Konstruktion,
Linotypes Yakout des verstorbenen Walter Tracey.
Boutros Fonts International: arabisch-lateinisches Flughafen-Leitsystem mit Boutros Advertisers Naskh und Helvetica
FS-Aktuell: Wer braucht arabische Schriften in Deutschland?
Mourad Boutros: Arabische Unternehmen, die aus Deutschland handeln, internationale Agenturen und multinationale Unternehmen, die in die Arabisch sprechende Welt exportieren, brauchen arabische Schriften und typografische Dienstleistungen.
FS-Aktuell: Gibt es einen Buch, das Sie zur Einführung in arabische Gestaltung empfehlen können?
Mourad Boutros: Mein eigenes,
Arabisch für Designer: Als erstes seiner Art, richtet sich dieses Buch an Einsteiger in die arabische Schriften- und Gestaltungskultur.
Ich zeige über 200 Design-Beispiele von führenden Arbeiten aus der zeitgenössisch-arabischen Typografie und dem aktuellen Grafik-Design.
Arabisch für Designer ist ein zuverlässiger Leitfaden für Designer, die sich noch nicht mit arabischer Schrift auskennen. Mit der typografischen Tour durch das Grafik-Design von Zeitungs- und TV-Nachrichten, Buchumschlägen, Corporate und Brand Identity, Logogestaltung, Anzeigen und die bildender Kunst ziehe ich einen Rahmen für Verständnis und Respekt. Die Verständigung der Kulturen ist mir ein zentrales Anliegen.
FS-Aktuell: Welche Arbeit repräsentiert am besten Ihren Stil oder Ansatz?
Mourad Boutros: Jede Arbeit baut auf ein ein Konzept, wie ein Stück Kunst, und ist dabei eine bestimmte Nachricht an eine definierte Zielgruppe, die einen kurzen Moment füllt. Grundsätzlich funktioniert, was visuell attraktiv ist. Unsere Philosophie ist: schön zu kommunizieren.
Und – zuguterletzt: Eine kurze Biographie über Boutros Fonts?
Mourad und Arlette Boutros haben mehr als 40 Jahre Erfahrung in der arabischen Typografie. Sie sind ausgebildete arabischen Kalligraphen und spezialisiert auf Projekte, die traditionelle kalligraphische Techniken mit modernen Technologien vereinen. Mourad Boutros ist der Autor der vielgelobten Bücher »Arabic for Designers« und »Talking
about Arabic«. Die Arbeiten von Boutros Fonts finden sich in großen Institutionen auf der ganzen arabischsprachigen Welt.
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Links:
Kurt
Wunderschön! Schade, dass ich weder die Sprache verstehe, noch wie man mit den Buchstaben schreibt. Und sogar, wenn ich solche Schrift rein dekorativ benutzen wollte, hätte ich immer noch den Anspruch, den ich leider nicht erfüllen kann: dass die Sätze trotzdem Sinn ergeben.
Kurt
Muss man fürs Von-rechts-nach-links-Schreiben eigentlich eine andere Tastaturbelegung benutzen, wie die für Deutsch, will man auch das große Eszett (ẞ – oops, eine Schrift, die keines hat? Oder einfach nicht eingebunden?) und/oder das lange S benutzen?
Ssẞßſ
Ich glaube mich daran zu erinnern, dass das große Eszett hier als Zeichen schon mal darstellbar gewesen ist. Irre ich oder ist das so gewesen? Weshalb jetzt nicht mehr? Schade, schade!
Manfred Lang-Kohn
Es gibt eine riesige Auswahl solcher Fonts!
Curd
Diese Daimler-Werbung zeigt mir gleich, wie schön zusammenhängende Schriften sind. Und unsere Schreibschrift will dieses Kultusministerium, das es schon lang nicht mehr geben dürfte, tilgen?
Benno F.
Es ist wohl die schönste Schrift der Welt: http://www.myfonts.com/foundry/Hiba_Studio/
Nur eines stört
mich daran, nämlich, dass man fragen kann, ob der Name eine Anspielung sein soll? – Dann hoffe ich allerdings für alle Seiten, dass es nur ein Zufall ist und nicht Kalkül. Zusammen geht es nämlich allen besser. Nur, dass wir erst lernen müssen, was uns seit Jahrtausenden offensichtlich noch immer nicht gelungen ist.