Mein Nachtrag zum Typotag München
Am Freitag, auf dem Typotag in München, hatte ich die Ehre, unsere FontBook-App einem ausgesprochen aufgeschlossenen Publikum vorzustellen. Schon vor dem Betreten der Bühne war mir klar, dass die Ouvertüre meiner Präsentation unpassend konzipiert war. Ich hatte mir eine Strategie zurechtgelegt, mit der ich bibliophile Besucher auf »The End of Print« einstimmen wollte. Das war gar nicht nötig, wie mir eine Besucherin später auch bestätigte: »Das gedruckte FontBook ist mir schon lange viel zu unhandlich … es steht nur bei mir im Regal herum«.
Vielen Dank an Michael Bundscherer, der mir die hier gezeigten Fotos zur Verfügung gestellt hat (mehr davon auf Flickr). Danke auch noch mal an die Typotag-Technik, die es mir möglich machte, meine Präsentation (mobile Keynote) und die Demonstration der FontBook-App nahtlos vom iPad aus durchzuführen. Oben stelle ich das Team hinter der App vor, darunter Indra Kupferschmid, die an der Verfeinerung der Klassifikation mitgewirkt hat.
Während der Demonstration des FontBooks spürte ich an der Reaktionen des Publikum, das es die Überlegenheit der App gegenüber einem gedruckten Enzyklopädie sofort akzeptierte. Hier blättere ich durch den Zeichenvorrat einer chinesischen Schrift, deren 16.077 Glyphen sich allesamt in der FontBook-App anzeigen lassen … wenn es die Zeit erlaubt. Bei der Auswahl dieser Schrift half mir Dan Reynolds sachkundig: Da erst eine spätere Version der App die Suche nach Fremdsprachen erlaubt, musste ich den asiatischen Font über den Herstellernamen finden, der mir partout nicht einfiel: Dynacomware.
Am Ende stellte ich neue Funktionen vor, die noch vor Jahresende in einer Version 1.1 erscheinen sollen. Hier im Bild: der Purpose-Button, über den sich bald Schriften nach Anwendungszweck finden lassen.
Weil es viel mehr zu zeigen gab, als die Zeit zuließ, vergaß ich am Ende wichtige Informationen mitzuteilen … zum Beispiel den Preis der FontBook-App. Eine Zuhörerin erinnerte mich daran: »Und was kostet das jetzt alles?« Ich freute mich innerlich über diese Formulierung, aus der ich ein »bestimmt nicht billig« herauslas. Ich ging also noch mal auf die Bühne und verkündete stolz: »5 Euro«, was mit einem fetten Schlussapplaus quittiert wurde.
Ich vergaß auch, am Ende meiner Präsentation noch etwas Farbe ins Spiel zu bringen. Beim Vergleichen von Schriften helfen verschiedenfarbige Hintergrundfolien bei der Beurteilung der Wirkung und der Stabilität einer Schrift. Die Abbildung ganz oben zeigt die Schriften Bodoni Classic (Gerd Wiescher), Monotype Bodoni und URW Bodoni im Vergleich auf verschiedenen Farben.
Abschließend noch mal mein Dank an Boris Kochan (oben links im Bild) für den angenehmen Typotag und den darauffolgenden Webfontday, dem ich ebenfalls mit großem Interesse beiwohnte.
37 Kommentare
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Mick
Herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Ereignis und den verdienten Schlussapplaus!
abc
Ich hatte mir eine Strategie zurechtgelegt, mit der ich bibliophile Besucher auf »The End of Print« einstimmen wollte.
Hahahah ein Prophet
thomas brand
„was kostet das alles?“
5 euro für die app und mindestens 479 euro für das notwendige ipad – da wir in nächster zeit die digitale version nicht als desktop-version für den wahrscheinlich eher vorhandenen mac- oder windows-rechner bereitstellen.
mit einem gesamtpreis von nur 484 euro kann man fürwahr „stolz“ sein, auch auf einen schlussapplaus, der wesentliches ausblendete … ;)
wieder einmal weiss man nicht, ob man sich über die „einäugige“ (selbst-)beweihräucherung amüsieren oder ärgern soll …
piotr mordel
Da ich mir die Schriften vorm Einschlafen angucke, würde ich mir freuen über ein „Zufall“ Button, damit ich sie unsortiert, einfach der Schönheit wegen, anschauen könnte.
anderer tom
Da müssen wir wohl warten bis das 22 Zoll Widescreen iPad mit Tastatur, Maus und Monitorhalterung rauskommt. :-)
Jürgen Siebert
@ abc: Wie sollst du auch die Pointe verstehen, wenn dir die tgm kein Begriff ist.
@ thomas brand: Du hast recht, auch das habe ich den Besuchern vorgerechnet … die App enthält den Inhalt von 20 gedruckten FontBooks, was mit 1980 € zu Buche schlagen würde … da sind 484 € ein echtes Schnäppchen. Selbstbeweihräucherung: Die einzige Droge, die ich mir ab und zu gönne, um solche Kommentare wie deine zu ertragen.
@ Piotr: Den Zufall-Button zum automatischen Abspielen von Schriftmustern gibt es, ich habe ihn auch in München vorgeführt
Echt schade, dass ihr drei nicht dabei sein konntet.
heiner
@thomas brand: (selbst-)beweihräucherung & marketing gehören einfach zusammen. da wird erst recht jürgen siebert keinen halt vor machen … denn:
; )
thomas brand
… die einzige droge, um die eigene überheblichkeit zu ertragen …
anderer tom
Das ist aber sehr geschönt dargestellt. Ein Buch für 1980 Euro macht marketingtechnisch keinen Sinn. Ebenso wenig wie eine digitale Schriften-Bibliothek, die auf den gängigen Geräten der Zielgruppe nicht läuft und damit an ihr vorbei geht. Von mir aus könnte das Font-Book auch 50 Euro kosten – jedoch zu erwarten, dass jemand 500 Euro für ein nutzloses Apple Spielzeug rauswirft, ist irgendwie daneben.
Wursti
wieso gibt’s die ganzen coolen funktionen der app nicht auch online?
hätte man da nicht die scheinbar größere zielgruppe? und zufriedenere kunden… und noch als zuckerl obendrein einere bessere website? die hinkt nämlich usability-technisch anderen anbietern (z.B. myfonts) ziemlich hinterher.
Tim
diese negativ kommentare sind wieder so typisch deutsch, furchtbar! ihr würdet wahrscheinlich auch motzen wenn man die fonts gleichzeitig umsonst Laden könnte!
ich hatte die app jetzt bei zwei projekten aktiv im einsatz und es ist so unwahrscheinlich gut, bitte einfach so weiter machen und nicht beirren lassen ! ich hätte sicher auch 489 euro gezahlt!
Jürgen Siebert
@Wursti: Genau das ist der richtige Weg … wir arbeiten schon dran.
Es ist die sinnlose Gegenrechnung zur sinnlosen Kalkulation von thomas brand:
@Tim: Die Kommentare waren zu erwarten, denn mein Beitrag handelt von einem »nutzlosen Apple Spielzeug.« Es ist das alte Hund-und-Stöckchen-Spiel, also ziemlich langweilig und kein Grund zur Aufregung.
koni
Genauso langweilig wie die hier Tradition gewordene Beschimpfung derer, die sich auf kritiklose Huldigungen der Beiträge des Blogbetreibers und seiner Protagonisten nicht beschränken wollen.
Den Kritikern sollte aber schon bewußt sein, daß dies eben eine werbliche Plattform und kein objektives Informationsmedium ist und deshalb Produkte auch mit werbender Methodik angepriesen werden. Ist doch legitim.
Genausso wie es legitim ist, die Lobpreisungenn hier zu relativieren.
Die Mängel der beworbenen Produkte (oder mehr noch der Art, wie sie hier bisweilen präsentiert werden) zeigen sich in dem Maße, in dem es den Anbietern nicht gelingen mag souverän mit Kritik umzugehen. Hab ich was vernünftiges anzubieten kann ich ebenso argumentieren und falsche oder überzogene Kritik mit der nötigen Gelassenheit begegnen.
Reinhard
Von den Unsachlichkeiten hier mal abgesehen ist es schon eine gute Frage, warum viele interessante und nützliche Softwareinnovationen nur als iPad/iPhone-App kommen und der normale PC/Mac-Nutzer in die Röhre schaut. Es ist ja auch nicht so, als würden alle Apps nur von den Touch-Fähigkeiten leben. Gerade die FontBook-App ist doch überall denkbar, oder nicht?
Klar, ein Buch-Ersatz bzw. eine Erweiterung auf einem mobilen Gerät macht schon Sinn, aber meistens sitzt man bei der Schriftwahl doch eh schon vor’m Rechner…
Jürgen Siebert
@koni: Du weißt, dass ich nichts lieber tue, als mich einer Kritik zu stellen oder eine Debatte anzustoßen.
Ich lehne es jedoch ab, den Kakao auch noch zu trinken, durch den man gezogen wird.
koni
@Jürgen:
ehrlich gesagt hab ich schon den Eindruck, daß Deine Lust zum Austeilen und deine Sensibilität beim Einstecken etwas selbstbewußter ausbalanciert gehörte.
(aber egal: ist eh wieder nur rumgenörgle ;-) )
Jürgen Siebert
Nee … ist angekommen :)
Was würdest Du einem Designer antworten, wenn er schon die Erwähnung eines iPad als Provokation empfindet und dies im selben Atemzug als Spielzeug abtut? Ich meine: Die 15.000 verkauften FontBook-Apps sind in der Rubrik »Referenz« einsortiert, nicht unter »Spiele«. Wir haben auch niemanden gezwungen, € 4,99 zu bezahlen und ✭✭✭✭½ zu vergeben. Hätte ich besser so antworten sollen:
»Rechner, Smartphones und Tablets gehören doch inzwischen zu unserem Berufsalltag. Ist es so schwer vorstellbar, dass es einen Geschäftsabschluss durchaus beschleunigen kann, wenn man dem potentiellen Kunden mal fix was auf dem iPad zeigt oder muss man unbedingt wichtig in einem dicken Wälzer blättern? Nicht jeder Auftraggeber hat Zeit für Hausbesuche. In diesem Sinne ist ein Tablet durchaus eine Investition, die sich schnell amortisieren kann.«*
* Danke an meinen (unfreiwilligen) Ghostwriter A. P., der mir diese Sätze heute in einer E-Mail zugestellt hat.
andi kissel
danke für den bericht, da ich leider nicht beim typotag nicht dabei sein konnte.
die fontbook-app ist die erste app, die für mich (beruflich) eine anschaffung eines ipad rechtfertigen würde. also: ein großes lob.
Mick
Warum eigentlich nicht die Font App auch für den Mac und Windows?
koni
Hab ich mich nicht beschäftigt damit weil mir ein solcher Designer bisher nicht begegnet ist. Nicht hier und nicht sonstwo.
Hätt ich ein gewisses Verständnis (wenn nicht gar Sympathie) dafür weil es für mich persönlich auch kein relavantes Werkzeug wär und ich mit besagtem Instrument bislang glaube mehr spielen denn arbeiten gesehen zu haben. Schließt aber selbstredend nicht aus daß es für andere duchaus ein produktives Werkzeug oder aber auch als Spielzeug nützlich sein kann.
Selber kann ich jetzt nichts abwertendes daran finden, daß ihr ein Produkt anbietet für den es sicher Abnehmer gibt und seien es auch jene (ein bischen Genörgel zwischendurch sei gestattet) die daran glauben damit bei (potentiellen) Kunden oder sonstwen Eindruck schinden zu können. Ich brauch das Teil nicht, gönn es aber jedem der es haben mag (warum auch immer). Daß ich mir ein mitleidiges Schmunzeln nicht verkneifen kann, wenn ich wieder mal eine mail bekomm mit dem Zusatz „Von meinem iPad gesendet“ wirst mir womöglich verzeihen.
Florian
morgen wird die app gekauft …
dann kriegt das ipad, das seit juli nur rumliegt weil wir es als testgerät brauchten für den bisher einzigen ipad-auftrag, endlich einen weiteren sinn neben der wertvollen funktion, die kinder des chefs ruhig zu stellen wenn sie in der agentur zu besuch sind …
(ergänzend zur verwendung auf dem arbeitsrechner selbst wäre mir trotzdem lieber … aber vielleicht bin ich da altmodisch)
R::bert
@ Florian und Mick
Was nicht ist, wird vielleicht noch …
Sebastian Nagel
@Robert (22): das ist zu hoffen – ich warte da drauf :)
Auch wenn diese App wirklich was Feines ist, versteh ich nicht ganz, warum sich alle Anbieter der Welt plötzlich (oft exklusiv!) auf eine so geschlossene und enge Plattform begeben wollen (sowohl mit Inhalten, als auch mit Anwendungen) – ausgerechnet als es so weit war, dass plattformunabhängige Anwendungen wirklich im kommen sind/waren.
Das ist, als würde man einen ganz tollen Laden eröffnen in einem Einkaufszentrum, das von allen potentiellen Käufern erst mal saftige Eintrittsgelder verlangt, damit sie überhaupt rein dürfen.
R::bert
@ Sebastian (23)
Ich glaube, bei diesem Fall war es zunächst ein »Testballon«. Die Finanzierung eines solchen Projektes ist ja auch nicht zu unterschätzen. Je mehr »Devices« man berücksichtigt, um so teurer wird es in der Regel …
Sebastian Nagel
@R::bert (24)
Eben, es wird teuer, weil man seltsamerweise plötzlich wieder für spezifische „Devices“ programmiert … natürlich ist sowas plattform-unabhängig vielleicht derzeit noch mühsamer zu implementieren, aber auf Dauer durch die Unabhängigkeit und den gewonnen Erfahrungsschatz bestimmt lohnenswerter, als alle paar Monate einem neuen, vom Hersteller gut umzäunten Device hinterherzuprogrammieren, nur um seinen Inhalt auch noch auf dieses Gerät zu bekommen.
Ich weiß, dass der Vergleich hinkt, aber es kommt mir ein wenig so vor, als müsste man derzeit für jede Druckmaschine seine Druckdaten in einem anderen Standard aufbereiten, statt für alle einheitlich Postscript verwenden zu können – und das nur, weil die Maschinenhersteller partout wollen, dass nur auf ihren Maschinen gedruckt wird (und das passende Papier gibt’s dann auch nur dort zu kaufen).
@Jürgen: das Ganze Thema losgelöst speziell von der fontshop-App – habe sie jetzt installiert, sie ist Klasse (aber nicht wegen dem iPad …)
R::bert
@Sebastian (25)
Ja, die App-Philosophie hat wirklich auch ihre Grenzen. Und doch kommt sie, wie man an dieser Stelle sehen kann, gerade den Verlagen etc. entgegen. Fontshop hätte ja auch gleich eine Fontbook-Microseite (zusätzlich optimiert für mobile Endgeräte) rausbringen können. Die könnte dann jeder nutzen, würde aber kein Geld bringen (was ich aber für dieses Angebot schon irgendwie gerechtfertigt finde).
Daher bin ich schon jetzt gespannt, wie der Spagat zwischen App und neuer Webseite? aussehen wird. Denn irgendwo muss ja der Mehrwert der App erhalten bleiben, sonst brauche ich sie mir nicht zu kaufen.
Mick
Nach Lesen der Beiträge halte ich das für eine Illusion. Jürgen Siebert hätte sich sicher sonst in die Richtung geäußert. Vielleicht war die Programmierung für den iPad schlicht einfacher als für den Mac/Windows?
Sebastian Nagel
Dann ist die App-Sache eigentlich nur eine Umgehung des Problems, dass im Netz nicht wirklich einfach für Dienste und Inhalte bezahlt werden kann, sondern man immer irgend eine gemeinsame dritte, mehr oder weniger verlässliche, praktische, vertrauenswürdige Partei für die Abwicklung braucht …
Ich weiß, das ist hypothetisch und bringt in der Praxis momentan nichts, aber eine http-Protokoll-Erweiterung für Bezahlinhalte würde das Dilemma von Verrechnungsdiensten, plattform-exklusiven Stores, etc. an der Wurzel lösen … wäre zu implementieren über den Browser, die Verrechnung läuft monatlich über die ISP-Anschluss-Rechnung (die den Service gegen eine anteilige Nutzungsgebühr ähnlich wie Kreditkartenunternehmen anbieten könnten), und es würde internetweit für jeden funktionieren …
Es gibt sogar einen http-Code dafür, der aber bisher nicht genutzt wird bzw. genauer spezifiert ist: „402 Payment Required – Reserved for future use. The original intention was that this code might be used as part of some form of digital cash or micropayment scheme, but that has not happened, and this code is not usually used.“
Oliver Adam
@ Jürgen (#15)
Erich Kästner ist aktuell (und guuut) wie nie ;-)
anderer tom
Du nimmst das zu persönlich, Jürgen. Mir geht es hier nur um die Sache. Manche Leute können ohne Facebook, Twitter, SMS, iPhone und iPad nicht mehr leben. Da bin ich altmodisch und brauche nichts davon. Nicht mal für schnelle Geschäftsabschlüsse. All diese Dinge sind für mein Berufsleben als Designer irrelevant. Ich brauche noch nicht mal ein Handy für meinen Job. Was in dieser schnellen Zeit alles vorausgesetzt wird, was man haben, tun und mögen muss, ist für mich reine Zeitverschwendung weil es mich von wichtigeren Dingen abhält. Daher verstehe ich Eure Firmenphilosophie mit dem Font-Book nicht. Das ist alles. Ich werde nicht jedem Trend der vom Markt diktiert wird hinterherlaufen. Als Designer sollte man ein eigenes Profil entwickeln und selber entscheiden was sinnvoll ist und was nicht. :-)
koni
Was gibt es da nicht zu verstehen? Wir leben in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft. Primäres Firmenziel ist eben Geld verdienen. Da versucht eben auch FS einen Brösel zu ergattern von der App-Mania.
anderer tom
Klar Koni. Dann darf man sich aber auch nicht darüber wundern, dass sich diejenigen aufregen, die wirklich mit Schriften arbeiten und vor allem auch bereit sind, diese zu kaufen.
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