Handball … eine durch Werbung entstellte Sportart
Bei aller Freude über die Weltmeisterschaft … ein Handball-Fan werde ich erst mal nicht. Dieser Sport ist derart entstellt von Werbung, dass ich mich gar nicht auf das Spielgeschehen konzentrieren kann. Sogar die Schiedsrichter werden – nicht gekauft – aber »verkauft«.
Seit dieser Handball-WM weiß ich: Das sind ja noch traumhafte Zustände beim Fußball. Sicher fließt in den Lieblingssport der Deutschen mehr Geld, aber Handball steht immerhin an zweiter Position der Beliebtheit und sollte sich nicht wie eine Randsportart gebärden. Zum Vergleich mit dem Fußballgeschäft meint der Handball-Manager Frank Bohmann: »Bei uns hat jede Zahl eine Null weniger.« Aha, darum bietet das 40 x 20 Meter große Spielfeld 10 Werbeflächen mehr als der Fußball, direkt in die Spielfläche integriert: 8 Banner im Mittelfeld und 3 identisch belegte im 6-Meter-Kreis. Hier wird eine Sportart bis zur Unkenntlichkeit verkauft. Das nervt … sicher nicht die echten Fans, aber die potentiellen.
21 Kommentare
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Florian
Die viele Werbung? Ja, aber ehrlich gesagt ist mir das erst auf Deinem Bild aufgefallen! Wirklich, eben am Fernseher hab ich diese bunten Flächen anscheinend über eine Stunde lang völlig ignorieren können.
Soviel zur Wirksamkeit … dumdidum.
Vielleicht ist es bei mir auch Gewöhnung; als ich selbst noch Handball gespielt habe, musste in der Mehrzweckhalle die Wahrnehmung auch sehr selektiv funktionieren – und alle artfremden Markierungen ausblenden: Volleyball, Basketball etc. pp.
Das einzige, was mir aktiv aufgefallen ist, war ›aljazeera‹ – wegen der – im deutschen Sportfernsehen – doch recht seltenen arabischen Schrift.
»Bei uns hat jede Zahl eine Null weniger.« Was ich am Handball besonders schätze: Die Tore betreffend verhält es sich umgekehrt.
Nico
Beim Fußball ist das aber wohl nur deshalb besser, weil man Rasenflächen so schlecht bedrucken kann, meinst du nicht?
Jens
@Nico – doch das gibt es in Australien – habe mal etwas gegoogelt: GrassAds
Aber die Hallenwerbung ist wirklich etwas heftig, da braucht man ja ’ne Sonnenbrille :)
tamimat
Schließe mich Florian an. Habe die Werbung auch nicht bemerkt. Eigentlich nur die Aljazeera Werbung. Weil die jetzt hier beim Handball werben. Aber das hat mehr mit meinem kulturellen Hintergrund zu tun.
Etienne
ja – schade, wenn alles überall zugedröhnt wird mit werbebotschaften – gilt aber übrigens nicht nur im handball – ich finde auch unser städtisches lebensumfeld oft unerträglich zugepflastert mit kapitalgenerierenden belanglosigkeiten. gehört schon einiges dazu, dass allzeit auszublenden (ist bestimmt ermüdend und macht kopfweh).
ich hab auch die aljazeera-werbung mit erstaunen zur kenntnis genommen. was ist dann wohl die erhoffte zielgruppe?
vielleicht paßt das ja auch ganz gut zusammen: handball, der ellbogen-sport ;-) und ein paar heftig aufmerksamkeits-heischende werbebotschaften…
Jürgen
Der Präsident des Handball-Weltverbandes IHF ist Ägypter und konnte den arabischen Nachrichtensender als Sponsor gewinnen.
le.x
Schließe mich meinen Vorgänger an, mir ist zwar aufgefallen daß es viel Werbung auf dem Spielfeld gibt, mußte mich aber wirklich konzentrieren um Firmen zuordnen zu können. Ansonsten war das Spiel zu spannend, als daß man sich um die Werbung kümmern konnte. Durch die schnellen Seitenwechsel flog die eh nur in den Augenwinkeln umher.
Immer noch besser Werbung auf dem Spielfeld als bei jeder Slowmotion zusatzliche Ads im Bildschirm, oder als durchlaufende Bauchbinde.
simon
Fußball ist nicht wirklich besser. Nur in Deutschland ist es ein wenig stiller. Wer von Euch kennt die animierten Bandenwerbungen aus Portugal, Spanien etc.? Ich saß letztens beim Portugiesen und da lief spannende, animierte Bandenwerbung im Fernsehen. Blöd war nur, dass da immer so 22 komische Typen vor rumgelaufen sind, die sich um nen Ball geprügelt haben. Das hat mächtig von der Bandenwerbung abgelenkt. Ich als Sponsor würde die alle vom Platz stellen lassen!
… oder habe ich jetzt was durcheinander gebracht???
Axel
Die Aljazeera-Bandenwerbung hatte mich in den ersten Tagen auch verwundert – aber 1. wurde die WM auch im arabischen Raum übertragen und 2. handelt es sich bei der Aljazeera-Bandenwerbung wohl eher um einen Barter Deal.
Die deutsche Handballbundesliga wird nämlich künftig einen Sendeplatz im Aljazeera Sport bekommten.
PS die Reinickendorfer Füchse sollten sich vielleicht mal um einen arabischen Sponsor bemühen (wir helfen gern dabei…)
Jürgen
Angesichts der drohenden Umbenennung von Bundesliga in T-Com-Liga habe ich hier im Fontblog schon mal postuliert: »Viele Sportsfreunde sind genervt vom Großkotz-Sponsoring. Wäre ich ein großer Unternehmensberater mit großen Kunden, würde ich diesen das Rückkehr-Sponsoring empfehlen. Das funktioniert wie die werbefreie Sat.1-Filmnacht, sponsert by Kulmbacher. Ein langfristiger Werbevertrag macht dann aus der AOL-Arena wieder das »Volksparkstadion«, wofür das dahinter stehende Unternehmen die geballte Liebe von Millionen potentieller Kunden gewinnt.« Ich glaube mehr als damals an diese Vision.
robertmichael
hat es die t-com nun eigentlich geschafft? der stichtag war doch ende dezember oder?
übrigens ist die übertriebene werbung in allen sportarten so. vorallem bei standbildern kommt das zur wirkung, teilweise muss man die spieler auf dem feld richtig suchen. schaut euch mal skispringen, eishockey oder radfahren an. formel 1 ebenso. wieviel werbung verkraftet der zuschauer oder kann man damit leben? im endeffekt sind wir ja irgendwo mitverantwortlich.
Jürgen
Die Werbeindustrie (bzw. deren Vermarkter) befinden sich in einem Teufelskreis, der sie viel Geld kostet. Die Verbraucher entwickeln ungeahnte Filtermechanismen (siehe die Kommentare oben), um Werbebotschaften auszublenden. Das können sich die Auftraggeber der Werbung allerdings nicht vorstellen, weil sie eitel sind und ihre Banner mit den Augen eines »Verliebten« wahrnehmen: Sie geilen sich an jedem Quadratzentimeter TV-Präsenz auf.
Die beratenden Unternehmen quatschen den Werbetreibenden nach dem Mund, weil es (1) einfacher ist, als die Wahrheit zu sagen und (2) ihnen den Job sichert. Ich kenne jede Menge Menschen, die Null Interesse an Sportsendungen haben, weil sie das Spannende am Sportgeschehen gar nicht erreicht: der Wettkampf. Sie blicken auf eine gigantische Kommerzfläche, und wenn arrogante Sportreporter kariert dazu quatschen, hat der Sport verloren.
Das wahre Potential der Disziplinen blitzt immer wieder mal bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen auf. Denkt doch mal an die Bilder des letzten Sommers zurück: Schwarz-rot-gold, Begeisterung, toller Fußball … von Werbung wurden diese Erinnerungen nicht getrübt (an dieser Stelle auch mal ein Lob an die Fifa … mit wenigen Großsponsoren zu arbeiten und diese eng zu führen hat auch Vorteile).
Axel
…à propos, könnten die hier versammelten Typografie-Spezialisten mir etwas zu dem Logo des Hauptsponsors des DHB sagen (CMA, QS – Ihr Prüfsystem für Lebensmittel)?
http://www.deutscherhandballbund.de/frame.php?c=sponsoren&u1=sponsoren
Ich finde das Teil vollkommen daneben (fast unappetitlich), aber ich bin ja nur ein Mediafachmann und kein Grafikdesigner.
robertmichael
Verloren im T-Dschungel
Mit einer unstimmigen Kommunikationsstrategie hat die Deutsche Telekom ihre Marke beschädigt. Der neue Konzernchef René Obermann will nun Ordnung in das Werbechaos bringen …
http://www.boerse-online.de/tools/ftd/1783922.html
robertmichael
deutscher handballbund hat auch ein interessantes logo – DH3
eine ›dynamische‹ fingersans, ähnlich wie bei der fussball-wm 2006. :-/
Christian Büning
@ Axel:
Ein Signet mit Pfeil ist wohl nur bei Umzugsunternehmen sinnvoll. Alle abstrakteren Inhalte werden schnell unfreiwillig komisch, wenn man diese mit Pfeilen darstellt. Das arme Logo soll wohl den Prüfkreislauf darstellen oder sowas. Ein etwas hilfloser Einfall.
Mit nur etwas mehr Mut hätte man dort ein wirkliches Prüfsiegel enstehen lassen können, das – ähnlich wie ein Vertragspartner bei BMW – ein gewisses Niveau in der Qualität garantiert. Dabei will der Endverbraucher gar nicht wissen, was die CMA da alles kontrolliert, sondern sich einfach sicher fühlen. Die ganzen Details, wer da wann kontrolliert und geprüft wurde, müssen dann über eine gute PR laufen, für die kritischen Multiplikatoren.
Das Logo zeigt ganz gut die Handfertigkeiten der CMA im Marketing. (»Sprechen Sie blumisch!«) Zumindest in der Hinsicht ist es dann stimmig. :-)
David
Ja, wirklich anwidernd, diese viele Werbung bei der WM. Aber auch im Fußball geht mir das Branding auf den Wecker, insbesondere das von dir angesprochene T-Xylophongeklimper alle paar Minuten oder die T-Com-Abzeichen auf sämtlichen Bundesligatrikots.
Übrigens kündige auch ich momentan den einen T-Dienst nach dem anderen, und obwohl Berichte über Leistung und Servicequalität bei der Anbieterwahl für mich natürlich im Vordergrund stehen, habe ich doch schwer den Eindruck, dass der nervende T-Medienradau ein nicht unwesentlicher Punkt war, der mich überhaupt dazu veranlasste, über die Anbieterwechsel nachzudenken.
Mal ganz nebenbei: Findet ihr das Handball-WM-Logo auch so scheußlich? Insbesondere diese komischen gesperrten Schriftzüge? Oder diesen perfiden Feuerball, der einem bei Wiederholungen die ganze Zeit ins Gesicht zu fliegen scheint? Ich überlege gerade, ob mir hier nicht doch sogar das Deutschland2006-Logo noch besser gefallen hat…
Martin
Ich kann da Jürgen nur zustimmen, eine Spirale aus Fan, Fußball und Vermarktung die sich nahezu ungehemmt immer weiterschraubt; und dabei immer mehr Gefahr läuft, aus dem Gleichgewicht zu geraten.
Aber es scheint auch anders zu gehen, wie es der FC United of Manchester vormacht, mehr hier:
http://punkfootball.wordpress.com/2006/05/27/jungewelt-revolution-im-mutterland-des-fusballs/#more-329
Magnus
Richtig daneben war ja wohl außerdem das Maskottchen. Fast so schnlimm wie Goleo. Mehr auf: http://www.berlin-ist.de/index.php?node_id=182&lang_id=1
Lisa
ist mir aber im TV auch nicht so extrem aufgefallen, wie auf deinem Foto… das ist schon krass :)