Die Vorratsdaten von Malte Spitz, sichtbar gemacht
Wir wissen es alle, und doch erschreckt uns diese interaktive Grafik: Das Bewegungsprofil des Grünenpolitikers Malte Spitz, ermittelt aus den Vorratsdaten seines Handys und über einen Zeitraum 6 Monaten grafisch dargestellt. Bereits Ende Februar veröffentlichte ZEIT Online diese Grafik, die inzwischen auch international für aufsehen sorgt.
Was sich genau aus den gespeicherten Handy-Daten ermitteln lässt, konnten sich die meisten Menschen bis dato nur in ihrer Phantasie ausmalen, praktische Beispiele gab es keine. Malte Spitz hat sich deshalb entschlossen, seine Vorratsdaten aus dem Zeitraum August 2009 bis Februar 2010 offen zu legen. Zuvor musste er sie erst mal bekommen, was nur über eine Klage gegen die Telekom gelang. Die ZEIT bietet diese Daten über Google.docs sogar als Spreadsheet zum Download an.
Aus den 35.831 Zeilen (= Meldungen des Handys an die Telekom) haben ZEIT Online und OpenDataCity ein halbes Jahr aus dem Leben des Politikers nachgezeichnet. Hierzu reicherten die Infografiker die Geodaten mit frei im Netz verfügbaren Informationen aus dem Leben des Abgeordneten an, ermittelt aus Twitter, Blogeinträge und Webseiten. In der Summe ergeben diese Daten ein Bild, das Ermittler »Profil« nennen: Ein glasklares Protokoll über den Tagesablauf inklusive der Gewohnheiten und Vorlieben des Malte Spitz.
8 Kommentare
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Marc Marius Müller
Ich bin sehr beeindruckt von der Courage des Malte Spitz ein derartiges Beispiel mit den eigenen Daten zu ermöglichen. Es ist in der Tat so, dass sich die wenigsten über die ganzen Informationen im Klaren sind, die sie veröffentlichen. Wir hatten diese Diskussion gerade gestern im Kurs „Digital Studio“ als wir den Bogen von den Amish zu unserer digital-hörigen Kultur schlagen wollten. Ein tolles Exempel.
Andre Thum
Ich wollte eben fragen, was die zwei „Halbkreise“ bedeuten… Nach einem Blick auf den ZEIT-Bericht ist es mir klar! Das ist wirklich ekelhaft.
Wir wissen es alle, aber niemand reagiert! Das sollte öffentlicher werden. Jeder kennt den Begriff „Vorratsdatenspeicherung“, aber niemand weiß was eigentlich wirklich dahinter steckt. Es ist wirklich erschreckend, wie du sagtest, was die großen Konzerne von uns sammeln und wir diesem Geschehen machtlos ausgesetzt sind.
rufus
okay. nun sind wir alle im bilde über herrn spitz’s täglichen umgang mit seinen mobiltelefon. oh ist das furchtbar! leider wissen wir NICHT mit wem er telefonierte, was er besprochen hat, welches seine lieblingseissorte ist und wie oft er täglich auf toilette geht. von einem »glasklares Protokoll über den Tagesablauf inklusive der Gewohnheiten und Vorlieben des Malte Spitz« sind wir also noch weit entfernt.
nicht die vorratsdatenspeicherung ist das problem, nein, vielmehr wie jeder von uns mit diesem hyper-coolem web 2.0 umgeht. beispiel twitter: der informationsgehalt einer aussage über dem genuss eines heißen kaffee’s im ICE steht nicht einmal annähernd dem gegenüber wie eine kernaussage über einen aktuelle beschluss im bundestag.
robertmichael
ich seh das alles nicht so eng.
es kommt ja nicht jeder an die daten heran und selbst wenn – warum sollte das jemand interessieren, solange ich nichts zu verbergen habe. demzufolge dürfte keiner mehr durch london spazieren gehen. für privatpersonen völlig unbrauchbar, da wissen meine nachbarn generell mehr über mich bzw. kann ich den leuten ja auch so folgen von mir aus im trenchcoat mit hut, FAZ und ausgeschnittenen augenschlitzen.
für firmen ggf. noch nutzvoll wenn sie rausbekommen wohin ich mich bewege und dann gezielt werbung damit machen. „hallo robertmichael, besuchen sie uns doch mal wieder – ihre O² world“werbung die zu meiner person passt, ist mir aber eigentlich noch lieber, als werbung die mich absolut nicht interessiert (postwurfsendungen) aber wie gesagt, an die daten kommt man selbst als firma nicht ohne weiteres heran.
da find ich twitter und facebook allein teilweise schlimmer. allerdings glaube ich, das auch die offenheit gegenüber facebook und co. die nächsten jahre wieder zurückgehen wird.
Johannes
Nee nee, robertmichael, das ist grad andersrum: In einem Rechtsstaat wie unsrem gilt die Unschuldsvermutung, sprich, es geht niemanden etwas an, wo Du bist, wen Du anrufst, mit wem Du Kontakt hast, was Du tust, solange Du nichts zu verbergen hast. Erst wenn es einen Verdacht gibt, darf der geprüft werden.
Deine Auffassung ist die totalitärer Staaten, wo Alles und Jeder verdächtig ist und auf Unbedenklichkeit geprüft werden muss.
Deswegen: Wieder ein Dankeschön an Jürgen für eine Veröffentlichung bzw. einen Hinweis auf eine solche!
tim
erschreckend anschaulich und bemerkenswert, dass man seine eigenen Daten erst einklagen muss.
@rufus: naja, WIR wissen nur nicht mit wem er telefoniert hat, weil diese Informationen (aus Gründen des Datenschutzes) von Malte Spitz herausgenommen wurden. Grundsätzlich wären die Nummern der angerufenen bzw anrufenden Person einzusehen. Und das in Verbindung mit den unterschiedlichen Gesprächszeiten lässt wahrscheinlich schon ein besseres Bild über aktuelle zwischenmenschliche Beziehungen zu, als es evtl facebook & co liefert – facebook-freunde sind ja nicht gleich enge Freunde etc pp.
wobei es natürlich auch richtig ist, dass im web 2.0 insgesamt eher lachs mit den eigenen Daten umgegangen wird, allerdings hat man es da oft in der eigenen Hand, was man nun preisgeben möchte und was nicht.
@robertmichael: das sehe ich wie johannes und selbst finde ich Aussagen à la „solange ich nichts zu verbergen habe“ für sehr bedenklich. Ich lasse ja auch nicht zu, dass jederzeit und unangekündigt sich jemand in meiner Wohnung umschauen darf, nur weil ich ja nichts zu verbergen habe. Natürlich ist das überspitzt formuliert, aber es geht ja um die grundsätzliche Frage wo die eigene Privatsphäre anfängt. Und ich denke wie bzw. wo ich mich bewege und mit wem ich Umgang pflege gehört dazu. Wer dann darüber explizit bescheid wissen darf, darüber möchte ich – als unbescholtener Mensch – gerne selbst bestimmen.
und das Beispiel London verstehe ich so nicht. nur weil da ein massiges CCTV installiert wurde, muss man es gleich tolerieren, weil es mir ja gerade nichts tut/weil ich ja eh nicht verdächtig bin?! Zum einen erinnert es mich eher an das Video mit dem Frosch und dem heißen Wasser. Zum anderen geht es dabei – wie bei der Datenspeicherung – doch auch darum, was für Instrumente installiert werden. Klar, jetzt gerade hab ich vielleicht nichts zu verbergen, aber wer weiß was vielleicht morgen schon als verdächtig eingestuft wird.
fritz
»solange ich nichts zu verbergen habe«
schließe mich tim und johannes voll an, das ist das allgemein verbreitete wahrnehmungsproblem. ich möchte gerne ergänzen, dass da in meinen augen auch die frage ist, was konkret man nicht zu verbergen hat. heute geht es um pädophilie (teil der kultur im antiken griechenland), den terrorismus, organisierte kriminalität. was, wenn es morgen um homosexualität, religionszugehörigkeit oder teinahme an demonstrationen geht? wonach die daten gescannt werden unterliegt dem zeitgeist. je weniger daten gspeichert werden, desto besser.
Adi
@rufus „nicht die vorratsdatenspeicherung ist das problem“
Nun, was Leute in Twitter, Facebook oder wo auch immer veröffentlichen ist ihre eigene Entscheidung. Wenn sie damit anderen ermöglichen ein lückenloses Profil ihrerselbst zu erstellen, je nun, dass ist dann ihr Problem. Denn sie haben es in der Hand.
Anders bei der Vorratsdatenspeicherung. Da kann ich nicht entscheiden, was bekannt ist, was gespeichert wird und welches Bild sich andere von mir ohne mein Wissen machen können.
Das ist ein qualitativer Unterschied. Und ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht.
Bezüglich der restlichen Punkte schliesse ich mich tim und johannes an.