Fontblog Persönliches

Die Geburtsstunde des Desktop Publishing

Wir schreiben das Jahr 1986. In einer Hamburger Erdgeschosswohnung in der Papenhuder Straße 13 sitzt eine drei­köp­fige Zeitschriftenredaktion und bastelt an der ersten Ausgabe eines Computermagazins. Sie feiert den Abschied von Cutter, Kleber und Reißschiene … denn es zeichnet sich eine Revolution ab für Zeitschriftenmacher, genannt Desktop Publishing, abge­kürzt DTP. Der Name des Magazins: PAGE.

Der Entwickler des Seitengestaltungsprogramms PageMaker, Aldus-Gründer Paul Brainerd, hatte ein Jahr zuvor den Terminus Desktop Publishing auf einer Konferenz in San Francisco geprägt. Seine Software, die im Juli 1985 für den Apple Macintosh auf den Markt kam, war der entschei­dende Baustein für die Umwälzung des Pre-Press-Marktes, nachdem Apple, Adobe und Linotype bereits im Frühjahr das Zusammenspiel des Hardware-Trios Macintosh ➔ LaserWriter ➔ Linotronic einge­fä­delt hatten, mit der Seitenbeschreibungssprache PostScript. PAGE holte Paul Brainerd andert­halb Jahre später zum 1. DTP-Kongress nach Frankfurt.

Warum schreibe ich das? Weil ich gestern in alten Fotos gekramt habe, für die Bebilderung eines Interviews anläss­lich des 20 Geburtstages des FontShop-Netzwerks, das Yves Peters Anfang dieser Woche mit mir führte (zu lesen im Fontfeed, englisch.) Er kramte ganz tief in meinem Gehirn, entlockte mir Berufsstationen, mit denen ich mich schon lange nicht mehr beschäf­tigt hatte.

Das oben abge­bil­dete Foto doku­men­tiert die Entstehung einer frühen PAGE-Ausgabe mit 3 Apple Macintosh Plus, Laserwriter, dem ersten Großbildschirm und Wechselplatten-Laufwerk. Wenn ich von »Entstehung« spreche, so meine ich das Ganzseiten-Layout mit Aldus PageMaker (nur Text, keine Fotos, keine Farbe), was trotz Kinderkrankheiten mehr Freude machte und schneller ging als mit den alten Werkzeugen. Auf dem Foto werkeln von rechts nach links der dama­lige Verlagsleiter Peter Drawert (heute Geschäftsführer von Interabo), der Textchef und Schlussredakteur Martin Peinemann (heute freier Texter) und links der (»junge« – danke, Nadine) PAGE-Chefredakteur Jürgen Siebert. Oberlippenbärte waren damals in.

Foto: Thomas Henning für PAGE, 1987


App-Entwickler für ein Schriftspiel gesucht

Thorsten aus Berlin hat sich an Fontblog gewendet, weil er einen App-Entwickler sucht, mit dem er ein Spiel zum Schreibschrift-Üben reali­sieren möchte: »Ich würde mich freuen, wenn mein Sohn und ich neben Doodle Jumps ein neues Game spielen können und dabei unsere Handschrift trainieren.«

Hier seine Beschreibung der Spielidee: »Auf dem Monitor eines iPhones soll mit dem Finger ein Objekt (z. B. ein Fahrzeug) auf einer (Renn-)Strecke aus Schreibschriftbuchstaben gehalten werden, die sich von rechts nach links über den Querformat-Screen bewegt. Der Schwierigkeitsgrad steigt mit der Komplexität der Schriftbahn, ihrer Verkleinerung und der Geschwindigkeit. Beim Anstoßen an den Rand der Bahn, bzw. beim Verlassen/entfernen von der vorge­ge­benen Linie sinkt je nach Grad der Abweichung die Geschwindigkeit.

Diese Schwierigkeitsgrade können am Anfang gewählt werden: Option 1 sind grapho­mo­to­ri­sche Übungen (Zickzack- und Wellen-Linien, Reihen einfa­cher Buchstaben), Option 2 sind vorge­ge­bene Texte stei­gender Schwierigkeit (›The quick brown fox jumps over a lazy dog‹ o. ä.), bei Option 3 kann der Text einge­geben werden und Option 4 sind kalli­gra­fi­sche Zeichen.

Spaßfaktoren: Geschwindigkeit als Herausforderung, Sound, parallel flie­gende Objekte durch berühren, durch­strei­chen, ankreuzen oder umkreisen einfangen (z. B. Tintenkleckse löschen, Kritzel wegra­dieren, ablen­kende Gedanken/böse Blicke abwehren)? Alle X Buchstaben, Worte, Sätze eine Belohnung?

Ziele: Innerhalb des Spiels = Punktzahl. Über das Spiel hinaus = Spaß an den Hand- und Fingerbewegungen/-Schwüngen und ihren Spuren.«

Sendet mir bei Interesse bitte eine Mail (jsiebert-ät-fontshop.de), die ich an Thorsten weiterleite.


Heute Abend: Weltformel des Markenzeichens

Nach 6 Wochen inten­siver Forschungsarbeit glaube ich, am Wochenende die Branding-Weltformel gefunden zu haben. Heute Abend stelle ich sie erst­mals der Öffentlichkeit vor, auf der Pecha Kucha Night in Berlin (20:20 Uhr, Ballsaal Kreuzberg, Skalitzer Straße 130). Der Eintritt beträgt 6 € … ich verspreche allen Corporate Designern und Marketing-Leuten: Allein die »Quantentheorie des Markenzeichens« ist für Sie pures Gold wert.

Als ich Anfang März hier im Fontblog über die kleinste Werbefläche der Welt schrieb, hatte ich eine erste Vorahnung, dass es eine Quantentheorie der Markenkommunikation geben könnte. Heute weiß ich es genauer: diese Ebene des Brandings muss mit Mikromarketing bezeichnet werden. Kurz darauf entdeckte ich das letzte noch unbe­kannte Elementarteilchen des Marketings – es basiert auf Unicode-Glyphen, darunter kommt nichts mehr. Corporate Design auf diesem Niveau bezeichne ich als Nanomarketing. Und das ist die Zukunft, weil Nanomarketing 100 % Social-Media-kompa­tibel ist.

Die obige Abbildung aus meinem Vortrag stellt einen ersten Entwurf der Branding-Quantentheorie dar, in sich bereits geschlossen und weit­ge­hend wider­spruchslos, aber noch nicht verdichtet. Auch wenn es kompli­ziert aussieht: Es ist das letzte Dia meines Vortrags, die 19 Folien davor sind allge­mein verständ­lich, garan­tiert frei von physi­ka­li­schen Fachbegriffen, Tabellen, Torten, Formeln und PowerPoint.

Wir sehen uns, oder?!


Taub oder blind? [Update]

Die Frage ist anstößig und sprengt sowieso unseren Horizont – trotzdem stellen wir sie uns bisweilen, ausge­löst durch eine Begegnung oder ein Ereignis: Was ist schlimmer, blind oder taub sein? Ich war jetzt 4 Tage fast taub und habe meine Auffassung geändert.

Dabei bekam ich während meines Studiums (Biophysik) in der Physiologie-Vorlesung an der Uni-Klinik Frankfurt bereits eine klare Antwort: Das Ohr sei das wich­tigste Sinnesorgan, betonte unser Professor gleich zu Beginn seiner Vorlesung. Seine Begründung klang einleuch­tend, weil aus Erfahrungen belegbar. Blinde Menschen hätten, außer der Abwesenheit ihrer Sehkraft, mit keinen weiteren körper­li­chen oder geis­tigen Einschränkungen zu kämpfen, viele könnten ganz normale Berufe ohne Vorbehalte ergreifen. Taube Menschen dagegen müssten das Sprechen und Denken, was ihnen ohne Gehör nicht »zufällt«, mit spezi­ellen Methoden erlernen und stets trainieren.

Weil ich sowohl den Tatort am Ostersonntag, als auch den Polizeiruf am Ostermontag mit Hilfe der Video-Texttafel 150 gesehen habe (Untertitel für Hörgeschädigte), fiel mir das folgende Experiment ein. Setzt Euch mal 5 Minuten vor den Fernseher, schließt die Augen und konzen­triert euch nur auf das Hin- und Zuhören. Öffnet nun die Augen, stellt den Ton ab und verfolgt eben­falls 5 Minuten die Handlung. Was bekommen wir ohne Ton mit? Nicht viel. Empfangen wir jedoch die Worte, Klänge, Geräusche und Signale ohne Bild, können wir deren Bedeutung und Zusammenhang inter­pre­tieren. Wir können sogar aus der Stimme eines Menschen dessen Gemütslage heraushören.

Weil ich mich aufgrund meiner beruf­li­chen Orientierung, wie viele Fontblog-Leser sicher­lich auch, über­wie­gend mit visu­ellen Fragen und Inhalten beschäf­tige, habe ich den Gehörsinn in den letzten Jahren unter­schätzt. Erst meine Krankheit machte mir klar, was es bedeutet, keine Geräusche von draußen wahr­zu­nehmen, die Stimme aus dem Nebenzimmer nicht mehr zu hören oder über­haupt keine Zwischentöne mehr zu empfangen – von der fehlenden Musik mal ganz zu schweigen.

Der Vollständigkeit halber sei erklärt, dass ich an einer (harm­losen) Gehörgangentzündung meines »Schokoladenohrs« litt (das andere leistet seit der Kindheit infolge einer zu spät diagnos­ti­zierten Mittelohrentzündung sowieso nur noch 50 %). Die Taubheit entsteht durch das Anschwellen des Gewebes um den äußeren Gehörgang, der sich verschließt. Die Ursache für das »Schwimmerohr« ist meist über­trie­bene Hygiene. Die Apotheken-Rundschau erklärt es am verständlichsten.

Diesen Beitrag schreibe ich frohen Mutes, weil sich mein rechtes Ohr langsam wieder öffnet. (Abbildung: Wikipedia)

[Update: Ich kann wieder hören. Nachdem über Nacht auch das zweite Ohr taub wurde, war der Zustand so uner­träg­lich, dass ich gleich in der Früh den HNO-Arzt meines Vertrauens aufsuchte. Sein Eingriff dauerte nur 10 Minuten, und die beiden Gehörgänge waren wieder befreit.]


B & B haben ein neues Buch gestaltet

Eben erreicht mich eine Mail aus Schwäbisch-Gmünd:

Lieber Jürgen,

12 Stunden zeigt ein Ziffernblatt …
12 Stunden sind das Maß unseres analogen Zeitbegriffs …
12 Stunden x 2 sind ein Tag …
12 Monate hat das Jahr …

12 Monate beglei­tete das Thema unsere Entwurfsarbeit,
um Momentaufnahmen auf 208 Seiten in Szene und Licht
zu setzen.

›Twelve Faces of Time‹ portrai­tiert in 12 indi­vi­du­ellen Kurzgeschichten 12 Welt-Meister der Uhrmacherkunst und ihre Leidenschaft, Technik und Kunst aus bis zu 300 hand­ge­fer­tigten Einzelteilen in einem Unikat zusam­men­zu­führen. B & B gibt Einblicke in Zeitzeichen einer nur scheinbar vergan­genen Zunft. Viel Vergnügen …«

Wenn Baumann & Baumann ein Buch gestaltet haben, dann ist das eine Meldung im Fontblog wert. Zumal wir alle wissen, dass viele Designer regel­rechte Uhrnarren sind. Mehr über das 200-seitige Meisterwark auf der Verlagsseite …


Die schönste Schreibschrift …

… ist immer noch die hand­ge­schrie­bene. Meine jüngere Tochter (7) hat zur Zeit die Windpocken. Der Krankheitsverlauf ist gutartig und dauert in der Regel drei bis fünf Tage an. Sie sind hoch anste­ckend, die Inkubationszeit beträgt zwischen 10 bis 21 Tage. Daher baten wir die frühere Kinderärztin unserer älteren Tochter (14) in den Akten nach­zu­sehen, ob sie diese Krankheit vermerkt habe, so dass Marie mögli­cher­weise immun dagegen sein könnte. Die Antwort kam tele­fo­nisch eine Stunde später: Keine Windpocken einge­tragen. Darauf schrieb Greta diese Mitteilung für Marie, die noch in der Schule weilte. Abends kommen­tiert sie den Zettel in ihrem Blog mit den Worten: »Na toll!«


Privatanfrage: Zimmer in Hamburg

Eine befreun­dete Designerin aus Berlin sucht für die Werktage ein Zimmer in Hamburg, bevor­zugt Eimsbüttel/Hoheluft West. Mail bitte an jsiebert(ät)fontshop.de.


Mein Wort des Jahres

klimapakastrophe

Es hängt seit Weihnachten bei uns zu Hause in der Küche. Ein Werk des Berliner Designers Oliver Fabel. Titel: »Krisenstickerei #1«. Pseudoidyllische Kreuzstickerei im Echtholzrahmen, dunkel lackiert mit Glas, 20 x 25 cm, 78,– € (direkt beim Entwerfer zu beziehen). Die Schmetterlinge stellen CO₂-Moleküle dar. #Klimakatastrophe