Fontblog Designdiskurs

Werbung und Moral, oder …

… Ewig lockt der Tabubruch.

von Thomas Junold, Büro für Aufmerksamkeit

»Bist du verwandt mit Adolf Hitler?« fragte mich jüngst das Werbebanner einer Firma, die auf Ahnenforschung spezia­li­siert ist. Gegenfrage: Wie verant­wor­tungs­voll müssen Werber und Designer mit dem Thema Moral umgehen?

Moral bezeichnet das, was im allge­mein gültigen Konsens der Gesellschaft und jedes einzelnen als rich­tiges Handeln ange­sehen wird. Werbung ist immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. Wir erfahren unter anderem, wo unsere Tabugrenze liegt.

Werbebanner eines Verwandtschaftsportals, das mit zwei­fel­haften »Familienmitgliedern« lockt 

Werbung findet nicht im luft­leeren Raum statt. Es gibt zwar kein konkret anwend­bares Gesetz gegen Moral- oder Geschmacksverstöße, aber immerhin so etwas wie Rahmenrichtlinien: »Wer im geschäft­li­chen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.« (§1 UWG) Doch was sind die guten Sitten, wie defi­nieren sie sich?

Im vorlie­genden Fall ist klar, dass kein »normaler Mensch« in Deutschland mit der genannten Person verwandt sein möchte. Wir lernten bereits im Kindesalter, dass die im »3. Reich« getrof­fenen Entscheidungen und Handlungen mora­lisch zu miss­achten sind. Das Gelernte zu brechen und uns mit der Frage nach einer mögli­chen Verwandtschaft zu konfron­tieren wird durchaus als Tabubruch gewertet. Dazu der Werberat: »Laut Protesten aus der Bevölkerung und der Auffassung des Werberats entspreche es nicht der gesell­schaft­li­chen Grundüberzeugung in Deutschland, Hitler in der kommer­zi­ellen Werbung als Zugpferd zu benutzen. Vor dem Hintergrund seiner Verbrechen wirkt der Zusammenhang mit Ahnenforschung beson­ders zynisch und trifft insbe­son­dere Menschen, die unter dem Rassenwahn des Nazi-Regimes zu leiden hatten.«

Agenturen sollten als regu­lie­rende Instanz zwischen Kreation und Kunde stehen und gege­be­nen­falls einen Auftraggeber abraten, wenn er mit solchen Vorschlägen kommt. Aufgeklärte Verbraucher haken diese billige Art der Provokation rasch als dumme Werbung ab. Gute Werbung sollte dem Konsumenten voraus eilen. Stichwort: Sehnsüchte. Warum nicht: »Bist Du verwandt mit Beethoven?«


Eszett … ich liebe es®, oder: …

… Wie eine deut­sche Werbeagentur die Rechtschreibung globalisiert.
Von Markus Goldammer

Leider kommt es nach der Rechtschreibreform nur noch selten zum Einsatz, das Eszett. Manche glauben gar – aus Unwissenheit, Ignoranz, Verunsicherung oder allen 3 Gründen –, Konrad Duden habe es vor 10 Jahren abge­schafft. Nein: Das ß lebt noch. Dies zeigt nicht zuletzt die heftige Debatte um zwei Anstecknadeln vor 3 Tagen hier im Fontblog.

In der Werbesprache droht das ß aller­dings auszu­sterben. Siehe McDonald’s, im aktu­ellen TV-Spot für den puren Geschmack, wo ein neuer Hamburger namens »Der M« beworben wird (auf das erbärm­liche Zapfino-M-Logo möchte ich heute mal nicht eingehen). Weil man ohne Perücke, falsche Koteletten und ange­klebten Schnurrbart besser in den »M« beißen kann, lautet das Fazit nach 22 Sekunden-Gesichts-Striptease: »Einfach pur geniessen«. Hoppla, warum nicht genießen?

Da ich mir nicht vorstellen konnte, dass dieser Claim das Ergebnis einer Montags-Produktion ist, habe ich einfach mal nach­ge­fragt, bei McDonald’s, per Web-Formular: Wo ist denn das scharfe s geblieben?

Zwei Tage später kam die Antwort:

Sehr geehrter Herr Goldammer,

vielen Dank für Ihre E-Mail und Ihr Interesse an unserem Unternehmen.

Es ist natür­lich richtig, dass die korrekte Schreibweise bei genießen ein „scharfes ß“ vorsieht.

Ein scharfes „ß“ ist jedoch grafisch betrachtet kein schöner Buchstabe und lässt sich nie rund in ein Wort einpassen – durch das Schriftbild wird Unruhe in ein Wort hinein­ge­bracht, was gerade bei schnellen Bildern wie im TV und bei einem nur kurz einge­blen­deten Text hinder­lich für eine schnelle Auffassung des Textes sind.

Die Verwendung des scharfen „ß“ zu igno­rieren ist bei Werbebotschaften nicht unüb­lich. So wurde auch bereits bei anderen Projekten bewusst auf die korrekte Verwendung des „ß“ verzichtet wie beispiels­weise bei der „FUSSBALLESKORTE“. Zwei „s“ sind auch hier nicht korrekt. Da aber in den meisten Fällen das Wort in Versalien geschrieben wird stört das scharfe „ß“ an dieser Stelle nur. Es würde auch vom Schriftbau her nicht in den Namen passen. Konsequenter Weise wird es deshalb bei Verwendung der Versalienschreibweise immer mit doppeltem „s“ geschrieben.

Wir hoffen, Ihnen unser Anliegen dies­be­züg­lich darstellen zu können. Unabhängig hiervon werden wir Ihren Einwand jedoch gern an die zustän­digen Kollegen in der Marketingabteilung weiterleiten.

Mit freund­li­chen Grüßen
McDonald’s Deutschland Inc.

Gudrun Lück
Customer Service

Sicher: Schon die Bezeichnung »scharfes ß« lässt drauf schließen, dass die E-Mail nicht als fach­lich kompe­tente Stellungnahme von McDonald’s oder seiner deut­schen Agentur Heye & Partner zu betrachten ist. Doch sie drückt eine weit verbrei­tete Einstellung zu der Randfigur im deut­schen Alphabet aus. Warum soll das ß kein schöner Buchstabe sein? Oder liegt es an der Akzidenz Grotesk (Hausschrift von McDonald’s) oder ist es hier gar eine Helvetica?

Oben Helvetica, unten Akzidenz Grotesk

Während also die Gilde der Schriftexperten an der Einführung eines Versaleszett arbeitet, knickt an der Basis der deut­schen Schriftsprache die Solidarität mit dem ß ein, dem einzigen Zeichen, das kein anderes Land auf der Tastatur hat. Irgendwie bewegen sich da zwei Lese-/Anwendergruppen vonein­ander weg.

Übrigens: Während ich mich hier mit ein verloren gegan­genen Zeichen beschäf­tige, versu­chen Auto-Fans in einem anderen Blog heraus­zu­be­kommen, um welchen Wagen es sich im McDonald’s-Spot handelt: einen Nissan 280ZX? Irgendwie haben wir doch alle unsere Tellerränder.


Peter Saville: »Entschuldigung, ich kann so nicht arbeiten.«

Vor 30 Jahren gestal­tete Peter Saville sein erstes Plakat für einen Clubabend. Heute gehört der briti­sche Grafikdesigner zu den Leitfiguren der Branche. Als Mitbegründer von Factory-Records verlieh Saville der Post-Punk-Szene einen kühle Identity. Das Kunstmagazin art traf Saville in Berlin und sprach mit ihm über Freiheit im Design und die Ästhetik des Zufalls. Die art-Redaktion lädt die Fontblog-Leser im Rahmen der neuen Serie Designdiskurs exklusiv dazu ein, Savilles Thesen hier zu disku­tieren. Danke an Alain Bieber, art, Hamburg.

Peter Saville in seinem Büro (Abb. aus Peter Saville: Estate, jrp|ringier, Zürich, 2008)

Über den Beginn seiner Karriere beim Musik-Label Factory erin­nert sich Peter Saville:
»Ich machte das, was mir gefiel.« worauf art provo­kativ nach­fragt, ob ihn diese Freiheit für den Rest seiner Karriere verdorben habe. »Ja, in der Tat. Ich war genug Grafikdesigner, um zu wissen, dass all dies nichts mit herkömm­li­chem Kommunikationsdesign zu tun hatte. Kommunikationsdesign richtet sich an andere und ist für andere gemacht. Das Wort exis­tiert über­haupt nicht, bis jemand ein Problem hat, und mögli­cher­weise ein Publikum. Aber zunächst muss man ein Problem haben. Wenn man Grafikdesignern sagt: ›Mach was Du willst‹, tendieren sie dazu, Kalender oder Alphabete zu produ­zieren. Die wissen einfach nicht, was Sie tun sollen, wenn man ihnen keine Botschaft gibt.«

Demnach sei, so art, das Ende von Factory Anfang der 90er auch das Ende von Savilles selbst­be­stimmten Arbeitsweise. »Im Prinzip ja …«, doch der Stardesigner schränkt ein: »Die Möglichkeit des freien Ausdrucks im Kommunikationsdesign ist möglich, wenn der Auftraggeber und man selbst auf derselben Wellenlänge sind. … Ein Projekt, dass ich mit dem Modemacher Yohji Yamamoto 1991 verwirk­lichte, fühlte sich sehr viel ange­mes­sener an als das meiste, was ich zu dieser Zeit noch machte. Da ging es um Konsum und Kommodifizierung – der Titel war ›Game over‹. …

Anfang der Neunziger hatte Yamamoto einen nicht­ma­te­ria­lis­ti­schen Ansatz. Er stellte ganz demons­trativ klar: Ich habe genug, ich glaube nicht mehr an diesen Warenkult. Er entwarf eine ganze Kollektion aus Holz! Man konnte das nicht tragen. Das war ein bewusstes Statement: Du kannst es nicht tragen, also kauf es nicht. Wir rauschten direkt in eine Rezession, genau so wie heute wieder. Dieser ganze Achtziger-Design-Exzess war vorbei und sah einfach nur noch lächer­lich aus. Lustigerweise waren diese Holz-Kleider sehr beliebt bei Architekten. Die kauften diese Sachen und hängten sie in ihre Studios.«

Letzte Frage: Wie wichtig sind Ihnen Zufälle in ihrer Praxis? »Die Möglichkeit, zu spielen und zu expe­ri­men­tieren, auch, dass Sachen schief­gehen, ist wirk­lich wichtig. Aber im profes­sio­nellen Bereich passiert das nicht sehr oft. Die absolut scho­ckie­rendste Einsicht, die ich im Bereich der kommer­zi­ellen Werbefotografie machte, war folgende: Die Agentur präsen­tiert dem Kunden eine Lösung als Visual, und das ist exakt das, was dann foto­gra­fiert werden muss.

Während des Shootings passieren oft groß­ar­tige Dinge, Zufälle, manches funk­tio­niert nicht, anderes wiederum ganz gut – die Sache verän­dert sich also. Aber das kann die Agentur dem Kunden nicht zeigen. Wenn man fragt, warum es nicht geht, lautet die Antwort: Letzte Woche haben wir dem Kunden dieses Bild als Lösung zum Problem präsen­tiert. Wenn wir nun etwas Neues präsen­tieren, verwirren wir nur den Kunden. Wir müssen bei der ersten Lösung bleiben.

Entschuldigung, aber ich kann so nicht arbeiten. Ich dachte immer, Professionalismus bedeutet, dass man die Sachen beson­ders gut macht. Doch das stimmt über­haupt nicht. Professionalismus bedeutet, eine Aufgabe kommer­ziell und effektiv zu erle­digen. Aber inter­es­sant ist das nicht.«


Designdiskurs … in letzter Minute

Ihr Lieben. Das war knapp. Bis eben saß ich noch ohne Streitstoff vor meinem Bildschirm. Nun habe ich zwei Beiträge für zwei Freitäge. Morgen wird an dieser Stelle Peter Saville zu Wort kommen und seine aktu­elle Sicht der Designwelt präsen­tieren. Für kommenden Freitag hat Markus Goldammer schon eine typo­gra­fi­sche Lunte bei der welt­weit größten Fleischklopsbräterei gezündet. So kann es weiter gehen: Ein bis zwei Essays auf Vorrat … schonen meine Nerven. Freitag bleibt Streittag.


Designdiskurs … wie geht es weiter?

Trotz posi­tiver Resonanz und des großen Zuspruchs: Die zweite Folge unseres jungen Designdiskurses steht auf der Kippe. Jedenfalls liegt mir noch keine Bewerbung vor. Zur Erinnerung: Den Streit zum Freitag zettel nicht ich an … den bricht ein/e Fontblog-Leser/in vom Zaun. Spätestens morgen Nachmittag müsste dann ein Statement in meinem Postfach jsiebertätfontshop.de liegen, denn Freitagmorgen soll es veröf­fent­licht werden. Das muss gar nicht lang sein. Was treibt Euch um? Was ärgert Dich schon lange? Was nervt/stimmt nicht/ist heiße Luft/muss entsorgt werden!


Neu im Fontblog: Designdiskurs

Nach der anre­genden Premiere vom Freitag wissen wir: Design braucht mehr Debatten. Wie Erik Spiekermann ganz richtig in seinem Kommentar beisteu­erte: »Unsere Arbeit ist öffent­lich. Also darf sie auch öffent­lich disku­tiert werden. Wem das zu gefähr­lich ist, hat den falschen Beruf gewählt.« Also gilt ab sofort im Fontblog: Freitag ist Streittag.

Wir wollen üben, was in England und anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit ist: Rede und Gegenrede, dabei stets Respekt zeigen gegen­über einer anderen Meinung. Hin und wieder das Logo einer Sportveranstaltung verreißen, das Redesign eines TV-Senders kriti­sieren oder die neue Hausschrift eines Dax-Unternehmens … das darf nicht alles sein, bei einer stetig wach­senden enga­gierten Fontblog-Leserschaft von 10.000+/pro Werktag.

Drum drehe ich den Spieß einfach um, so wie am Freitag: Die Kritik kommt nicht von mir, sondern in der Form eines Gastbetrags von einer Fontblog-Leserin oder einem -Leser. Der Text sollte am Donnerstag-Nachmittag bei mir eintreffen. Einziges Risiko: Es gibt keine Garantie auf Veröffentlichung, eine redak­tio­nelle Bearbeitung geschieht in Absprache mit der/dem Autor/in. Also, Freiwillige vor! Und mein Dank noch mal an Alex Branczyk, der sich hier als erster ein blaues Auge geholt hat (übri­gens völlig frei­willig, es war seine Idee) und damit in die Gechichte des Designdiskurs einge­gangen ist. (Foto: ƒStop)


Gastkommentar: Meirés Arch, Starcks Quarck oder …

… Bekenntnis zum brutalst­mög­li­chen Blödsinn. von Alex Branczyk

Kann mal jemand den Mike schüt­teln? Ist Design das Gegenteil von Aufrichtigkeit? Design hat selten eine andere Aufgabe, als die Dringlichkeit zu gestalten. Alles andere nenne man wie man will, bloß nicht Design. Ich nehme an, dass MM da etwas verwech­selt: Wenn er in Arch+ »Schluss mit Design« schreibt, dann kann ich ihm nur entgegen rufen: Schluss mit Stuss!

Anscheinend ist selbst­ge­rechtes Geschwätz jetzt en vougue. Neulich erst drückte sich Philippe Starck ähnli­ches raus … »Alles, was ich gestaltet habe, ist absolut unnötig.«

Bei MM ist das Gelaber allum­fas­send: »Von trieb­ge­steu­erten Überzeugungstätern, Nerds und Pornografie«; hier als PDF (250 K). Er redet, was ihm gerade so einfällt. Einige Sachen sind ganz richtig (»Der Biedermeier hat tausend Möglichkeiten, sich zu tarnen«), andere ganz falsch (»Der schwarze Balken oben auf der Seite stellt ein radi­kales Moment dar«), manches denkt er sich halt so (»Die Futura besitzt eine Reinheit … das sieht man z. B. am klein­ge­schrie­benen a«). Das meiste jedoch ist wider­lich frisiertes Marketinggeschwätz in eigener Sache – wie toll die Typen von Arch+ sind, die »so viel Idealismus und einen großen wich­tigen Teil ihrer Lebenszeit dafür einbringen«.

MM redet zeit­geis­tiges Zeug (»Was ich wieder einfor­dere, ist Absichtslosigkeit«) und verkauft sein Publikum für blöde: »Weißraum wird von mündigen Lesern als Design-Geste gelesen … jetzt ist mal Schluss mit Design« (abwer­tend gemeint). Seine Erkenntnis hindert MM jedoch nicht, seine Aufmacher halb­seitig schick weiss zu lassen. Und kess eine schräg­ge­stellte Zeile hinein­zu­de­si­gnen. Wer sich dieses »brutale Bekenntnis zum Inhalt« anschauen will: blät­tern Sie im neuen Heft …


»Brutales Bekenntnis zum Inhalt«

Schon weil das Publikum Architekten sind, die momentan ja offen­sicht­lich lieber Überraschungseier desi­gnen und über mangelnde chine­si­sche Steinqualitäten lamen­tieren (Kollhoff), anstatt vernünf­tige Stadträume ( »Grauwerte?«) zu gestalten, kann ich Mike Meiré nicht verstehen … wo ist da die Haltung?

In einem Radikalitäts-defi­zi­tären Deutschland ohne Design-Avantgarde ist Mike Meiré seit Jahren der oberste Non-Avantgardist. Er wurde für sein Visual Leadership ja des öfteren ausge­zeichnet – konse­quen­ter­weise! Auf eine fröh­liche gestal­te­ri­sche Revolution der frühen 1990er Jahre folgte die Konterrevolution der Rückwärts-Napoleons mit ihren wohl­feilen Phrasen.

Es ist eben einfa­cher, auf versu­chende Gestalter einzu­dre­schen, als selbst den Versuch einer Gestaltung zu wagen. Und es ist brutal einfach, moder­nis­ti­sches Retrozeug abzu­lie­fern (vergleiche Arch+ 109/110 von 1991 mit Otl Aichers Statement »Die Gestalt liegt in der Sache«) und sich hernach die Sache mit passenden Aicher-Zitaten schönzureden.


»Es geht nicht darum, Grauwerte zu struk­tu­rieren, sondern Dringlichkeit zu gestalten« 

Wann allein sehen denn die brand­eins, die form oder die Arch+ gut aus? Doch nur, wenn die Gala und der Focus neben ihnen liegen. Die deut­schen Architektur- und Designhefte messen sich am Boulevard. Nicht an der jewei­ligen Kultur! Da nützt es MM nichts, wenn er mögliche Gegenargumente gleich umge­polt mitlie­fert: »Das Problem ist, dass die Leute zu wenig wagen«.

Es sind ja nicht die Leute, die zu wenig wagen – es sind die laut­starken Retrokaiser unter uns Designern! Die eine bornierte (einge­schränkte) Auffassung von Design haben (»Ich arbeite in der Regel mit drei, vier Schrifttypen, darunter die Helvetica oder die Futura als Grotesk«). Und darauf noch stolz sind: (»Ich bin kein klas­si­scher Typograf«).


»Weißraum wird von mündigen Lesern als Design-Geste gelesen«

Hier hat Sagmeister recht: dass Deutschland das einzige Land sei, in dem die Studenten inter­es­san­tere Arbeiten machen, als die Profis. Jedenfalls als diese Sorte Profis!

Es ist doch so, lieber Mike Meiré: »Wir leben in einer Kulturgesellschaft und wir machen diese Kultur. Diejenigen, die sich nicht bewusst einbringen, werden letzt­lich Opfer ihrer eigenen Untätigkeit.«

Schluss mit Design?
Nein – fang doch erst mal damit an!


»… drei, vier Schrifttypen, darunter die Helvetica oder die Futura als Grotesk«

(Alle Abbildungen aus Arch+ No. 186/187)