AGD-Pressetext zum BGH-Urheberrecht-Urteil
»Der heutige 13. November 2013 wird als ein guter Tag in die Geschichte der deutschen Designszene eingehen, denn das Urteil des Bundesgerichtshofs stellt auch die eigene bisherige Rechtsprechung richtig: Werke der freien und der angewandten Kunst werden in Bezug auf die Schöpfungshöhe nicht mehr unterschiedlich bemessen. Für die Designerinnen und Designer in Deutschland ist das ein Paukenschlag.« Das BGH-Mitteilung zum heutigen Urteil im Wortlaut …
»Nicht einmal 10 Jahre ist es her, da bestätigte das Bundesverfassungsgericht im Fall des „laufenden Auges“ die bis zuletzt strenge Rechtsprechung des BGH (BVerfG, GRUR 2005, 410 – laufendes Auge). Das einprägsame Signet hatte der Berliner Grafiker Franz Zauleck 1993 im Auftrag der Allianz deutscher Designer (AGD) entworfen, das Design-Zentrum Nordrhein-Westfalen nutzte es für einen Wettbewerb.
Dass eine abgewandelte Form des „laufenden Auges“ später auch von einem Gewerbeverein in Umlauf gebracht wurde, sei hinzunehmen so der Richterspruch damals, da das Signet keinen Urheberrechtsschutz genieße. Eine Ungleichbehandlung von angewandter und zweckfreier Kunst läge nicht vor – über das Geschmacksmusterrecht erlangten Designerinnen und Designer immerhin kostenfrei eine Schutzfrist von drei Jahren, die sie durch Anmeldung auf bis zu 25 Jahre verlängern könnten. Die sogenannte „Kleine Münze“ als Maßstab für Schöpfungshöhe, reiche für angewandte Kunst nicht aus, hier sei ein sehr viel höherer Maßstab – „Große Münze“ – anzulegen, als beispielsweise bei Texten, Fotografien und Werken der bildenden Kunst.
Der Bundesgerichtshof hat das nun im Fall einer klagenden Spielzeugdesignerin neu bewertet und ein wegweisendes Urteil gefällt (I ZR 143/12 – Geburtstagszug). Ab sofort und zum Teil auch rückwirkend ist Schluss mit den Unterschieden zwischen den Werkarten freier und angewandter Künste. Da das Urteil auch Bezug nimmt auf die Geschmacksmusterrechtsreform 2004, könnten nun zahlreiche Verfahren über den Schutz kreativer Arbeiten der vergangenen 10 Jahre neu aufgerollt werden, von der angemessenen Vergütung bis hin zum Schadensersatz. Hinzu kommen Revisionen bei Rechtsstreitigkeiten mit Finanzämtern über die Einordnung von Grafikdesignern in gewerbliche Tätigkeiten oder im Zuge von Umsatzsteuer-Nachberechnungen.
Victoria Ringleb, Geschäftsführerin der AGD, begrüßt das Urteil: „Die AGD hat das ‚laufende Auge’ bis vor das Bundesverfassungsgericht gebracht und wir freuen uns darum umso mehr, dass es nun soweit ist: der BGH hat sich endlich für eine einheitliche Bewertung und kreativen und künstlerischen Arbeiten entschieden, unabhängig vom Designfachbereich oder der Kunstgattung.“ Auch der AGD-Vorstandsvorsitzende Andreas Jacobs befürwortet die Nachricht aus Karlsruhe: „Die Umsetzung dieser Rechtsprechung wird den Designer-Alltag verbessern: wir werden weniger rechtlichen Fallstricke und Unwägbarkeiten ausgesetzt sein. Und die angemessene Wertschätzung von Designleistungen ist im juristischen Bereich nun erreicht.“ Zunächst einmal rechnen beide allerdings mit viel Wirbel: es müsse nun für die konkrete Rechtsprechung definiert werden, wie die Schöpfungshöhe der „Kleinen Münze“ bei Designleistungen definiert sei. Beratungen mit den Juristen der AGD hierüber werden zeitnah folgen.
In der AGD-Geschäftsstelle rechnen sie darüber hinaus damit, dass der Vergütungstarifvertrag Design, den die AGD mit dem Verband der selbstständigen Designstudios (SDSt) seit 1977 aushandelt, nun auch noch mal in den vorherigen Auflagen von 2003 und 2006 nachgefragt wird, um als Grundlage von Gerichtsentscheidungen über zurückliegende Fälle zu dienen.«
(Quelle: AGD-Presseservice; Abbildung: V. Zivilsenat, Bundesgerichtshof)
5 Kommentare
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Thomas
Da fehlen aber deutlichst die allereinfachsten Basics im Recht (wie leider so oft bei Designern – und bei Freiberuflern allgemein).
Rechtskräftig abgeschlossene Verfahren können selbstverständlich nicht „neu aufgerollt“ werden.
Christian Büning
Nach den Urteilen der letzten Jahre (zuletzt das spektakuläre Verfahren von BDG-Designer Hempel über das Dresdner-Bank-Logo z.B.) schien die Rechtsprechung einen sehr deutlichen Abstand zwischen Geschmacksmusterschutz und Urheberrecht halten zu wollen. Das war nicht zum Vorteil der Designer.
Die Novellierung des Geschmacksmusterrechts von 2004 setzt sich jetzt endlich auch in der aktuellen Rechtsprechung durch. Es muss in Zukunft kein deutlicher Abstand mehr zwischen Geschmacksmusterschutz und Urheberrecht bestehen, daher kommt das Urheberrecht für sehr viel mehr Designleistungen wieder zur Geltung. Ohne Zweifel eine deutliche Kehrtwende in der Rechtsprechung.
Allerdings ist dieses Urteil für einen Designmarkt, in dem nur 2% der Designer (Quelle: BDG-Report 2010) Einnahmen durch Nutzungsrechte erzielen, weniger interessant als für die Rechtsprechung bei Designprozessen. Bei Rechtsstreitigkeiten wird dieses Urteil den Designern allerdings deutlich helfen.
Daher begrüßen wir ausdrücklich, dass der Bundesgerichtshof den Designern explizit den Rücken stärkt. Ein guter Tag für das deutsche Kommunikationsdesign!
Jürgen
Oho! Na, das ist doch mal ein Gewinn. Endlich entdecke ich hier auch mal einen offiziellen Satz der die Feststellung der Schöpfungshöhe umreisst:
Yang Liu
Was für eine erfreuliche Nachricht!
Arne
Geschmacksmusterschutz ist kostenfrei für Designer?
Gilt das nur für Agenturen oder auch für «Einzelpersonen» mit Designabschluß?