Fontblog Artikel des Jahres 2009

Translations 03, live: Stefan Sagmeister

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Vergangenen Dienstag wurde Stefan Sagmeister in Berlin der hoch­do­tierte Lucky Strike Design Award verliehen (Fontblog Twitpic 1 und Twitpic 2). In seiner Dankesrede erzählte er dem Publikum Geschichten aus dem Sabbatical auf Bali. Alle sieben Jahre gönnt sich Sagmeister eine Auszeit, in der keine Aufträge ange­nommen werden sondern zweck­frei neue Ideen entwi­ckelt. Im Saal war Neid spürbar, als er von den frei­lau­fenden Hunden auf Bali erzählte, die ihn zu Möbeln und einer T-Shirt-Serie inspi­rierten, als er Bilder von seinem Haus mit großer Terrasse zeigte und erzählte, er habe sich in dieser Zeit mit dem Thema Glück beschäftigt.

Stefan Sagmeister,
sagmeister_portwurde 1962 in Bregenz in Österreich geboren, studierte Grafik und Design an der Universität für ange­wandte Kunst Wien und am Pratt Institute, New York. 1993 grün­dete er dort sein eigenes Büro. Seiner Passion für Musik drückte sich er mit CD-Cover-Designs und Packaging für namhafte Interpreten aus. Sagmeister erhielt für seine Arbeiten zahl­reiche inter­na­tio­nale Auszeichnungen, darunter einen Grammy für ein Albumdesign der Talking Heads. Er unter­richtet an zahl­rei­chen Hochschulen, u. a. an der School of Visual Art sowie an der Cooper Union School of Art in New York.

Stellt zunächst seine Arbeit für das David Byrne/Brian Eno-Album »Everything That Happens Will Happen Today«. Danach die Konzepte für den poli­tisch-sozialen Verein True Majority, der 15 % des US-Rüstungsetats für soziale Zwecke abzwa­cken will (das wären rund 85 Mrd. Dollar). Dann erzählt er von seinem 2. arbeits­freien Jahr nach 2000.

Den Rest seiner Rede widmet er dem Projekt »Things I have learned in my life so far«.


Translations 03, live: Grußwort, Eröffnung, Einführung

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Einige Zitate:
Der neue Masterstudiengang Gutenberg-Intermedia der FH Mainz beginnt im nächsten Herbst.
Warum das Thema Autorschaft im Design? Es geht um Themen und Projekte, bei denen sich Designer intensiv den Inhalte ihrer Arbeit widmen. Genau dann entstehen span­nende Arbeiten. Stichwort: Glaubwürdigkeit.
Wann wird ein Designer Autor? Gute Frage, in einer Zeit, in der sich die Autorschaft eher aufzu­lösen scheint: Soziale Netze, Crowd-Sourcing, Creative Commons, …

Dr. Petra Eisele,
eiselestudierte Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Linguistik in Trier und promo­vierte anschlie­ßend an der UdK in Berlin. Sie war Mitarbeiterin an der Bauhaus-Universität Weimar und versteht sich als Designforscherin. Heute ist sie Prof. für Designgeschichte, Designtheorie und Medientheorie in Mainz. 2008 grün­dete sie mit Forschern die Gesellschaft für Designgeschichte (GfDg). Im Fokus ihres Interesses stehen aktu­elle Entwicklungen im Produkt- und Kommunikationsdesign, insbe­son­dere Organic Design, Konvergentes Design, DDR-Design und Rezeptionsästhetik.

Gestern: Verschlüsselte Autorschaft des Designers, indus­trie­ori­en­tiert, Massenproduktion. Der Gestalter tritt hinter den Produkten zurück, dient der Produktion. Beispiele: Chanel (Nº 5) und Braun (»Geräte sollen stumme Diener sein«). Designer sollten hinter den Produkten verschwinden, auch die Produkte selbst sollten nicht auffallen.
Der Tod des Autors.
Heute: Design versteht sich nicht mehr als Diener der Produktion. Die Debatte über das Konzept hilft dem Auftraggeber inhalt­liche Tiefe zu gewinnen.
Morgen: Digitale Autorschaft, z. B. Wikipedia. Wird auch das Design treffen. Prosumer: Aus Konsumenten werden Produzenten (Bsp: NikeiD). Sampling.Der profes­sio­nelle Designer muss aufpasser, dass er bei diesem Prozess nicht wieder zum Liegferanten von Dekoren wird, wie zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Interessant wäre die kollek­tive Autorschaft von Designern. Mit gestal­te­ri­schen Mittel neue Diskurse starten: Umwelt, sozial Verantwortung, Nachhaltigkeit. Petra Eisele nennt es »poli­tisch moti­viertes Autorendesign«.


Translations 03, live: Hier ist Mainz

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Grüße aus Mainz, von der Translations 03. Ich sitze schon im (noch leeren) Saal und hab mich häus­lich einge­richtet, was bedeutet: Stromversorgung und Internetzugang sind sicher. Noch eine Stunde bis zum ersten Vortrag, Zeit für ein kleines Vorgeplänkel.

Über das Hotel habe ich heute morgen schon getwit­tert. Es nennt sich »Design-Hotel« und liegt im Stadtteil Weisenau. Dort war ich vor 30 Jahren zu meinen Studentenzeiten öfters, als ich in den Semesterferien auf dem Bau jobbte. Es hat sich kaum etwas verän­dert, am Rheinufer, und ich freue mich, das es das Restaurant Rhoischnoock noch gibt. Wer weiß, was das über­setzt heißt?

Also, das Hotel ist mit viel Liebe, unan­ge­nehm über­de­signt. Der Besitzer erklärte mir eine Minute lang, wie der Lichtschalter funk­tio­niert, denn die Funktionen Ein, Aus, Hoch– und Runterdimmen sieht man dem quadra­ti­sche Ding nicht an. Die Nasszelle funk­tio­niert über­haupt nicht (siehe Twitpic). Neben den 5 Designfehlern keine Ablage(n) (1), Spiegel an der falschen Wand (2), Dusche nicht verstellbar (3), nasser Boden im gesamten Raum (4) und über­flüs­siger Vorhang (5), fanden meine Twitter-Follower noch heraus: Fliesenraster passt nicht zum Abfluss (6), unter­schied­liche Fliesenqualität bei Wand und Boden (7), fehlende Steckdose (8), Waschbecken und Toilette nicht aus einer Linie (9) und kalte (Decken-)Beleuchtung (10). Erwähnenswert ist noch der Spiegel im Kleiderschrank, der komplett verdeckt ist, wenn man die Klamotten aufge­hängt hat. Ich könnte noch mehr berichten, aber das soll reichen. Ich habe immerhin sehr gut geschlafen, und das kosten­lose High-Speed-Internet ist natür­lich ein dicker Pluspunkt.

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Was fällt einem zu Mainz ein, außer Dom und Johannes Gutenberg. Natürlich die Meenzer Fassenacht. Ich bin eben an der Zentrale des Mainzer Carneval-Verein 1838 e.V. MCV vorbei gekommen, die mitten im Stadtzentrum liegt. Es gab mal eine Zeit, da übten die beiden lokalen Karnevalvereine MCC und MCV mehr Macht auf die Deutschen TV-Stationen aus als heute CDU und SPD. Die jähr­liche Übertragung der Kappensitzung »Mainz wie es singt und lacht« hatte in ihren besten Zeiten weit über 20 Millionen Zuschauer. Auch Gottschalk lernte von den Mainzern: 1964 kam es zu einer einstün­digen Überziehung, als Ernst Neger zum ersten Mal Humba Humba Täterä sang, sich das Saalpublikum nicht mehr beru­higte und immer wieder eine Zugabe forderte.

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Habe ich schon erwähnt, dass hier die Sonne scheint und es 16 Grad warm sind? Es ist so, im Café Extrablatt sitzen die Gäste draußen.

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Das Programmheft der Translations ist ein Gedicht, optisch und funk­tional. Eigentlich ist es eine Art Tagebuch (blanc book) mit fest einge­bun­denen Lesezeichen, für jeden Programmpunkt mehrere als Auftakt, dann folgen leere Seiten zum Mitschreiben. Die Lesezeichen ragen aus dem Schnitt des Buches heraus. Das macht einen guten Eindruck, als hätte man sich schon stun­den­lang mit der Veranstaltung beschäf­tigt, wich­tige Beiträge markiert und Erinnerungen einge­legt. Die Webseite der Veranstaltung greift die Lesezeichen-Ästhetik auf. Konzept: Melih Bilgil, Susanne Kehrer, Christoph Köhler, Dr. Isabel Naegele, Philipp Pape, Ruth Preywisch.Susanne Kehrer. Gestaltung: Programmierung Website: Thomas Lempa. Schriften: Whitman (The Font Bureau).

Translations 03 ist eine Veranstaltung des Master-Studiengangs Gutenberg-Intermedia, Lehreinheit Kommunikationsdesign.


FS20 (20): 2 TYPO-Tickets ab 470,00 € 376,00 €/Person

initial1Bis morgen feiert FontShop sein 20-jähriges Bestehen, täglich mit einem Lieblingsprodukt, redu­ziert um 20 Prozent (siehe Fontblog-Ankündigung 20 Jahre FontShop). Unser 20. und letztes Angebot schon heute, weil manche viel­leicht drüber schlafen müssen oder aber noch einen Partner suchen möchten: 2 TYPO-Tickets mit 20 % Preisnachlass. Dieses Angebot gilt nur für Profis bei Bestellung von zwei Tickets und bedeutet 376 € (statt 470 €) pro Einzelticket bzw. 752 € für zwei Tickets. Das Angebot gilt bis morgen, 20. November 2009, 24:00 Uhr. Ihr könnt euer Doppelticket sowohl online bestellen (zum TYPO-Ticket-Shop; wir berück­sich­tigen den Rabatt bei der Abbuchung) als auch tele­fo­nisch: (030) 69596-333.

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Viele Designer sind von einer spezi­ellen Hingabe getrieben, im Beruf wie im Privaten. Der leiden­schaft­lich gelebte Job ist ein Schlüssel zum Erfolg – neben Handwerk und Kreativität. Leidenschaft gibt uns die Energie zu handeln, 
sie ist die Basis für Veränderung und Fortschritt. Auf der TYPO Berlin 2010 zeigen rund 50 Designer und Kreative*, wie einfach Erfolg sein kann, wenn man sich traut, seiner Leidenschaften zu folgen. Lasst euch drei Tage im Haus der Kulturen der Welt von diesen Passionen inspi­rieren, um eigene Aufgaben mit neuer schöp­fe­ri­scher Kraft anzu­pa­cken. Mehr über die TYPO 2010 …

PS: Die 7 Paare und 2 Trios, die sich in den zurück­lie­genden Wochen bereits gemeinsam zur TYPO 2010 ange­meldet haben, über­ra­schen wir heute tele­fo­nisch mit einem wunder­baren Geschenk
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* Jonathan Barnbrook, Candy Chang, Jan Chipchase, Uta & Thilo von Debschitz, Jan Gerner/Yanone, Daniel Gjøde, Julia Laub, Laura Meseguer, Oliver Reichenstein, Prof. Peter Kruse, Rick Poynor, Rich Roat, Florian Alexander Schmidt, Piet Schreuders, Carlos Segura, Julian Smith, Andrea Tinnes, u. v. m.


FS20 (19): FF Quadraat OT 199,00 € 159,20 €

initial1Bis 20. November 2009 feiert FontShop sein 20-jähriges Bestehen, täglich mit einem Lieblingsprodukt, redu­ziert um 20 Prozent (siehe Fontblog-Ankündigung 20 Jahre FontShop). Heute im Angebot: die Schriftfamilie FF Quadraat OT aus der 100-Beste-Schriften-Edition. Das Paket erschien vor andert­halb Jahren und gehört bis heute zu den Bestsellern, weil Preis und Inhalt stimmen. Auf der CD befinden sich die 6 wich­tigsten Quadraat-Schnitte für die tägliche Arbeit (Regular, Italic, Bold, Bold Italic, Display Italic und Display Bold Italic) im OpenType-Format; die Text-Schnitte enthalten Kapitälchen, Tabellenziffern, Mediävalziffern und Ligaturen. Direkt zur Bestellseite …

Der Klappentext skiz­ziert die Entstehungsgeschichte der Quadraat. Es ist zwar eine der ersten Schriften, die komplett digital entworfen wurden, Ausgangsbasis waren jedoch Zeichnungen, die Fred Smeijers im Designbüro mit dem Namen Quadraat anfer­tigte. Die Familie sollte neu aussehen, aber an altbe­währte Vorbilder anknüpfen, zum Beispiel Garamond, Times oder Plantin. Die fast gerade stehende Kursive dagegen legte Smeijers ausge­spro­chen eigen­willig und origi­nell an – sie wurde zu einer Art Markenzeichen der Quadraat.

Erst 1997 fügte Smeijers der FF Quadraat eine Sans-Version hinzu. Er reihte sich damit in eine hollän­di­sche Tradition ein, die 1930 mit Jan van Krimpen begann, der einst seiner Romolus die Serifen entfernte. Später gingen auch Martin Majoor (FF Scala) und Lucas de Groot (Thesis) diesen Weg.

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Alle bis heute erschie­nenen 20-Jahre-FontShop-Sonderangebote:
11. FontBook für 99,00 € 79,20 €, zur Produktseite …
12. Axel für 79,00 € 63,20 €, zur Produktseite …
13. de-Groot-Krawatte für 62,00 € [vergriffen]
14. FF Meta OT für 199,00 € 159,20 €, zur Produktseite …
15. »Buchstaben kommen …« (FontShop-Edition) für 35,00 € 28,00 €
16. Typomaß für 19,00 € 15,20 €, zur Produktseite …
17. Zwei limi­tierte Alpha-Spiele für 71,00 € 56,80 €, zur Produktseite …
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12. Typo-Mousepad Mac für 9,00 € 7,20 €, zur Produktseite …
13. Roundabout (FontShop-Edition) 19,00 € 15,20 €, zur Produktseite …
14. FF Dax OT für 199,00 € 159,20 €, zur Produktseite …
15. Dingbats Stempelset für 62,00 € 49,60 €, zur Produktseite …
16. FF Trixie OT oder Pro Familie ab 209,00 € 167,20 €, zu Trixie OTzu Trixie Pro …
17. 3 Dingbats-Spielhefte für 19,00 € 15,20 €, zur Produktseite …
18. Stapeless für 49,00 € 39,20 €, zur Produktseite …
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FS20 (18): Stapeless 49,00 € 39,20 €

initial2Bis 20. November 2009 feiert FontShop sein 20-jähriges Bestehen, täglich mit einem Lieblingsprodukt, redu­ziert um 20 Prozent (siehe Fontblog-Ankündigung 20 Jahre FontShop). Heute im Angebot: der klam­mer­lose Hefter Stapeless. Nie mehr den Klammeraffen füttern, nie mehr Draht mit den Fingernägeln aufbiegen. Ganz nebenbei sieht Stapeless auch noch toll aus! Gleich zur Bestellung …

stapeless_freiStapeless ist die raffi­nierte Alternative zur Heftklammer. Eine ausge­klü­gelte Mechanik verbindet umwelt­freud­lich bis zu 4 Briefbögen mit einer eleganten gestanzten Schlaufe. Damit wird das tägliche Heften zu einem ästhe­ti­schen Vergnügen. Bewerbungen, Einladungen und »feine« Geschäftspost können mit Stapeless wunderbar aufge­wertet werden.

Das hoch­wer­tige Werkzeug kommt natür­lich aus Japan, dem Land der Papierkunst: Metallgehäuse, verchromt, B 5,5 x T 9,5 x H 8,5 cm.

Ausgezeichnet mit dem Design Plus Preis für seine inno­va­tive, tech­ni­sche, funk­tio­nelle und gestal­te­ri­sche Qualität.

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Typopassage Wien, im quartier21/MQ

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Am kommenden Freitag, den 20. 11, um 17:00 Uhr eröffnet die Typopassage in Wien, ein Projekt des q21/MQ, der Typografischen Gesellschaft Austria und der Universität für Angewandte Kunst. Die erste Ausstellung der Reihe ist dem jungen Typografen und Illustrator Alex Trochut aus Barcelona gewidmet, der auch für die typo­gra­fi­sche Gestaltung des Deckengewölbes der Passage verant­wort­lich zeichnet. Der Gestalter und Designkritiker Erwin K. Bauer kura­tiert das neue »Mikromuseum für Gestaltung von und mit Schrift«.


Niiu, meine eigene Tageszeitung

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Seit Montag bin ich Herausgeber einer Tageszeitung – so steht es jeden­falls im Impressum. Titel: Niiu. Auflage: 1 Exemplar. Umfang: 24 Seiten. Preis: 1,80 €. Erscheinungsweise: täglich außer Sonntags per Zusteller. Wie geht das?

Niiu ist die erste indi­vi­dua­li­sierte Tageszeitung Deutschlands und im Moment (leider) nur in Berlin lieferbar. Auf der Internetseite www​.niiu​.de wähle ich als Leser und Herausgeber aus Hunderten Print- und Online-Inhalten, was am nächsten Morgen in meiner persön­li­chen Niiu stehen soll. Lieferanten der Inhalte sind zur Zeit die Berliner Morgenpost, Tagesspiegel, B.Z., Abendzeitung München, Hamburger Abendblatt, Nord West Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung, Bild, Frankfurter Rundschau, Neues Deutschland, Handelsblatt, New York Times, Herald Tribune, Washington Times, Komsomolskaya Prawda, RBC Daily sowie Blogs und andere Online-Quellen.

niiu_impressum

Die 5 Spalten der ersten und der letzten Niiu-Seite werden mit Texten aus dem Internet gefüllt – das sieht zur Zeit grausam aus und ist eigent­lich unlesbar (Abbildung ganz unten). Die Seiten im Innenteil sind 1:1 Kopien aus den betei­ligten Tageszeitungen.

Um zu verstehen, wie so eine Niuu aussieht und sich »anfühlt«, habe ich meine Ausgabe von heute abfo­to­gra­fiert, zu einem PDF zusam­men­ge­baut und auf issuu​.com hoch­ge­laden. Dieser wunder­bare Service macht es möglich, dass ihr in meiner Niiu von heute durch­blät­tern könnt, Full-screen. In der Bildunterschrift habe ich notiert, aus welchen Elementen sie kompo­niert ist:

Die Inhalte meiner persön­lich niiu: Titelseite (Kopf, Internet-Inhalte, Wetter, eigenes Foto); S. 2–5 die Titelseiten von Bild, Taz, BZ und Tagespiegel; S. 6–9 die Seiten 2/3 von Handelsblatt und Taz,; S. 10–12 die Meinungsseite von Frankfurter Rundschau, Taz und Neues Deutschland; S. 13–18 die Lokalseiten von Berliner Morgenpost (2), BZ (2) und Taz (2); S. 19–21 die Sport-Seiten von Bild (3); S. 22–23 Werbung, auf die ich keinen Einfluss habe; S. 24 Internetinhate

Über die Kinderkrankheiten von Niiu habe ich schon mehr­fach getwit­tert. Am Montag erhielt ich statt meiner eigenen Niiu die Ausgabe einer Nachbarin namens Katrin. Gestern kam zwar mein persön­li­ches Exemplar, aber so spät (7:45 Uhr), so dass ich sie nicht ins Büro mitbringen konnte um darüber zu schreiben. Heute lief alles wunderbar.

Die Idee einer indi­vi­dua­li­sierten Tageszeitung ist reiz­voll. Bei der Benutzung muss man sich an das Neue gewöhnen. Zunächst mal riecht Niiu nicht nach Zeitung, sondern nur nach Papier, was am Druckverfahren liegt. Die Zeitung wird auf einem Digitaldrucker ausge­geben, einem Océ JetStream 2200, für den Druckerschwärze Schnee von gestern ist. Dass er gene­rell bei Schwarz ein Problem hat, mag an der Einstellung liegen … das Druckbild der Niiu ist flau, die Fotos lassen Tiefe vermissen.

Irritierend sind die wech­selnden Typografie- und Layout-Welten, in die man beim Umblättern geworfen wird. Doch was kann man anderes von einer Patchwork-Zeitung erwarten? Dabei fällt auf, dass sich nicht jede externe Tageszeitungsseite auf das Schweizer Format (320 mm × 475 mm) der Niiu herun­ter­bre­chen lässt. Während B.Z.- und Frankfurter-Rundschau-Seiten fast 1:1 wieder gegeben sind, erscheinen Berliner-Morgenpost- und Bild-Seiten extrem verklei­nert und damit schlecht lesbar.

Unentschuldbar ist das Massaker an den Internet-Texten aus Blogs wie Basic Thinking, Qype, Laut oder den Blogpiloten. Da werden – völlig unnötig – Links in voller Länge aufge­drö­selt, so dass sie sich über mehrere Zeilen erstre­cken. In diesem Umfeld vergeht sich das hilflos über­for­derte Trennprogramm an kurzen Wörtern durch meter­weites Sperren – ein typo­gra­fi­scher Kardinalfehler –, was für den endgül­tigen Zusammenbruch der Lesbarkeit sorgt.

Ein Wort zu den Schriften. Für die selbst gesetzten Texte verwendet Niiu die seri­fen­lose Schriftfamilie Antenna von The Font Bureau. Das sieht in den Headlines ziem­lich gut aus, für den Brottext sollten die Niiu-Layouter zu einem kräf­ti­geren Schnitt greifen, der dann auch einen halben Punkt kleiner gesetzt werden könnte. Seiten der zitierten Tageszeitungen erscheinen natür­lich in deren Hausschriften, wobei ich mich frage, wie die jewei­ligen Schrifthersteller diese Huckepack-Veröffentlichung (PDF, .jpg, …) lizenz­recht­lich bewerten.

Aber: Dies alles ist lösbar. Ich freue mich auf die nächsten Ausgaben. Niiu bleibt nach 3 Exemplaren ein span­nendes Experiment, dem ich Zukunft gebe.

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Himmelschreiend unlesbar: die Typografie der auto­ma­tisch gesetzten Texte auf S. 1 und S. 24 von Niiu, und dabei leicht zu vermeiden (Abbildung klicken zum Vergrößern)

[Update: Das Wirtschaftsblog Board of Innovation (engl.) weiß mehr über das Businessmodell von Niiu …]