Fontblog Artikel des Jahres 2009

Das Bundes-Konjunkturpaket-Logo kommt

Wie die Financial Times meldet, plant auch die Bunderegierung eine Kampagne zur besseren Vermarktung des Konjunkturpakets. »Deutschlandweit sollen Städte und Kommunen nach Vorstellung des Kanzleramts einheit­liche Bauschilder aufstellen – mit Logo und Claim.« Diese zeigen, laut FTD, den Slogan »Wir bauen Zukunft«, darüber prange der Bundesadler, und als Bauherr würden Bundesregierung und Bundestag aufgeführt.

Die Idee des Logos gehe auf die Haushälter im Bundestag zurück. Ganz sicher? Geht sie nicht viel­leicht auf eine Idee der US-Regierung zurück? »Das erhöht die Transparenz der öffent­li­chen Ausgaben.« sagte Steffen Kampeter, haus­halts­po­li­ti­scher Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, gegen­über der Zeitung. Die Entwicklung des Signets habe kein Extrageld gekostet, beru­higt zudem das Bundespresseamt. Ätsch, Ihr Designer …


Kotztütenmuseum

via ZEIT online


Unanständig billig

peter doherty

Irgendwie krieg’ ich da fast ein schlechtes Gewissen. Hab’ gerade das neue Album von Peter Doherty (Grace/Wastelands) bei Saturn für 4,99 € geladen (MP3, 320 kBit/s, DRM-frei). Im iTunes-Store kostet es auch nur 7,99 €, bei Amazon 15,95 € und bei Dussmann in der Friedrichstraße sicher­lich 19,90 €. Gestern habe ich bereits zum glei­chen Preis Jimi Hendrix’ »Are You Experienced«, James Lasts »Gold« und das aktu­elle U2-Album geladen. Da soll noch mal einer behaupten, dass sich mit guten Preisen nicht die Wirtschaft ankur­beln ließe.

Noch bis zum 29. März bietet Saturn diesen mörde­ri­schen Preis für 250.000 alte und aktu­elle Alben. Die Bedienung des Stores ist aller­dings etwas hakelig, und die ZIP-Dateien werden nicht ordent­lich gepackt, so dass man hier und da vom kostenlos ange­bo­tenen Nachladen Gebrauch machen muss. Die Auflösung der Cover-Art-Dateien schwankt beliebig, und in den Metadaten gibt es Schreibfehler (»Foxey Lady«). Bezahlen funk­tio­niert über Klick&Buy.


Sehr elegante internationale Presseschau

Der Flash-basierte Titelseiten-Betrachter »NEWScan« bietet einen schnellen Einblick in die tägliche Weltpresse, zur Zeit ein Dutzend englisch­spra­chige Zeitungen. Die Seiten werden groß genug darge­stellt, um Meldungen anzu­lesen. Auf Wunsch kann man komplette Exemplare als PDF laden. Die Seite bezieht ihre Inhalte von der Todays-front­pages-Seite des Newseum. Programmiert wurde sie von Designbüro Ryogram, das bereits früher mit Non-profit-Projekte zum Wohle der Allgemeinheit auffiel.


Das Twitter-Key-Visual ist vogelfrei oder …

Wenn ein Corporate Design gar keins ist
von Jürgen Siebert

Ich frage mich, wer sich mehr schadet: der Betreiber einer millio­nen­schweren Marke, die auf rech­te­freies Art-work aufbaut, oder ein Designer, der seine Ideen billig verscherbelt.

Das Twitter-Vögelchen stammt aus dem Micro-payment-Portal iStockphoto und liegt dort weiterhin zum Download bereit. Es kostet 10 iStockphoto-Dollar (= Credits), was einem Betrag von rund 12 US-Dollar entspricht, den sich das Portral und der Designer Simon Oxley irgendwie teilen. Als Twitter star­tete, soll der Piepmatz sogar nur 6 Dollar gekostet haben haben – ja, die Preise im Micro-Stock-Bereich sind am anziehen..

Man kann nicht gerade behaupten, dass der Erfolg von Twitter der Illustration Flügel verliehen hat. Sie wurde bis eben 431 mal gekauft, was einem Umsatz von viel­leicht 4000 Dollar (in 2 Jahren) entspricht. Doch Oxley hat noch 3773 weitere Pferdchen (man muss ange­meldet sein, um Oxley Portfolio zu sehen) – ähem Vögelchen – im Rennen, deren Downloads sich aller­dings in den seltesten Fällen über 0 bewegen. Im Deutschen Urheberrecht soll es einen Bestseller-Paragraphen 32 geben, den ich nicht kenne, aber es ermög­li­chen soll, einen Designer am späteren Erfolg seiner Arbeit partiz­pieren zu lassen. Keine Ahnung, ob iStockphoto diesen Paragraphen kennt oder ihn aushebelt.

Über die geringe Verbreitung seines Markenzeichens könnte sich Twitter nun freuen, doch sein Corporate Design ist faktisch keins, sondern eine marken­recht­liche Zeitbombe. Ich könnte – ohne Twitter zu fragen – T-Shirts, Tassen, Poster und andere Merchandising-Produkte mit dem Vögelchen entwerfen und verkaufen. Ich könnte sogar meine eigene Micro-Blogging-Plattform Zwitscher ganz legal wie Twitter aussehen lassen.


Wirbel um das Logo des NATO-Gipfels

Nato Summit Logo

Im April feiert die Nato 60-jähriges Jubiläum. Die Feierlichkeiten richten Deutschland und Frankreich gemeinsam aus. Der Nato-Gipfel am 3. und 4. April 2009 sollte in den Nachbarstädten Kehl und Straßburg statt finden. Kehl? Irgendwann merkten die Verantwortlichen, dass der 35.000-Einwohner-Ort für einen Gipfel mit 28 Staats- und Regierungschefs nicht geeignet ist (»Gipfel bei den Gartenzwergen«, Der Tagesspiegel). Also weicht die Nato kurzer­hand auf das 54 km entfernte Baden-Baden aus, eine erfah­rene Kongressstadt.

Nun war aber das Logo schon gestaltet und in die Welt gesetzt – ohne Baden-Baden drin. Mal abge­sehen davon, dass nur noch wenig Platz für ein »Baden-Baden« im Signet ist, will die Nato das Zeichen nicht mehr antasten. Es ginge um die Symbolik des Brückenschlages zwischen Deutschland und Frankreich und deshalb seien nur Straßburg und Kehl genannt.

Die Wirte und Hotelliers in der Kurstadt werten die Nichterwähnung als einen Schlag ins Gesicht. Der Kreisvorsitzende des örtli­chen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA), Hans Schindler, sagte: »Das Festbankett findet in Baden-Baden statt.« Und wenn die Fernsehbilder um die Welt gingen, werde das Logo einge­blendet. Dies sei nicht in Ordnung, klagte Schindler. Seine Sorge sei, dass bei den nach­fol­genden Generationen die Rolle von Baden-Baden als Veranstaltungsort in Vergessenheit geraten könne. »Wenn man in zehn Jahren im Internet in Google nach dem Ereignis sucht, taucht an erster Stelle Kehl auf«, gab Schindler weiter zu Bedenken.

Da habe ich eine Lösung, mein Alternativlogo, mit Baden-Baden drin. Das können sich die Gastwirte auf ihre Webseiten kleben, in die Fenster hängen und in die Speisekarten einbauen. Und wenn alle mitma­chen, dann wird die Google-Bildersuche auch in 10 Jahren das alter­na­tive Baden-Baden-Logo zum Nato-Gipfel 2009 ganz oben in der Ergebnisliste zeigen.

Logo-Garniervorschlag für die Baden-Badener Hotels und Gaststätten:

Bad Nato Summit Logo


Schluss mit den schönen »kleinen Preisen«

Im Juli 2008 hat das Bundeskartellamt den Zusammenschluss der Discountketten Netto (gehört zu Edeka) und Plus (Tengelmann) geneh­migt. Damit entsteht im deut­schen Lebensmittelhandel ein neuer Billiganbieter – der dritt­größte hinter Aldi und Lidl – mit 3800 Filialen, 50 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr. Nur noch fünf Konzerne beherrschten heute 90 Prozent des Marktes: Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Tengelmann.

Zur Zeit werden die 2500 Plus-Märkte in Netto-Märkte umge­wan­delt. Damit verschwindet eines der markan­testen Corporate Designs in der deut­schen Geschäftslandschaft. Die Plus-Hausfarben Orange/Blau hatten einen hohen Wiedererkennungswert, auch typo­gra­fisch war Plus mit seiner abge­run­deten, »euro­sti­ligen« Exklusivschrift führend im Discount-Bereich (mal abge­sehen von ALDI Süd).

Damit ist nun Schluss. In der Plus-Filiale gegen­über FontShop (Bergmannstraße) hängen schon die ersten Ekel-Netto-Schilder (Foto oben). Sie zeigen voll­kommen wirr zusam­men­ge­wür­felte Wortgebilde auf farbigen Flächen, ohne ein Spur Gestaltung: PREISSENKUNG – GROSSE – 500 – auf Dauer – Discountpreise – BILLIGEN PREISE. Auf ähnli­chem Niveau heute die Anzeige in den Berliner Tageszeitungen (Abbildung ganz oben).

Nun wird mancher argu­men­tieren: Wer billig verkauft darf auch billig aussehen. Dem stimme ich (1.) nicht zu, weil sich die Ansprüche der Verbraucher gewan­delt haben und (2.) sind die Netto-Drucksachen nicht billig gestaltet, sondern einfach nur lieblos zusam­men­ge­kloppt. Wenn die ihre Waren mit der glei­chen Leidenschaft auswählen, einkaufen und prüfen …


Typografischer Relaunch bei Audi

Wer sich die jüngsten Printanzeigen von Audi genauer anschaut, wird eine subtile typo­gra­fi­sche Neuerung entde­cken. Der Automobilhersteller verwendet nicht mehr die vor rund 12 Jahren von MetaDesign einge­führte und modi­fi­zierte Univers Extended – ›Audi Sans‹ genannt, sondern die neue AudiType. Auch für dieses Facelifting ist MetaDesign verant­wort­lich, das sich von Paul van der Laan (Type-inva­ders) und Pieter van Rosmalen (Caketype) eine neue Schriftfamilie für Audi entwerfen ließ. Paul und Pieter haben beide Typedesign an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in Den Haag studiert.

Offiziell haben weder Audi noch seine CI-Agentur ein Wort über den typo­gra­fi­schen Relaunch verloren. Ohne die Beweggründe genauer zu kennen, entdecke ich auch im Bereich Schrift eine Politik der kleinen Schritte. Das Fundament, oder sagen wir ruhig »Fahrgestell«, bleibt erhalten – Schriftbreite, Grauwert, Metrik –, doch die Karosserie wurde verfei­nert. Und dies sehr elegant, weg vom Statischen hin zum Dynamischen, Höherwertigen.

Auf der TYPO 2007 hat Carl-Frank Westermann von MetaDesign diese Strategie sehr detail­liert für das Audi-Sound-Branding erläu­tert, insbe­son­dere das akus­ti­sche Ending der Werbespots. Mit feinen Eingriffen in den Obertönen haben die MetaDesigner dem 2-Sekünder eine höhere Wertigkeit verliehen. Auch bei der Schrift scheint diese Operation vorzüg­lich gelungen.