Bei »Brüssel« stellte ich die Ohren auf Durchzug
Das Team der KircherBurkhardt Infografik präsentiert heute »voller Stolz seine neueste Publikation ›Brüssel unter der Lupe‹ – eine interaktive Besichtigungstour quer durch Europas politische Hauptstadt. Politische Prozesse und Institutionen als bewegte Comic-Bilder – von dieser Seite hat man Brüssel noch nicht gesehen.«
Ich war schon mal in Brüssel, vor 20 Jahren, aber nur um eine Schneekugel mit dem Atomium drin für meine Sammlung zu kaufen. Die Stadt interessiert mich Null. Dabei ist sie fast täglich in den Nachrichten. Vielleicht ist das gerade der Grund für meine Ignoranz. Denn was hört unsereins denn so aus Brüssel: europäische Politiker auf Tauchkurs, blödsinnige Gesetze zu Glühbirnen und Pommes-Frites-Durchmesser, unmenschliche Bürobauten, eine gesichtslose Verwaltungsstadt. Das sind meine erbärmlichen Vorurteile, deren Ursachen ich nur zu einem kleinen Teil bei mir selbst suche.
Die Bertelsmann-Stiftung scheint das Problem von Brüssel zu kennen. Auf faz.net hat sie die oben erwähnte Flash-Infografik Brüssel unter der Lupe eingerichtet. Wäre das interaktive Werk nicht aus dem Hause KircherBurkhardt, hätte ich die Seite gar nicht erst besucht – es sei denn, London, New York oder Paris wäre ihr Gegenstand gewesen. Aber Brüssel …Die Arbeit von KircherBurkhardt dagegen schätze ich sehr.
Ich hab’s dann doch getan, ich habe Brüssel unter die Lupe genommen. Und es war gut. Auch wenn ich die europäische Hauptstadt nicht gleich zum Ziel unseres nächsten Familineurlaubs erkoren habe, sie ist mir ein Stück näher gerückt. Die Grafiken sind verspielt, aber nicht kindisch. Die Animationen sind elegant, ohne Selbstzwecke. Die Texte hervorragend geschrieben und komfortabel als PDF zu laden. Es braucht mehr solcher Initiativen. Gut, dass die Politik langsam erkennt, wer ihre »Kunden« sind und dass man sie umwerben muss.
Gerhard Richter, Pet Shop Boys, Farrow
Eben liefert mir die Creative Review die Essenz aus den letzten beiden Fontblog-Beiträgen: Gutes Design verkauft und ist gleichzeitig umweltschädlich. Das beweist die limitierte Vinyl-Edition des aktuellen Pet-Shop-Boys-Album »Yes«: Jeder der 11 Songs wird auf einer separaten schwarzen Scheibe geliefert; aus den 11 Hüllen kann man das Covermotiv legen, ein gepixeltes Yes-Häkchen im Stil von Gerhard Richters 4900 Colours. Verantwortlich für das PSB-Artwork ist wieder Farrow.
Ich habe mir das Album vor einer Woche auf die ökologischste und gleichzeitig preiswerteste Art zugelegt: bei Saturn, im Download (MP3, 320 kbits/s) für 4,99 €. Leider 100 % designfrei. Das Album-Angebot wurde inzwischen gesperrt (nur noch Einzeltitel für 0,99 €).
Bundesregierung und BDG: Design stärkt den Mittelstand
Im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung hat die iDD Initiative Deutscher Designverbände gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 24. März 2009 die Veranstaltung »Design stärkt den Mittelstand« durchgeführt. Vor 200 Teilnehmern zeigten vier Unternehmer verschiedener Wirtschaftsbereiche anhand von Beispielen, wie Design als ganzheitlicher Teil der Strategie ihre Unternehmensentwicklung vorantreibt. Der BDG zieht in einer Pressemitteilung das folgende Resümee:
»Dagmar G. Wöhrl, MdB und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, betonte in Ihrer Eröffnungsrede: ›Design kann eine wertvolle Investition in die Zukunft sein. Es kann die Wertschöpfung kleiner und mittlerer Unternehmen erheblich steigern.‹ (siehe auch Pressemitteilung des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie)
Podiumsdiskussion mit den Referenten v. l. n. r.: Thomas Trenkamp (Carpet Concept), Tim Wichmann (Dominic Schindler Creations), Reinhold Seitz (Gildemeister ), Erik Spiekermann (edenspiekermann), Götz Esslinger (Stefanie Hering), Cornelia Horsch (IDZ Berlin), Bernd-Wolfgang Wissmann (BMWI), Susanne Lengyel (Sprecherin iDD, Präsidentin VDID)
Henning Krause unterstrich für die iDD als Präsident des Bundes Deutscher Grafik-Designer und Vizepräsident des Deutschen Designertages in seiner Keynote, dass Design als strategisch-gestalterisches Instrument für Unternehmen erhebliche Potentiale im Wettbewerb eröffnet.
Gleich der erste Redner, Andreas Dornbracht, Geschäftsführer der Aloys F. Dornbracht GmbH & Co KG, stellte klar, dass Designorientierung eine Managementaufgabe sei und langfristige Orientierung brauche. Am Beispiel seines Unternehmens konnte er anhand der historischen Entwicklung klar die Wirkung von Design als Erfolgsfaktor herausarbeiten.
Auch Thomas Trenkamp, geschäftsführender Gesellschafter der Carpet Concept GmbH, zeigte im Anschluss, wie er mit konsequenter Designorientierung sein 1993 gegründetes Unternehmen zu einem enormen Erfolg geführt hat – über 60 Designpreise sprechen eine deutliche Sprache.
Im Anschluss stellten Götz Esslinger, Geschäftsführer von Hering Berlin und Erik Spiekermann von edenspiekermann dar, wie Produkt- und Kommunikationsdesign Hand in Hand bei der schlüssigen Positionierung der hochwertigen Porzellankollektion von Hering Berlin wirken.
Reinhold Seitz von der Gildemeister AG erläuterte abschließend, gemeinsam mit Produktdesigner Tim Wichmann, wie Engineering und Design die Gestaltung von Investitionsgütern gleichberechtigt vorantreiben. Die vorgestellte neue Produktreihe spanender Werkzeugmaschinen besticht durch sehr hohe Wertstabilität und eine Fülle funktioneller Problemlösungen.
In Ihrer Schlussnote wies Cornelia Horsch vom IDZ Internationales Design Zentrum Berlin auf die Bedeutung des Designmanagements hin und griff die von Henning Krause in seiner Keynote aufgestellte Forderung nach einer deutschen Studie zu Designeffizienz auf.
Die Veranstaltung wurde allgemein als großer Erfolg gewertet. Im anschließenden Get-together wurden neue Kontakte geknüpft. Vertreter der deutschen Industrie zeigten Interesse an einer weiteren Verstetigung des Designdialoges.«
Kann es eine »grüne« Schrift geben?
Hendrik H. hat sich heute mit folgender Frage an FontShop gewendet: »Gibt es Schriften, die unter ›grünen‹ Gesichtspunkten gestaltet worden sind? Meine bisherige Recherche hat bloß den schon von Ihnen besprochenen ecofont und die EverGreen zum Ergebnis gehabt. Beiden glänzen jedoch eher durch Augenwischerei denn durch einen tatsächlichen ökologischen Nutzen. Die üblichen Ansätze – geringe Laufweite, Hairline, serifenlos – sind ja eher genereller Natur. Ich denke da mehr an so etwas wie ›gleicher Schwarzwert trotz geringerem Farbauftrag‹ oder ähnlichem. Sollten Sie auf meine Frage eine Antwort haben oder sie sogar im Fontblog veröffentlichen, würde ich mich sehr darüber freuen.«
Frank-Walter Steinmeier tappt in Crowdsourcing-Falle
Dass ich rein gar nichts von Crowdsourcing halte, ist weitgehend bekannt (siehe auch: Die Utopie Design-Crowdsourcing ist tot). Viele Versuche endeten im Mittelmaß, andere scheiterten komplett, zum Beispiel das Redesign des Spreeblick-Logos und der Selbstversuch von shopbetreiber.de (Fontblog berichtete hier und hier).
Leider hat sich diese Erkenntnis nicht bis zur SPD bzw. ihrer Online-Agentur A&B Face2Net herumgesprochen. Diese suchte nämlich seit Februar über die Crowdsourcing-Plattform Jovoto ein Logo für den anstehenden Bundestags-Wahlkampf des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier: »2009 ist Superwahljahr in Deutschland. Die SPD startet einen Contest für ihren Kanzlerkandidaten. Für Frank-Walter Steinmeier. Die Aufgabe ist es, ein Signet für den SPD-Kanzlerkandidaten zu entwerfen.«
Am 24. März meldete Jovoto Vollzug: Die Community hat entschieden, der Frank-Walter-Steinmeier-Contest ist beendet. Knapp 350 Beiträge in über 1100 Versionen wurden von der Jovoto-Community eingereicht. Über mehrere Wochen wurden die Beitrage von den Mitgliedern mit 2432 Kommentaren diskutiert und schließlich mit 10.000 Bewertungen die Gewinner des Wettbewerbes gewählt. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen entschied sich die Community für das oben abgebildete »Auf. Stufe für Stufe.« vom Jovoto-Mitglied Berkeley. Weitere Crowdsourcing-Ergüsse auf der dieser Seite der Remscheider Jusos.
Wenn es um Qualität geht, ist Masse das Gegenteil von Klasse. Ich prophezeie, dass Steinmeier das Runen-Logo garantiert nicht verwenden wird. Kommentare im Jovoto-Blog und beim Designtagebuch sprechen eine deutliche Sprache. Fazit: 5000 € Preisgeld in den Sand gesetzt, aber wenigstens 350 Menschen beschäftigt.
Fontnäpfchen (15): Franz Ferdinand
Gestern Abend vor der C0lumbiahalle … (Foto: Mirko Dass, codestorm)
Europapremiere auf den Designtagen Wiesbaden
»Papier« lautet das Thema einer Abendveranstaltung im Rahmen der Designtage Wiesbaden. Nach ihrem erfolgreichen Opening Event rund um die Schrift Helvetica im vergangenen Jahr setzt die Agentur Q den Schwerpunkt diesmal auf den Werkstoff Papier. Am 16. April 2009 um 19.30 Uhr präsentiert Q den Dokumentarfilm »Between the Folds« (USA 2008, 55 Min., OmU). Der Streifen stellt internationale Künstler und Forscher vor, die ihr Leben einzig und allein der Auseinandersetzung mit Papier widmen. Er bietet Einblicke in die Welt der Papiertüftler und Kunstfalter. »Between the Folds« wurde auf Filmfestivals in den USA bereits mit Preisen ausgezeichnet. Die Vorführung in Wiesbaden ist die europäische Premiere für »Between The Folds«.
Zur Feier des Tages hat der Origamikünstler Sipho Mabona sein Erscheinen zugesagt. Er wird im historischen Spiegelsaal des Walhalla Theaters berichten, wie durch seine Kunstfertigkeit der berühmte Asics-Origamispot (u. a. Gold beim New York Festival) entstand.
Wichtig: Für die Veranstaltung gibt es keine Tickets an der Abendkasse. Anmeldungen sind nur vorab auf dieser Seite möglich …
Robothon 2009 jetzt als Video-Podcast
Die gesamte Robothon-2009-Konferenz ist jetzt als Video (noch mal) zu erleben: http://letterror.blip.tv/#1921037