Die Kunst der Eigenwerbung [Update]
Der Volksmund sagt »Die Schuster tragen die schlechtesten Schuhe«, was so viel heißt wie: Sie machen gute Arbeit, zeigen es aber nicht unbedingt am eigenen Fuß. Der Spruch stammt aus einer Epoche, als Werbung noch Reklame hieß und Schuster sowieso keine Zeit hatten, ihre Werkstatt zu verlassen. Heute hat jeder Handwerker ein Logo und betreibt sein eigenes Marketing. Natürlich auch Design- und Werbeagenturen … obwohl mancher ihrer Werbeauftritte an die alte Schustermentalität erinnert. Nicht ohne Grund sprachen wir hier im Fontblog häufig über die Selbstdarstellung der Designszene.
Eigenwerbung hat für den ein oder anderen Kreativen einen negativen Beigeschmack. Vielleicht stehen sie mit dem Thema auf Kriegsfuß, weil sie nicht angeben möchten. Die Autoren des neuen Buches »The Big Book of Self Promotion« (englisch, Gingko Press, 1. Auflage, 384 Seiten) geben Entwarnung un machen Mut: »Eigenwerbung bedeutet pure Freiheit, denn Du selbst sitzt am Steuer Deiner Kampagne und bestimmst, mit wem Du arbeiten möchtest … anstatt auf das Wohlwollen eines Klienten angewiesen zu sein.«
Warum ist das so. »Wer sich und seine Leistung verständlich bewirbt und wenn diese Botschaft mit dem Bedarf im Marktes übereinstimmt, dann klingeln schon am nächsten Tag die Telefone. … Und dann kommt deine Freiheit zum tragen, dann suchst du dir die Kunden und Produkte aus, dir zu deinem Profil passen.« Klingt eigentlich ganz einfach, ist es aber nicht – das wissen wir alle aus eigener Erfahrung. Doch nach dem Studium diese Buches ist es in jedem Fall einfacher, und man vermeidet Fehler. Und deshalb empfehle ich es gerade hier im Fontblog gerne.
Bereits in der zweiseitigen Einleitung geben die Designberater Peleg Top und Ilise Benun (Gründer von Marketing Mentor, ein Marketingberatung für selbstständige Kreative) eine hilfreiche Liste mit 7 Regeln aus der Hand, die Gold wert sind. Es folgen auf über 350 Seiten Beispiele erfolgreicher Eigenwerbung aus dem Bereich Kommunikationsdesign. Die Auswahl hierfür traf die Herausgeberin Suzanna MW Stephens, Gründerin von Designs on You! und eine erfahrene Buchkonzeptionerin.
Das Buch gliedert sich in 5 Kapitel:
• Self-Promotion by Designers and Design Firms
• Promotions Created for Paying Clients
• Holiday and Seasonal Promotions
• Wearable, Games, and Miscellaneous Items
• Promotions for Nonprofit Orgaizations
Dazwischen eingestreut befinden sich auf 12 Doppelseiten ausführlich dargestellte Fallbeispiele, zum Beispiel die Selbstdarstellung einer Tierstiftung, mehrere Wandkalenderprojekte, eine vorbildliche Arbeit des australischen Büro North, eine Kommunikationskampagne für einen Hochzeitsfotografen auf Hawaii, Taschen für einen kalifornischen Instrumentenbauer und Factor Design US stellen ihre eigene Promo-Box ausführlich vor. Amüsant für deutsche Leser: Als das Büro Hornall Anderson (Seattle, Washington) 25 Jahre alt wurde, konzipierte es eine nette Kampagne um das Wort »Fünfundzwanzig«, denn »für amerikanischen Augen steckt da gleich zweimal ›fun‹ drin.«
[Uodate] Das Buch kostet bei FontShop 45 € (bei Amazon 38,29 €, »versandfertig in 1 bis 2 Monaten«). FontShop hat es auf Lager und versendet noch heute, natürlich versandkostenfrei.
Gute Nachricht für alle Carson-Fans
Erst die schlechte Nachricht: Unser Produkt der Woche Nº 27 (»Trek« von David Carson) ist beim Verlag ausverkauft.
Jetzt die gute: FontShop hat sie. Sie sollen am Montag nachmittags hier in Berlin eintreffen. Wir versenden sie bis spätestens Dienstag an alle, die bis gestern bei FontShop bestellt haben. An alle!
Studie: Die Lage der selbstständigen Designer
Im April startete der BDG eine Umfrage um herauszufinden, wie es jungen Designern nach dem Berufsstart eigentlich so gehe. 632 Designer haben teilgenommen. Die Zahlen sind nun ausgewertet. Die Auswertung gibt es hier als PDF (19 Seiten, 84 KB) zum Download.
Fazit: Jeder zweite Designer sieht sich gut gestartet und räumt sich gute Perspektiven (52,2 %) ein, dazu kommen noch weitere 28 %, die eher nicht gut anfingen, aber gute Perspektiven haben. Nur ein Achtel ist unzufrieden (schlecht gestartet, schlechte Perspektiven: 10,7 %, ich denke ans Aufhören: 2 %). Mehr als drei Viertel sind sehr zufrieden (12 %) oder zufrieden (64,7 %). Nur ein knappes Viertel ist unzufrieden (17,2 %) oder frustriert (2,5 %). Hier deckt sich der Anteil der frustrierten Designer mit denen, die aufhören wollen.
Ein ziemlich gemischtes Urteil wurde über die beteiligten Behörden gefällt. Etwa die Hälfte erlebte die Behörden als hilfreich (43,2 %) oder wohlwollend und hilfsbereit (8,2 %). Die andere Hälfte dagegen als nicht sehr hilfsbereit (29,4 %) bis nicht hilfsbereit (9,2 %). Die fehlenden Prozentpunkte (9,1 %) entfallen auf das freie Eingabefeld, das rege genutzt wurde und bei dem sich Unmut über einzelne Behörden Bahn brach, manche aber auch angaben,
gar nichts mit Behörden zu tun gehabt zu haben.
Schließlich stellten wir die Gretchenfrage, ob sich die Teilnehmer wieder selbstständig machen würden. Das Ergebnis fiel sehr eindeutig aus: 90,5 % würden es wieder tun!
Kleine Fontblog-Meldungen
Mich erreichen vermehrt Anfrage, ob Fontblog weniger Beiträge als früher veröffentlicht. Das ist sicher richtig. Vor allem die kleinen Verweise und Tipps, für die keine Abbildung nötig ist, lade ich komplett über Twitter ab: hier die Fontblog-Seite auf Twitter, oben der 1:1-Screenshot der jüngsten Kurzmeldungen aus meiner Feder. Diesen Kanal schätzen bereits 2409 Follower … so heißen die angemeldeten Twitter-User, die Nachrichten eines anderen regelmäßig lesen. Um die Fontblog-Twitter-Nachrichten zu lesen, muss man nicht selbst bei Twitter registriert sein, sondern das Abonnemens dieses RSS-Feeds reicht aus. Unverändert hier im Fontblog: Hintergrundberichte, Rezensionen, Hochschul-Tipps, Designdiskurs, alles Tiefschürfende.
Komfortable Bildersuche bei ZOOM
Wie der ZOOMfeed eben meldet, wurde auf www.zoomimages.de heute eine Funktion freigeschaltet, die das gleichzeitige Suchen nach Einzelbildern und CDs gestattet. Auf diese Weise erkennen Bildredakteure jetzt sofort den – bislang verborgenen – Mengenrabatt durch den Erwerb einer CD mit 70 bis 120 Fotos.
Stadtgespräche: Spurenlese im urbanen Raum
Der Wiener Kommunikationsdesigner und Markenentwickler Markus Hanzer zählt zu den klügsten Köpfen der deutschsprachigen Designszene. Dies bewies er zuletzt wieder auf der TYPO Berlin 2009 mit seiner fesselnden Präsentationen zum Thema »Real Space vs Virtual Space« (hier ein PDF des Vortrags, 45 S., 2,7 MB). Hauptberuflich betreut Hanzer große Medienunternehmen, darunter viele Fernsehanstalten. Darüber hinaus lehrt er an der FH Salzburg sowie an der Angewandten in Wien. Privat treibt ihn seit Jahren eine große Leidenschaft an, nämlich Buchstaben und Schilder im öffentlichen Raum.
Deswegen wurde Hanzer auch Museumsdirektor des virtuellen Typemuseum, das ich schon öfters zitiert habe. Aus diesem entwickelte sich vor einiger Zeit die Internetseite Stadtgespräche mit Fotografien aus dem öffentlichen Raum. Auf Reisen liest er die vielfältige (typo)grafische Zeichen der Städte wie Romane. Seine Sammlung blickt auf die sichtbare Oberfläche unserer Umwelt und analysiert systematisch, welche Motive das Erscheinungsbild unserer Umwelt prägen. Welche Zeichen und Botschaften lassen wir in unser Bewusstsein dringen? Wie funktionieren die Selektionsmechanismen unserer Wahrnehmung? Welchen typografischen Formen messen wir Bedeutung zu? Woran orientieren wir uns?
Doppelseite aus »Krieg der Zeichen»: »Identitätsstiftende Zeichensysteme – Briefkästen, Postboten, Poststationen – verschwinden langsam aus dem Stadtbild«
Jetzt gibt es – nach vielen Jahren Sammeltätigkeit – das Buch zu den Stadtgesprächen, das eine Zwischenbilanz zieht. Und dies zu einer interessanten Zeit. Warum? Markus Hanzer verriet es mir in einem Gespräch: »Der öffentliche Raum stand noch nie so im Mittelpunkt wie heute. Durch die Zersplitterung der Medien Fernsehen und Zeitschriften entwickelte er sich zum einzig verbleibenden Gemeinsamen.« Die Menschen sprechen nicht mehr über Fernsehsendungen, die am Abend zuvor Millionen gesehen hatten. Die Zeitungen verlieren an Bedeutung, Plattenfirmen gelingt wahrscheinlich nie mehr ein weltweiter Megahit. Stattdessen gewinnen Konzerte neu an Bedeutung, Sportfans zeigen mit Fahnen und Bemalung, welche Mannschaft sie unterstützen, globale Konzerne inszenieren in den Großstädten haushohe Botschaften.
Doppelseite aus »Krieg der Zeichen»: »Wo die Bewohner eines Hauses auch dessen Nummerierung stolz als Ausdruck und sichtbaren Repräsentanten ihrer Identität betrachten, werden Hausnummern zum Zwecke der Inszenierung eingesetzt.«
Die Hälfte der Menschheit lebt in Städten, Tendenz: zunehmend. Die Fähigkeit Spuren zu lesen, Spuren zu hinterlassen, aber auch zu verwischen besitzt eine zentrale Bedeutung im Alltag, nicht nur unter Jugendlichen. Die unentwegte Beschäftigung mit Spuren hinterlässt auch deutliche Spuren in unserem Denken. Dieses Buch versucht, die realen und erinnerten Zeichenfassaden unserer Lebensräume aufzureißen. Das Buch hat mich fasziniert. Selten wurde so klug über Design geschrieben, mit akademischer Akkuratesse, dabei bodenständig, verständlich und mit den Augen eines Praktikers. Großartig! Es ist meines Wissens das erste Buch, das sich allen Aspekten der grafischen Welt im öffentlichen Raum widmet: von den Leit- und Verkehrssystemen über Werbung und Ladenbeschilderung bis hin zu Graffiti, Kunst und privaten Zeichen.
Doppelseite aus »Krieg der Zeichen»: »Optische Heimat: Sind wir auf dem Weg in eine Gesellschaft, in der alle eine Chance bekommen, gehört zu werden?«
Das Buch kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, denn in Wien findet gerade eine Ausstellung zu Markus Hanzers Lieblingsthema statt, von ihm kuratiert. Wer dort wohnt oder eine Wienreise plant, sollte sich die Spurenlesen im urbanen Raum nicht entgehen lassen, im Designforum (noch bis 30. 8. 2009, Quartier21/MQ, Museumsplatz 1).
Die Ausstellung beleuchtet die Macht der Zeichen zwischen Information, Orientierung und dem Kampf um Kunden. Eine breit aufgefächerte Darstellung und Analyse unserer optischen Heimat bietet den Besucherinnen und Besuchern auch Gelegenheit sich aktiv mit den Zeichen auseinanderzusetzen und selbst Spuren zu hinterlassen.
Krieg der Zeichen: Spurenlesen im urbanen Raum kostet 39,80 €. Bei FontShop kaufen …
Deutscher Typografie-Eventkalender
Dan Reynolds und Indra Kupferschmid sind die reisefreudigsten Typografie-Aktivisten in Deutschland. Dan hat vor 5 Jahren den ersten Typostammtisch in Offenbach ins Leben gerufen, viele folgten … zuletzt der in Saarbrücken, initiiert von Indra. Da lag es nur nahe, die Meilensteine der deutschen Typografie-Treffen in einen gemeinsamen Kalender zusammen zu führen. Lest mehr dazu und abonniert ihn auf dieser Seite …
Letzter Aufruf für alle Schnäppchenjäger
Mein Lieblingstitel auf dem Gossip-Album »Music for Men« ist der erste Song, Dimestore Diamond (iTunes-Link). Er handelt von einer Frau, die sich mit Vorliebe in Billigläden einkleidet und die Haare selbst schneidet. Alle bewundern sie, aber niemand ahnt, dass sie ein Pfennigladendiamant ist.
Wie komme ich jetzt darauf … ach so: Der Axel-Dimestore ist nur noch 2 Tage geöffnet. Jetzt zugreifen. Wer nicht mehr weiß, warum, schaue bitte noch mal hier nach: Axel, die neue Spiekermann.