Fontblog Artikel des Jahres 2009

Die Kunst der Eigenwerbung [Update]

Der Volksmund sagt »Die Schuster tragen die schlech­testen Schuhe«, was so viel heißt wie: Sie machen gute Arbeit, zeigen es aber nicht unbe­dingt am eigenen Fuß. Der Spruch stammt aus einer Epoche, als Werbung noch Reklame hieß und Schuster sowieso keine Zeit hatten, ihre Werkstatt zu verlassen. Heute hat jeder Handwerker ein Logo und betreibt sein eigenes Marketing. Natürlich auch Design- und Werbeagenturen … obwohl mancher ihrer Werbeauftritte an die alte Schustermentalität erin­nert. Nicht ohne Grund spra­chen wir hier im Fontblog häufig über die Selbstdarstellung der Designszene.

Eigenwerbung hat für den ein oder anderen Kreativen einen nega­tiven Beigeschmack. Vielleicht stehen sie mit dem Thema auf Kriegsfuß, weil sie nicht angeben möchten. Die Autoren des neuen Buches »The Big Book of Self Promotion« (englisch, Gingko Press, 1. Auflage, 384 Seiten) geben Entwarnung un machen Mut: »Eigenwerbung bedeutet pure Freiheit, denn Du selbst sitzt am Steuer Deiner Kampagne und bestimmst, mit wem Du arbeiten möch­test … anstatt auf das Wohlwollen eines Klienten ange­wiesen zu sein.«

Warum ist das so. »Wer sich und seine Leistung verständ­lich bewirbt und wenn diese Botschaft mit dem Bedarf im Marktes über­ein­stimmt, dann klin­geln schon am nächsten Tag die Telefone. … Und dann kommt deine Freiheit zum tragen, dann suchst du dir die Kunden und Produkte aus, dir zu deinem Profil passen.« Klingt eigent­lich ganz einfach, ist es aber nicht – das wissen wir alle aus eigener Erfahrung. Doch nach dem Studium diese Buches ist es in jedem Fall einfa­cher, und man vermeidet Fehler. Und deshalb empfehle ich es gerade hier im Fontblog gerne.

Bereits in der zwei­sei­tigen Einleitung geben die Designberater Peleg Top und Ilise Benun (Gründer von Marketing Mentor, ein Marketingberatung für selbst­stän­dige Kreative) eine hilf­reiche Liste mit 7 Regeln aus der Hand, die Gold wert sind. Es folgen auf über 350 Seiten Beispiele erfolg­rei­cher Eigenwerbung aus dem Bereich Kommunikationsdesign. Die Auswahl hierfür traf die Herausgeberin Suzanna MW Stephens, Gründerin von Designs on You! und eine erfah­rene Buchkonzeptionerin.

Das Buch glie­dert sich in 5 Kapitel:

• Self-Promotion by Designers and Design Firms
• Promotions Created for Paying Clients
• Holiday and Seasonal Promotions
• Wearable, Games, and Miscellaneous Items
• Promotions for Nonprofit Orgaizations

Dazwischen einge­streut befinden sich auf 12 Doppelseiten ausführ­lich darge­stellte Fallbeispiele, zum Beispiel die Selbstdarstellung einer Tierstiftung, mehrere Wandkalenderprojekte, eine vorbild­liche Arbeit des austra­li­schen Büro North, eine Kommunikationskampagne für einen Hochzeitsfotografen auf Hawaii, Taschen für einen kali­for­ni­schen Instrumentenbauer und Factor Design US stellen ihre eigene Promo-Box ausführ­lich vor. Amüsant für deut­sche Leser: Als das Büro Hornall Anderson (Seattle, Washington) 25 Jahre alt wurde, konzi­pierte es eine nette Kampagne um das Wort »Fünfundzwanzig«, denn »für ameri­ka­ni­schen Augen steckt da gleich zweimal ›fun‹ drin.«

[Uodate] Das Buch kostet bei FontShop 45 € (bei Amazon 38,29 €, »versand­fertig in 1 bis 2 Monaten«). FontShop hat es auf Lager und versendet noch heute, natür­lich versandkostenfrei.


Gute Nachricht für alle Carson-Fans

Erst die schlechte Nachricht: Unser Produkt der Woche Nº 27 (»Trek« von David Carson) ist beim Verlag ausverkauft.
Jetzt die gute: FontShop hat sie. Sie sollen am Montag nach­mit­tags hier in Berlin eintreffen. Wir versenden sie bis spätes­tens Dienstag an alle, die bis gestern bei FontShop bestellt haben. An alle!


Studie: Die Lage der selbstständigen Designer

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Im April star­tete der BDG eine Umfrage um heraus­zu­finden, wie es jungen Designern nach dem Berufsstart eigent­lich so gehe. 632 Designer haben teil­ge­nommen. Die Zahlen sind nun ausge­wertet. Die Auswertung gibt es hier als PDF (19 Seiten, 84 KB) zum Download.

Fazit: Jeder zweite Designer sieht sich gut gestartet und räumt sich gute Perspektiven (52,2 %) ein, dazu kommen noch weitere 28 %, die eher nicht gut anfingen, aber gute Perspektiven haben. Nur ein Achtel ist unzu­frieden (schlecht gestartet, schlechte Perspektiven: 10,7 %, ich denke ans Aufhören: 2 %). Mehr als drei Viertel sind sehr zufrieden (12 %) oder zufrieden (64,7 %). Nur ein knappes Viertel ist unzu­frieden (17,2 %) oder frus­triert (2,5 %). Hier deckt sich der Anteil der frus­trierten Designer mit denen, die aufhören wollen.

Ein ziem­lich gemischtes Urteil wurde über die betei­ligten Behörden gefällt. Etwa die Hälfte erlebte die Behörden als hilf­reich (43,2 %) oder wohl­wol­lend und hilfs­be­reit (8,2 %). Die andere Hälfte dagegen als nicht sehr hilfs­be­reit (29,4 %) bis nicht hilfs­be­reit (9,2 %). Die fehlenden Prozentpunkte (9,1 %) entfallen auf das freie Eingabefeld, das rege genutzt wurde und bei dem sich Unmut über einzelne Behörden Bahn brach, manche aber auch angaben,
gar nichts mit Behörden zu tun gehabt zu haben.

Schließlich stellten wir die Gretchenfrage, ob sich die Teilnehmer wieder selbst­ständig machen würden. Das Ergebnis fiel sehr eindeutig aus: 90,5 % würden es wieder tun!


Kleine Fontblog-Meldungen

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Mich errei­chen vermehrt Anfrage, ob Fontblog weniger Beiträge als früher veröf­fent­licht. Das ist sicher richtig. Vor allem die kleinen Verweise und Tipps, für die keine Abbildung nötig ist, lade ich komplett über Twitter ab: hier die Fontblog-Seite auf Twitter, oben der 1:1-Screenshot der jüngsten Kurzmeldungen aus meiner Feder. Diesen Kanal schätzen bereits 2409 Follower … so heißen die ange­mel­deten Twitter-User, die Nachrichten eines anderen regel­mäßig lesen. Um die Fontblog-Twitter-Nachrichten zu lesen, muss man nicht selbst bei Twitter regis­triert sein, sondern das Abonnemens dieses RSS-Feeds reicht aus. Unverändert hier im Fontblog: Hintergrundberichte, Rezensionen, Hochschul-Tipps, Designdiskurs, alles Tiefschürfende.


Komfortable Bildersuche bei ZOOM

Wie der ZOOMfeed eben meldet, wurde auf www​.zoomi​mages​.de heute eine Funktion frei­ge­schaltet, die das gleich­zei­tige Suchen nach Einzelbildern und CDs gestattet. Auf diese Weise erkennen Bildredakteure jetzt sofort den – bislang verbor­genen – Mengenrabatt durch den Erwerb einer CD mit 70 bis 120 Fotos.


Stadtgespräche: Spurenlese im urbanen Raum

Der Wiener Kommunikationsdesigner und Markenentwickler Markus Hanzer zählt zu den klügsten Köpfen der deutsch­spra­chigen Designszene. Dies bewies er zuletzt wieder auf der TYPO Berlin 2009 mit seiner fesselnden Präsentationen zum Thema »Real Space vs Virtual Space« (hier ein PDF des Vortrags, 45 S., 2,7 MB). Hauptberuflich betreut Hanzer große Medienunternehmen, darunter viele Fernsehanstalten. Darüber hinaus lehrt er an der FH Salzburg sowie an der Angewandten in Wien. Privat treibt ihn seit Jahren eine große Leidenschaft an, nämlich Buchstaben und Schilder im öffent­li­chen Raum.

Deswegen wurde Hanzer auch Museumsdirektor des virtu­ellen Typemuseum, das ich schon öfters zitiert habe. Aus diesem entwi­ckelte sich vor einiger Zeit die Internetseite Stadtgespräche mit Fotografien aus dem öffent­li­chen Raum. Auf Reisen liest er die viel­fäl­tige (typo)grafische Zeichen der Städte wie Romane. Seine Sammlung blickt auf die sicht­bare Oberfläche unserer Umwelt und analy­siert syste­ma­tisch, welche Motive das Erscheinungsbild unserer Umwelt prägen. Welche Zeichen und Botschaften lassen wir in unser Bewusstsein dringen? Wie funk­tio­nieren die Selektionsmechanismen unserer Wahrnehmung? Welchen typo­gra­fi­schen Formen messen wir Bedeutung zu? Woran orien­tieren wir uns?


Doppelseite aus »Krieg der Zeichen»: »Identitätsstiftende Zeichensysteme – Briefkästen, Postboten, Poststationen – verschwinden langsam aus dem Stadtbild«

Jetzt gibt es – nach vielen Jahren Sammeltätigkeit – das Buch zu den Stadtgesprächen, das eine Zwischenbilanz zieht. Und dies zu einer inter­es­santen Zeit. Warum? Markus Hanzer verriet es mir in einem Gespräch: »Der öffent­liche Raum stand noch nie so im Mittelpunkt wie heute. Durch die Zersplitterung der Medien Fernsehen und Zeitschriften entwi­ckelte er sich zum einzig verblei­benden Gemeinsamen.« Die Menschen spre­chen nicht mehr über Fernsehsendungen, die am Abend zuvor Millionen gesehen hatten. Die Zeitungen verlieren an Bedeutung, Plattenfirmen gelingt wahr­schein­lich nie mehr ein welt­weiter Megahit. Stattdessen gewinnen Konzerte neu an Bedeutung, Sportfans zeigen mit Fahnen und Bemalung, welche Mannschaft sie unter­stützen, globale Konzerne insze­nieren in den Großstädten haus­hohe Botschaften.


Doppelseite aus »Krieg der Zeichen»: »Wo die Bewohner eines Hauses auch dessen Nummerierung stolz als Ausdruck und sicht­baren Repräsentanten ihrer Identität betrachten, werden Hausnummern zum Zwecke der Inszenierung eingesetzt.«

Die Hälfte der Menschheit lebt in Städten, Tendenz: zuneh­mend. Die Fähigkeit Spuren zu lesen, Spuren zu hinter­lassen, aber auch zu verwi­schen besitzt eine zentrale Bedeutung im Alltag, nicht nur unter Jugendlichen. Die unent­wegte Beschäftigung mit Spuren hinter­lässt auch deut­liche Spuren in unserem Denken. Dieses Buch versucht, die realen und erin­nerten Zeichenfassaden unserer Lebensräume aufzu­reißen. Das Buch hat mich faszi­niert. Selten wurde so klug über Design geschrieben, mit akade­mi­scher Akkuratesse, dabei boden­ständig, verständ­lich und mit den Augen eines Praktikers. Großartig! Es ist meines Wissens das erste Buch, das sich allen Aspekten der grafi­schen Welt im öffent­li­chen Raum widmet: von den Leit- und Verkehrssystemen über Werbung und Ladenbeschilderung bis hin zu Graffiti, Kunst und privaten Zeichen.


Doppelseite aus »Krieg der Zeichen»: »Optische Heimat: Sind wir auf dem Weg in eine Gesellschaft, in der alle eine Chance bekommen, gehört zu werden?«

Das Buch kommt genau zum rich­tigen Zeitpunkt, denn in Wien findet gerade eine Ausstellung zu Markus Hanzers Lieblingsthema statt, von ihm kura­tiert. Wer dort wohnt oder eine Wienreise plant, sollte sich die Spurenlesen im urbanen Raum nicht entgehen lassen, im Designforum (noch bis 30. 8. 2009, Quartier21/MQ, Museumsplatz 1).

Die Ausstellung beleuchtet die Macht der Zeichen zwischen Information, Orientierung und dem Kampf um Kunden. Eine breit aufge­fä­cherte Darstellung und Analyse unserer opti­schen Heimat bietet den Besucherinnen und Besuchern auch Gelegenheit sich aktiv mit den Zeichen ausein­an­der­zu­setzen und selbst Spuren zu hinterlassen.

Krieg der Zeichen: Spurenlesen im urbanen Raum kostet 39,80 €. Bei FontShop kaufen …


Deutscher Typografie-Eventkalender

Dan Reynolds und Indra Kupferschmid sind die reise­freu­digsten Typografie-Aktivisten in Deutschland. Dan hat vor 5 Jahren den ersten Typostammtisch in Offenbach ins Leben gerufen, viele folgten … zuletzt der in Saarbrücken, initi­iert von Indra. Da lag es nur nahe, die Meilensteine der deut­schen Typografie-Treffen in einen gemein­samen Kalender zusammen zu führen. Lest mehr dazu und abon­niert ihn auf dieser Seite …


Letzter Aufruf für alle Schnäppchenjäger

Mein Lieblingstitel auf dem Gossip-Album »Music for Men« ist der erste Song, Dimestore Diamond (iTunes-Link). Er handelt von einer Frau, die sich mit Vorliebe in Billigläden einkleidet und die Haare selbst schneidet. Alle bewun­dern sie, aber niemand ahnt, dass sie ein Pfennigladendiamant ist.

Wie komme ich jetzt darauf … ach so: Der Axel-Dimestore ist nur noch 2 Tage geöffnet. Jetzt zugreifen. Wer nicht mehr weiß, warum, schaue bitte noch mal hier nach: Axel, die neue Spiekermann.