Crashkurs: Schriften am Mac verwalten [Update]
Einige Kommentare zur Ankündigung des Fontmanagers FontCase bestätigen, dass die Organisation der Fonts unter Mac OS X komplizierter ist, als manche Benutzer ahnen. Darum schreibe ich mal kurz aus eigener Erfahrung auf, wie ich meine Schriften sortiere und verwalte.
Eines vorweg: Manager wie Font Explorer X oder FontCase können nur das Fontmilieu verwalten, das sie auf einem Mac vorfinden. Sie sind keine Reinigungsdienste. Wo Fontchaos herrscht wird auch unter einer Schriftenverwaltung Fontchaos bleiben. Der ersten Benutzung eines Fontmanagers sollte unbedingt ein Hausputz vorausgehen.
Wo liegen die Mac-OS-Schriften?
Es gibt (mindestens) 3 Fonts-Ordner, die das Mac-Betriebssystem bei der Installation anlegt und mit Font-Dateien befüllt:
1. Macintosh HD/System/Library/Fonts: Finger weg davon, das Mac-OS braucht sie alle.
2. Macintosh HD /Library/Fonts: Fonts für alle User dieses Macs
3. User (Ich) /Library/Fonts: die Fonts des angemeldeten Users
Wer mit Adobe-Programmen arbeitet, die mit Hunderten von Schriften geliefert werden, findet diese in:
4. User (Ich)/Library/Application Support/Adobe/Fonts
was für gehörige Verwirrung sorgen kann, weil diese (meist unerwartet) bei Adobe-Programmen im Schriftmenü erscheinen, nicht aber in anderen Applikationen.
Sind Schriften innerhalb eines Netzwerks freigegeben, liegen diese auf:
5. Network/Library/Fonts
Hier kann eine für das gesamte Büro lizenzierte Font-Bibliothek liegen, was sicherstellt, dass an allen Arbeitsplätzen mit den gleichen Schriften gearbeitet wird.
Erst mal selbst Ordnung schaffen
So schön das ist, wenn man von Apple oder Adobe Fonts geschenkt bekommt, so konfus ist es, wenn diese nicht gebraucht werden, in versteckten Ordnern liegen und das Fontmenü zugemüllt wird. Daher sortiere ich nach eine OS-X-Neuinstallation erst mal die guten Schriften ins Töpfchen, die schlechten Schriften ins Kröpfchen. Diese Aktion findet nur in den Orten 2. und 3. statt (die Behandlung des Adobe-Font-Ordners muss jeder für sich selbst entscheiden; Großfamilien lassen sich meist problemlos deaktivieren, andere Fonts werden möglicherweise von Templates oder vordefinierten Stilen in den Applikationen angefordert).
Zwecks Systemfonthygiene lege ich neben die beiden Fonts-Ordner zwei Abfallordner mit dem Namen »Fonts (Aus)« an, in die ich die für mich wertlosen Schriften hineinlege, fast Dreiviertel der von Apple gelieferten (vgl. Abbildung oben). Dazu gehören sicher nicht Arial, Verdana und Georgia, aber z. B. Academy Engraved, Blackmoor, Big Caslon, Cochin, Impact, Papyrus und viele, viele mehr. Die Femdsprachen-Fonts (Thai, Chinesisch, …) lasse ich unangetastet, weil sie in den meisten Schriftmenüs gar nicht auftauchen. Wer mit diesen Sprachen nicht arbeitet, kann auch hier gefahrlos ausgemisten.
Nach dieser Entschlackungskur gebe ich allen verbleibenden Schriften in den beiden Ordnern Macintosh HD /Library/Fonts und User (Ich) /Library/Fonts ein buntes Etikett. So kann ich bei einem Systemupdate, das mir den aussortierten Fontmüll wieder neu in die beiden heiligen Ordner lädt – jedoch unetikettiert –, schnell wieder aussortieren.
Wo meine eigenen Schriften liegen
Die Schriften, die mir wirklich wichtig sind, nämlich die lizenzierten Fonts für meine Jobs, liegen in einem Ordner, der »Schriften« heißt (besser nicht »Fonts« nennen, damit er außerhalb der Beobachtung des Mac OS bleibt), wo sie in Foundry-Ordnern zu finden sind: Adobe, Bitstream, Emigre, FontFont, House und wo weiter.
Um mit diesen zu arbeiten, sollte man sie – laut Apple – entweder in den Ordner Fonts 2 (für alle User des Rechners) oder Fonts 3 legen (nur für mich). Das alleinige Verschieben in diese beiden Ordner, die permanent vom Mac OS überwacht werden, aktiviert die Fonts und man kann sofort in geöffneten Programmen mit ihnen arbeiten.
Da einen die Verschieberei der Fontdaten in Ordnungskonflikte bringt (Bewege ich das Original oder eine Kopie davon?) und man durch ständiges Aktivieren und Deaktivieren irgendwann den Überblick verliert, bieten sich FontManager an, die diesen Job durch simples An- und Ausklicken erledigen. Wie bei der iTunes-Musikbibliothek lassen sich auf diese Art Hunderte von Schriften verwalten, aktivieren und deaktivieren, sortieren und wenn man mag mit eigenen Metadaten versehen, um sie noch schneller zu finden bzw. die eigenen Jobs sicherer zu erledigen.
Wenn Font-Manager ins Spiel kommen
Programme wie Font Explorer und FontCase bieten sich für diese Aufgabe an. Meist fragen sie bei ersten Starten, wie tief sie ins System eindringen sollen. Bei FontCase sieht das so aus:
Das Programm weist darauf hin, dass es die Systemschriften verwalten kann (Fonts-Ordner 1, siehe oben), die Fonts für alle User oder nur die des angemeldeten Users. Wer FontCase nicht traut, sollte einen Probelauf alleine mit den eigenen Schriften durchführen und lediglich »Import User Fonts« anklicken. Andere Fonts-Ordner können später importiert werden.
Das Angebot von FontCase, die FontExplorer X-Library zu importieren kann, kann nur funktionieren, wenn man sich zuvor vom FontExplorer ordentlich verabschiedet hat, also erst mal alle über den FEX aktivierte Schriften deaktiviert wurden. Beide Programme gleichzeitig Fonts verwalten zu lassen stiftet garantiert Verwirrung.
Wer bereits mit einer früheren (Test-)Version von FontCase herumgespielt hat, dem empfehle ich, die bisherige Liebelei mit dem Programm spurlos zu löschen, weil die von FontShop vertriebene Version 1.1.6 zuverlässiger arbeitet als die 1.0. Das geschieht in drei Schritten:
1. Alle über FontCase aktivierten Schriften – in FontCase – deaktivieren
2. Das FontCase-Gedächtnis löschen, also den Order User (Ich)/Library/Application Support/Fontcase.
3. alte FontCase-Version löschen
Mein persönlicher Rat wäre: Wenn FontCase, dann Neuanfang, um die Font-Verwaltung-Infrastruktur auf dem eigenen neu aufzubauen, also weder Import der Fex-Library, noch Import aller auf dem Rechner vorhandenen System- und/oder Lizenzschriften.
Mac-Fontmanager ›FontCase‹, jetzt bei FontShop
Neu bei FontShop: Der von Apple ausgezeichnete OS-X-Fontmanager FontCase. Wir haben ihn mit dem Entwickler Pieter Omvlee (Bohemian Coding, Interface-Design: Laurent Baumann) weiterentwickelt und die Vertriebsrechte erworben, um FontShop-Kunden weltweit direkt und günstig zu beliefern. Wer iTunes oder iPhoto mag, wird FontCase lieben, denn es bietet das gleiche Look-&-Feel. Lest die kurze Einführung oder ladet die Testversion, die eure FontExplorer-Library importieren kann. Lizenzen zum Einführungspreis (ab 29 €) ab morgen auf beta.fontshop.de.
Vor der Arbeit mit FontCase empfehle ich die Lektüre des Crashkurses Schriften am Mac verstehen und verwalten. Systemvoraussetzung für FontCase: Mac OS X 10.5 Leopard.
Der Macintosh wird zwar …
WeiterlesenViermal Gold beim 12. Corporate Design Preis
Es sind durchweg mutige Konzepte, die beim diesjährigen Corporate-Design-Preis ganz vorne liegen und die Zustimmung der Jury fanden. Auf der Liste der vier Award-Gewinner stehen für den Bewertungsbereich Launch/Unternehmen das für den Gestalter von Arbeitswelten Messkunst bei Fuenfwerken entwickelte CD und das für den brasilianischen Minen- und Stahlkonzern Usinimas von Interbrand betreute Projekt, mit dem die Komplexität auch dieser Aufgabe beispielhaft gelöst wurde.
Beste Corporate-Design-Lösungen für Produkte fand die Jury beim internationalen Musikprojekt Into des Siemens Arts Program, eine Arbeit von Jäger & Jäger und bei dem Ausstellungsprojekt Babylon, Mythos und Wahrheit (MetaDesign/Johanssen + Kretschmer). »Mit der Vergabe von lediglich 4 Awards und 9 Auszeichnungen erwies sich die Jury erneut als das Gremium, das dem Gütesiegel ›Excellence in Corporate Design‹ solitäre Strahlkraft und seinen hohen Wert sichert«, kommentiert Odo-Ekke Bingel (Awards Unlimited) die Juryentscheidung.
Die Shortlist wurde auf 12 weitere CD-Projekte begrenzt, die zusammen mit den Winnern und ausgezeichneten Arbeiten Eingang in die Jahresdokumentation Corporate Design 2009 finden werden. Alle Preisträger 2009 …
Warum Verlage auf/mit FontFont setzen sollten
Gestern startet die innovativste jährliche Font-Konferenz, die TypeCon 2009 in Atlanta, USA. Unsere Kollegen von FSI FontShop International, Herausgeber der angesehenen FontFont-Schriftbibliothek, bringen eine gute Nachricht für alle Herausgeber elektronischer Dokumente mit nach Atlanta: neue, liberalisierte Lizenzbedingungen für die FontFonts.
Ab sofort ist es möglich, FontFonts – ohne eine kostenpflichtige Zusatzlizenz – in kommerzielle elektronische Dokumente einzubetten, zum Beispiel PDFs, ePaper oder eBooks. Eine Grundlizenz reicht für solche Zwecke aus, soweit 3 Bedingungen erfüllt sind, was in 90 % aller Anwendungen gegeben ist:
1. sicheres Format
2. Subsets
3. nicht editierbar
Zu 1.: Sicher meint in diesem Zusammenhang verschlüsselt, so wie das beispielsweise Adobe Acrobat vormacht. FontFont-Dateien dürfen nicht auf dem Zielsystem installiert und anderen Anwendungen nutzbar gemacht werden. Damit sind Web-Techniken wie @font-face durch eine Grundlizenz nicht abgedeckt.
Zu 2.: Subsets sind eine Untermenge des Zeichenvorrats einer Schrift, die durch das Entfernen der Outlinebeschreibung erreicht wird. Der Leser merkt von diesen Reduzierung nichts, denn Subset = alle im Dokument verwendete Zeichen.
Zu 3.: Nicht editierbar bedeutet, dass mit einer FontFont-Grundlizenz keine Dokumente mit eingebetteten Schriften erstellt werden dürfen, die von Dritten weiterbearbeitet werden können (z. B. Formulare oder Do-it-Yourself-Drucksachen).
PdW 29: Zeitungsschrift Le Monde, – 35 %
Schriften fürs Editorial-Design müssen zwei Disziplinen beherrschen: den Catwalk (groß in Headlines auftrumpfen) und das Tagesgeschäft (gute Lesbarkeit der redaktionellen Texte). Nur wenige Familien beherrschen diesen Spagat. Le Monde ist eine davon. Es war die Schriftfamilie, mit der ihr Entwickler Jean-François Porchez 1994 bekannt wurde. Er entwickelte sie für die bekannteste französische Tageszeitung, wo sie 10 Jahre (bis 2005) im Einsatz war. Ihr Grauwert entspricht der Times, doch überzeugt Le Monde mit offenen Formen, einer robusteren Italic und Kapitälchen.
In dieser Woche kostet die 3-schnittige OpenType-Familie nur 100 € statt 140 € (der Rabatt wird erst im Warenkorb angezeigt).
»Krieg der Zeichen« — Eine Leserkritik …
… als Antwort auf die Kritikerkritik »Stadtgespräche«
von Friedrich Grögel
Dieses Buch stinkt. Ich weiß nicht, woher das genau kommt, aber es kam mir schon öfter unter: manche aktuellen Drucksachen überraschen einen beim Auspacken als erstes durch einen unangenehmen, beißenden, chemischen Geruch.
Dieser erste Kontakt verstimmt das Gemüt, zumal ein Klebchen auf der Schutzfolie stolz »printed in Germany with Love« verkündete. Doch auch der zweite Eindruck, der haptische, ist keineswegs erfreulich. Das Hochglanz-Plaste-Hardcover wirkt wie von einem Billigverlag à la »Buchclub« und nicht wie eine Herzensangelegenheit des wichtigsten deutschsprachigen Verlags für Grafik und Typografie.
Da ich auf den Inhalt äußerst gespannt war, hatte ich leider keine Zeit, das Buch auslüften zu lassen und unterwarf mich für eineinhalb Tage den schalen Ausdünstungen der 288 Seiten.
Das erste deutschsprachige Textbuch zur grafischen Kultur des öffentlichen Raums
In »Krieg der Zeichen – Spurenlesen im urbanen Raum« geht es darum, die grafischen und schriftlichen Phänomene der Stadt in eine Ordnung zu bringen, zu erläutern und zu interpretieren. Dabei greift Markus Hanzer auf eine überbordende Fülle von Beispielen zurück, die er fotografisch dokumentiert hat. Das Bildmaterial stammt überwiegend aus europäischen Straßen: aus Österreich (der Heimat des Autors), Deutschland, der Schweiz, Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Großbritannien, Irland, Norwegen, Italien, Ungarn, Kroatien, Griechenland, und Malta. Viele Fotos sind ebenfalls in den USA aufgenommen. Für Südamerika stehen Vertreter aus Brasilien und Argentinien. Bilder aus der Türkei, Indien, Sri Lanka, Kamboscha, Thailand und Vietnam spielen eine untergeordnete Rolle. Der abgedeckte Schriftraum kann letztlich mit der Sphäre des Lateinischen Alphabets gleichgesetzt werden.
Das Thema ist sicherlich »Special Interest« und nicht für jeden etwas. Andererseits liegt »Schrift im öffentlichen Raum« bereits seit Jahren in der Luft und eine textreiche, inhaltliche Auseinandersetzung stand nach einer großen Zahl kleiner Veröffentlichungen im Sinne von Fotoalben und Kuriosa-Sammlungen auf der Tagesordnung. Das wachsende Interesse ist auch durch die enorme Zahl von Blogs und Websites zum Thema belegt, ebenso wie durch den grafischen Trend zum Hand-made der letzten Jahre und die rasant wachsende Anzahl von Fonts auf der Basis von Handschriftlichkeit, Schriftmalerei und Lettering.
Im deutschsprachigen Raum war ein Werk überfällig, das für sich beansprucht, einen Überblick über die visuelle Kultur des öffentlichen Raums zu geben. Interessierte mussten bisher auf englischsprachige Veröffentlichungen zurückgreifen, etwa auf »Signs – Lettering in the Environment« von Phil Baines und Catherine Dixon oder auch die älteren, zu Unrecht wenig bekannten Standardwerke von Alan Bartram und Nicolete Gray.
Die Stadt als Schauplatz eines andauernden Krieges
»Krieg der Zeichen« von Markus Hanzer geht von einem gewalttätigen Bild aus, das im Großen und Ganzen über das ganze Buch hinweg durchgehalten wird : »Dieses Buch versteht sich als Bericht von der Front eines Kriegs der Zeichen und versucht, Beweggründe und Methoden zu beschreiben, die im Kampf um Aufmerksamkeit sichtbar werden. Es erzählt von kleinen Grabenkämpfen und großen Schlachten, von Guerilla-Taktiken, von Siegern und Verlierern.« Der gewählte Vergleich zum Krieg liefert in der Folge viele sprachliche Bilder für Kapitel- und Seitenüberschriften. So handelt etwa der erste Teil von »Kriegsparteien und Waffengattungen«.
Was unter Waffengattungen zu verstehen ist, begreift man, wenn man die ersten drei Doppelseiten gelesen hat und sich bewusst geworden ist, dass man den Schlüsselbegriff des Abschnitts besser im ersten Absatz sucht als in den Überschriften. Diese neigen leider dazu, durch die Versteigung in eine Metaebene den Gliederungspunkt zu verbergen, statt ihn zu präsentieren. Letztlich ist das erste Kapitel eine kleine Mediengeschichte von der Grab- und Monumentinschrift über das Papiergeld, den Brief, das Buch, die Zeitung und das Plakat zum Kino, Fernsprecher, Fernsehen und Internet. Dabei bilden die im öffentlichen Raum fotografierten Zeichen lediglich die Folie für einen kritischen Mediendiskurs, der, geschult an Naomi Klein (»No Logo! – Der Kampf der Global Players um Marktmacht«, zu finden in Hanzers Literaturanhang), die Welt der öffentlichen Zeichen überwiegend als illegitime Versuche der Fremdsteuerung des Individuums durch staatliche und wirtschaftliche Mächte darstellt.
Auf die grafische Beschaffenheit, Gestaltungsprinzipien und Kontexte dieser Zeichen wird nicht eingegangen. Bereits hier fragt sich der Leser, ob ein gestaltungsfeindlicher Soziologe oder ein praktizierender Designer zu ihm spricht. Ein Kulturwissenschaftler kann es nicht sein, da die Präsentation der Medien weder Bezug nimmt auf die historische und technikgeschichtliche Situation ihrer Entstehung, noch auf die kulturellen Effekte, die die Medien zeitigten: etwa auf die Ausstellung der Gesetze in der Griechischen Polis, die Kultur des Flugblatts in der Reformation oder die Briefkorrespondenzen des 18. Jahrhunderts.
Die Zeichen werden aus einem einzigen, zeitgenössischen und eindimensional-konsumkritischen Blickwinkel gelesen und interpretiert.
Verschiedene Versuche, Ordnung zu schaffen
Im zweiten Teil wird das Material nicht nach Medien, sondern nach formal-stilistischen Kriterien und Techniken geordnet. Vom Disloziert-Poetischen über das Individualistisch-Handschriftliche zum Standardisierten, vom Offiziellen über das Kommerzielle zum Persönlichen, vom Teuren zum Billigen, vom Handwerklichen zum Industriellen, vom Verwurzelten zum Globalisierten. Wird in diesem Teil die Organisation des Materials interessanter, so gilt dies leider nicht für die Entwicklung der textlichen Ebene, die all zu oft auf beschreibendem Niveau verharrt oder sich in Allgemeinplätzen ergeht. Dies ist um so bedauerlicher, als die Überschrift dieses zweiten Teils verspricht, zu erklären, »Wodurch Zeichen ihre Macht ausüben«. Diese Frage bleibt im ganzen Buch unbeantwortet.
Im dritten Teil widmet sich der Autor dem »Kampf der Kulturen«. Auf Bildebene werden (hauptsächlich) Südfrankreich, San Diego und Amsterdam in die Schlacht geschickt. Auf der Textebene erfahren wir aber nichts über konkrete lokale Differenzen der Zeichenqualitäten sondern werden mit der Existenz von Mechanismen und konsensfähigen Regeln der individuellen geschmacklichen Exponierung, mit visueller Integration und postkolonialer Patchwork-Identität, mit Authentitizität und dem Auslagern von Botschaften an übergeordnete gesellschaftliche Instanzen konfrontiert, die, wie so vieles, nicht besprochen, sondern lediglich zur Sprache gebracht werden.
Der vierte Teil »Historische Dimensionen« vereint ein Potpourri von Aspekten in sich, die man grob unter das Thema Zeit stellen kann. Das betrifft öffentliche Gedenkinschriften (verknüpft mit der Frage nach der Interpretationshoheit über Geschichte), Jahreszahlen an Fassaden, das Anbringen von öffentlichen Uhren (mit dem Zweck, den Einzelnen besser zu kontrollieren und ohne die Erwähnung der Begeisterung für Mechanik im Barock) und Schriftformen, die zeitlich und stilistisch Epochen zugeordnet werden können (Fraktur, »Westernschriften«). Ebenfalls hier einsortiert werden die Überlagerung von Schichten, der Zerfall, die Wegwerfgesellschaft und der Dreck. Einen inhaltlichen Zusammenhalt über das Oberthema Zeit hinaus gibt es nicht, ebensowenig wie die Möglichkeit, das Säbelrasseln des Titels in diesem Kapitel ins Bild zu schmuggeln.
Ausweitung der Kampfzone
Der fünfte Teil »Raumordnung und Schlachtfelder« holt uns ins Kriegsgeschehen zurück. Es wird überwacht, verboten und begrenzt. Infrastruktur ergänzt Hierarchie und der Einzelne ist erneut gefangen zwischen den Fronten. Ein falscher Schritt und es droht Versorgungsentzug, Ausgrenzung oder Genickschuss.
Fühlen wir uns bereits gegängelt, abhängig und permanent geblendet, gibt uns nun der sechste Teil »Kampf um Kunden« den Rest. Auf beachtlichen 40 Seiten werden wir mit mannigfaltigen Möglichkeiten konfrontiert, uns das Geld aus der Tasche zu ziehen. Wir sind schwach, wir werden verlockt, von Werbung bedrängt und umzingelt, suchen Zuflucht in vertrauten Qualitäten (die alten, guten!), dann wieder mit Fastfood gequält, in Hotels eingelagert, zu Fitness, Beauty und Lifestyle genötigt, von Marken angefixt und ausgesaugt, um schließlich in den Schlund einer Unterhaltungsindustrie gestoßen zu werden, in der wir so lange Konsumkarussel fahren bis wir uns übergeben und endlich einschlafen, aber natürlich erst, nachdem wir so richtig schön im Puff waren. Das auffälligste an diesem Kapitel ist sicher, dass vier Doppelseiten Las Vegas gewidmet sind, dem Herz der Finsternis, der Epigone des Kampfes der Industrie gegen das Indiviuum. Es bleibt die Frage, warum Menschen wie du und ich täglich mit unseren Füßen für die Erhaltung dieses Systems abstimmen. Und warum der Autor Mitinhaber einer Agentur ist.
Es folgen zwei Teile zu Informationssystemen und Kollektivem Gedächtnis, deren Tenor einmal mehr lautet: Misstraue den Botschaften, denn oft sind sie böse. Misstraue den Institutionen, denn die wenigsten sind legitimiert.
Interessant wird es dann von Seite 234 bis Seite 245, auf denen es um die »Verteidigung privater Positionen« geht, nämlich um Graffiti und Streetart. Hier wird der Basso continuo des asymmetrischen Kriegs im öffentlichen Raum endlich einmal leiser und die Sympathie des Autors für das Eingreifen des Andersdenkenden im Geschrei der Zeichen bricht sich Bahn. Was für eine Wohltat!
Ein bisschen Frieden
Zum Ende des Buches wird der Ton versöhnlich, Zeichen der Vermittlung, des Ausgleichs, des Leben-und-Lebenlassens werden gesucht. Zeichen der Gemeinschaft, der Waffenruhe, des Friedens gar. Hier nun wird die Qualität der öffentlichen Zeichen auf den Punkt gebracht: »Wo es gelingt, Auseinandersetzungen auf eine Zeichenebene zu übertragen, müssen wir uns nicht mehr direkt die Schädel einschlagen.« Das Kriegsgeschrei der Zeichen, das uns über 250 Seiten Angst einflößte, bekommt jetzt eine positive Bedeutung. Das kommt einigermaßen überraschend. Dankbar ist man trotzdem.
Im Schlusskapitel »Optische Heimat« verheißen die Bilder (aus Frankreich, Brasilien und Thailand) eine Reflexion über visuelle Identitäten in Zeiten offener Grenzen für Waren und (viele) Menschen. Leider erfüllt sich diese Erwartung nicht. Stattdessen wird resümiert, dass die Stadt ein Spiegel gesellschaftlicher Konflikte ist, festgehalten, dass jede Gruppe einer Stadt ihre Zeichen setzen können muss, um sich akzeptiert zu fühlen, unterstellt, dass multinationale Konzerne Vielfalt als Markthindernis sehen, repetiert, dass das Internet die Welt kleiner gemacht hat und territoriale Grenzen an Bedeutung verloren haben. Aber letztlich werden wir »nur im urbanen Raum […] weiterhin mit verschiedenen Zeiten, Kulturen und Zivilsationen konfrontiert«. Schade, dass genau diese Konfrontation weder aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben, noch im Kontext städtischer Räume analysiert wird.
Wo ist die Stadt?
In »Krieg der Zeichen – Spurenlesen im urbanen Raum« verfolgt Markus Hanzer mitnichten die Spuren der Zeichen im öffentlichen Raum, sondern einen gesellschafts- und medienkritischen Diskurs, den man als »konsumkritischen Mainstream« bezeichnen könnte. Die gefundenen Zeichen entwickeln kein System aus sich selbst, sondern werden in ein Wahrnehmungs- und Interpretationssystem eingefügt, in dem die Erscheinung lediglich als Sprungbrett für einen Text dient, der dem eingangs gesetzten Bild von Krieg und Kampf unterworfen ist. Die formalisierte Konzeption in Doppelseiten führt zu erheblichen inhaltlichen Redundanzen und Allgemeinplätzen.
Diese drei Faktoren – Degradierung der Zeichen zu Anlässen, formalisierte Konzeption, sowie Unterwerfung der Betrachtung unter ein negatives Leitbild – führen dazu, dass der viele Text zu einer Bürde wird, die dem Betrachter des vielschichtigen und hervorragend ins Bild gesetzten Materials auferlegt wird. In Anbetracht von Umfang und Geruch des Buches ist diese Last groß.
Auch sehnt man sich nach der Lebendigkeit, der Kreativität der Stadt, der positiven Deutung der Stadt als Ort der Wahl, der Verwirklichung, der übersprudelnden Kraft. Wo ist das Vibrieren New Yorks, das Fragmentarische Berlins, das Strahlende von Paris? Das Selbstbewusstsein Lissabons, das Morbide Barcelonas, die Langeweile LAs? Wo ist die Begegnung der Polis, die Befreiung der Republik? Wo ist die Verneigung vor guter Gestaltung, grandioser Inszenierung, handwerklicher Brillianz? Wo ist die Freude, die Lust am Leben, das Prickeln, das Abenteuer? Wo ist die Stadt?
Fotos: Friedrich Grögel
»Krieg der Zeichen: Spurenlesen im urbanen Raum« von Markus Hanzer, Verlag Hermann Schmidt Mainz, 2009; 288 reich bebilderte Seiten, 39,80 Euro (FontShop-Link)
11. Tage der Typografie
Vom 9. bis 11. Oktober werden unter dem diesjährigen Motto schön und wieder »Experten der Gegenwart und Zukunft« Gelegenheit zum Austausch, zur Weiterbildung und Umsetzung ihrer kreativen Ideen haben und neue Impulse für die Druck- und Medienbranche mitnehmen. Flankiert wird das Wochenende durch das Projekt Mediencommunity 2.0, das seine diesjährige Jahrestagung am 9. Oktober in den Räumen der Akademie durchführt.
Die Tage der Typografie sind ein jährlich stattfindender Fachkongress, an dem rund 100 Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Druck- und Medienbranche mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund teilnehmen. Die in Deutschland in dieser Form einmalige Veranstaltung kombiniert mehrtägige Workshops und Fachvorträge, bei denen die Teilnehmer unter der Anleitung namhafter Typografen und Grafikdesigner ihren Horizont mit klarem Fokus auf die Praxis erweitern.
Auch im 11. Jahr ist es gelungen, Branchengrößen als Referenten zu gewinnen. Den Auftakt gestaltet Boris Kochan, Vorsitzender der Typografischen Gesellschaft München. Mit dabei sind auch Lars Harmsen (Slanted Magazin), Oliver Linke und Robert Strauch (Lazydogs), Ben Santo (Ben Santo visuelle Kommunikation), Martin Schonhoff (die Transformer) sowie Tanja Huckenbeck und Peter Reichard (Typosition), die in Workshops unterschiedliche Facetten der typografischen Gestaltung beleuchten. Mehr Informationen und zur Anmeldung hier …