Fontblog Artikel des Jahres 2009

Fundstücke aus der Provinz (1)

»Urlaub zu Hause kann so schön sein« schreibt das Dorfblättchen. Und das stimmt. Wenn man länger nicht mehr in seiner Heimatstadt war, sieht man viele Alltäglichkeiten mit anderen Augen. Vor allem ist die »freie Zeiteinteilung entspan­nend zu händeln«, wobei »spon­tane Aktionen auf dem Plan stehen können«.

Wie oft bin ich schon an diesem Piktogramm im Freibad vorbei geschwommen und habe mich gefragt, warum noch niemand diese Sportart erfunden hat: Handfußball. Weil es den nicht gibt, stellen sich die Kinder doof und spielen mal Handball, mal Fußball am Beckenrand.

Die neue Möblierung in der Altstadt muss noch von der Bevölkerung ange­nommen werden. Der Gastwirt des Pizzastübchens unter­stützt diesen Prozess mit einem Notizzettel: »Ich bin ein Fahrradständer«. Das ist drin­gend nötig, denn die Metallbögen verraten ihre Funktion nicht.

Das »Siegertreppchen« ist ein Kunstwerk im Kurpark, gestaltet von Heide Weidele und Martina Schober. Seine 3 Standflächen zieren wunder­liche Lobeshymnen auf die Heimatstadt, geschrieben im Stil eines Kinderaufsatzes.


PdW 31: Unser aller Lieblingsbuch, Ausverkauf, nur noch 19 €

Bei der Premiere dieses Buches schrieb ich: »Ich bin einiges gewohnt auf dem Fachgebiet Schriftmusterbücher. Dieses Werk sprengt meine Erwartungen. Dabei weiß ich nicht, ob meine 15-jährige Tätigkeit als FontFont-Typeboard-Mitglied dieses Gefühl eher verstärkt oder abschwächt. Natürlich bin ich befangen. Ich lebe seit Jahren mit diesen Schriften, benutze sie, ich schreibe über sie, entdecke sie im öffent­li­chen Raum … «.

»Made with FontFont« wurde redak­tio­nell betreut von Jan Middendorp und Erik Spiekermann, gestaltet von United Designers (heute EdenSpiekermann). Über 100 Mitwirkende haben Texte und Abbildungen gelie­fert, ihre eigenen Erfahrungen mit FontFonts notiert, neue Schriftmuster gebaut und Font-Familien auf Doppelseiten inszeniert.

FontShop hat sich die Restauflage gesi­chert, um sie im Rahmen des Produkts der Woche günstig anbieten zu können. Statt 45 € kostet »Made with FontFont« in dieser Woche nur 19 € (zzgl. MwSt., keine Versandkosten), und danach ist es wahr­schein­lich ausver­kauft. Hier geht es zur Bestellseite mit weiteren Infos … 


Endlich: »Wie man’s liest«, von Gerard Unger

unger_niggliDie Originalausgabe »Terwijl je leest« (Während Du liest) erschien bereits 1997, war lange vergriffen und gilt als die wich­tigste Veröffentlichung des hollän­di­schen Schriftentwerfers Gerard Unger. 2006 über­ar­bei­tete er das Buch komplett und brachte es mit großem Erfolg in seiner Heimat neu auf den Markt. Ein Jahr später erschien die engli­sche Ausgabe »While You’re Reading«. Monatelang suchte Unger nach einem deutsch­spra­chigen Verlag und einem guten Übersetzer. Nun ist es voll­bracht: »Wie man’s liest« ist erschienen, bei Niggli.

»Wie man’s liest« ist ein Standardwerk zu Lesbarkeit und Leserlichkeit. Unger gibt dem Leser durch seine anek­do­ti­schen Schreibweise einen vergnüg­li­chen und zugleich fundierten Einblick in die Arbeit und die Möglichkeiten von Typografen, Schriftentwerfern und Grafikdesignern. Sein Buch setzt dort an, wo viele Lehrbücher über typo­gra­fi­schen Gestaltung aufhören: Es geht den Eigenschaften verschie­dener Schriften auf den Grund und erklärt fundiert anhand der Arbeiten profes­sio­neller Typografen, was passiert, wenn man liest.

Bei FontShop ist die Neuerscheinung sofort lieferbar (30 €), ohne Versandkosten. Hier bestellen …


Heinz Edelmann 1934 – 2009

rs_edelmannDer Illustrator, Grafikdesigner und Hochschullehrer Heinz Edelmann ist am 21. Juli im Alter von 75 Jahren in Stuttgart gestorben, wie die Staatliche Akademie der Bildenden Künste mitteilt. Edelmann studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und arbei­tete seit 1958 als frei­schaf­fender Grafiker. Gemeinsam mit dem Artdirektor Willy Fleckhaus prägte der gebür­tige Tscheche als Illustrator über zehn Jahre lang entschei­dend das Gesicht des Jugendmagazins Twen. Daneben war er  für Capital, Playboy, Pardon und das FAZ-Magazin als Grafiker tätig. Einem größeren Publikum wurde Heinz Edelmann durch den Beatles-Zeichentrickfilm Yellow Submarine, bei dessen Produktion er als Artdirektor 1967/1968 mitar­bei­tete. Der Vorspann der ZDF-Sendereihe Der phan­tas­ti­sche Film stammt eben­falls von ihm (YouTube-Link).

form-Chefredakteur Gerrit Terstiege besuchte Heinz Edelmann vor 14 Tagen zu Hause in Stuttgart, führte ein Interview und machte Fotos. »Ich habe ihn in guter Verfassung und sehr char­mant erlebt« schreibt er mir heute in einer Mail. Er fügte seinen Nachruf bei, den ich hier mit freund­li­cher Genehmigung von form veröffentliche.

Das gezeich­nete Ich

edelmannIn der von Heinz Edelmann ausge­stat­teten Klett-Cotta-Gesamtausgabe der Werke Gottfried Benns findet sich folgendes Gedicht, es gehört zu seinen schönsten: „Durch soviel Formen geschritten, durch Ich und Wir und Du, doch alles blieb erlitten, durch die ewige Frage: wozu? Das ist eine Kinderfrage. Dir wurde erst spät bewusst, es gibt nur eines: ertrage – ob Sinn, ob Sucht, ob Sage – dein fern­be­stimmtes: Du musst. Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere, was alles erblühte, verblich. Es gibt nur zwei Dinge: die Leere und das gezeich­nete Ich.“
Heinz Edelmann wusste Rosen in Schnee zu verwan­deln und Meere aus Löchern zu füllen. Er konnte Radiowellen sichtbar machen, ließ Sterne regnen, Tiere erblühen und brachte Erbsen zum Tanzen. Und er hat Berge versetzt. „Seine Linien und Farben durch­zogen das Heft“, schrieb Willy Fleckhaus über Edelmanns zeich­ne­ri­sche Interventionen in „twen“, viele Jahre nach ihrer Zusammenarbeit in der legen­dären Redaktion. Edelmanns Vorspann zu der ZDF-Reihe „Der phan­tas­ti­sche Film“ hat mir als Kind Alpträume beschert: Köpfe drehen sich darin wie leere Puppenglieder, Haare brennen, Flammen züngeln zu dem flat­ternden Geräusch von Vogelflügeln. Plötzlich erscheint ein einäu­giges Spinnenmonster mecha­nisch wie die Kirschen in Spielautomaten. 30 Sekunden blanker Horror, stilis­tisch noch ganz in der Tradition von „Yellow Submarine“. Viele seiner Buchumschläge machten auch spröde Autoren zu Bestsellern, doch als der von ihm illus­trierte „Herr der Ringe“ vor ein paar Jahren zum „Besten Buch der Deutschen“ gekürt wurde, nannte er diese Wahl einen „Triumph der Blödheit“: „Das Buch ist gewiss eine liebens­wür­dige lite­ra­ri­sche Kuriosität. Aber es ist wohl das einzige Buch, das jemals in diese Finsternis gedrungen ist.“ Was heute längst nicht mehr selbst­ver­ständ­lich ist: Edelmann las die Geschichten, die es zu illus­trieren galt, nahm sich Zeit, expe­ri­men­tierte, haderte mich sich – und mit seinen Epigonen: „Jetzt kopieren sie sogar meine Manierismen, wie den abge­spreizten kleinen Finger, den ich den Beatles ange­dichtet habe“. Aber er verbit­terte nicht, dafür hatte er viel zu viel Humor. In einer Episode seines wunder­baren Buchs „The Incredible“, das er vor vier Jahren fertig stellte, bekommt selbst der Sensenmann seine Späße zu spüren und bleibt sprachlos zurück.
Nun starb der große Lehrer und Zeichner, am 21. Juli in Stuttgart. Zwei Wochen zuvor hatten wir uns noch getroffen, zusammen mit seiner Frau, zu einem lange geplanten Gespräch. Als wir uns vor seiner Wohnung in der Augustenstrasse verab­schie­deten, sagte er mit Blick auf die herunter gelas­senen Rolläden: „Immer wenn sie unten waren, dann war ich zuhause.“ Edelmann hielt sich als Professor immer nur während der Semester in Stuttgart auf, ansonsten war seine Wahlheimat Amsterdam. Im Dunkeln hat er eine helle Welt geschaffen. Adieu, Heinz Edelmann.

Gerrit Terstiege

Abbildung 1: Rolling Stone Ausgabe 9 vom 27. April 1968 (© Rolling Stone Archiv)
Abbildung 2: Heinz Edelmann und seine Frau Anna am 7. Juli 2009 in Stuttgart (© Gerrit Terstiege)


Viabella von Karl-Heinz Lange bei Elsner+Flake

Der Berliner Grafiker und Schriftentwerfer Karl-Heinz Lange wird am 29. Juli 80 Jahre alt (Fontblog berich­tete: Karl-Heinz-Lange Aktionswochen). Veronika Elsner und Günther Flake ehren ihn mit der Veröffentlichung seiner neuen Schreibschrift-Familie Viabella.

Karl-Heinz Lange lebt und arbeitet heute in Berlin und ist nach wie vor als Schriftentwerfer tätig. Unter anderem entwi­ckelte er ein Redesign der im Auftrag von Typoart entwor­fenen Schriften Publica, Typoart Super Grotesk und Minima, die er 2009 als Publicala, Minimala und Superla in Zusammenarbeit mit Ole Schäfer veröf­fent­lichte. In Zusammenarbeit mit Elsner+Flake entwi­ckelte er 2006 bis 2009 die Schriftfamilie Rotola und die Schreibschriften der Viabella-Familie, die bei www​.font​s4ever​.com erworben werden können.


Kommunikationsdesign an der Uni Wuppertal erhalten

screen 1Hochschulrat und Rektorat der Bergischen Universität Wuppertal haben über­ra­schend entschieden, den Studiengang Kommunikationsdesign am Fachbereich Kunst und Design zum Wintersemester 2009/10 auslau­fend einzu­stellen. Der Studiengang hat eine lange Historie, die von der Barmer Kunstgewerbeschule von 1894 über die Werkkunstschule bis heute reicht.

Seit dem 20. Juni 2009 gibt es eine Online-Petition für den Erhalt und die Weiterentwicklung des Studiengangs Kommunikationsdesign an der Bergischen Universität Wuppertal. Wer der Ansicht ist, der Studiengang müsse weiter bestehen: Bitte sofort unterschreiben!


FontShuffle 1.1 ist erschienen

FontShuffle 1.1

Soeben im App-Store frei­ge­geben: FontShuffle 1.1 für iPhone und iPod Touch mit vielen Verbesserungen – und weiterhin kostenlos:

• wahl­weise Liste- oder Shuffleansicht
• Lieblingsfonts book­marken und fixieren
• Schriftsuche mit Namensvorschlägen
• Shuffle-Sound An/Aus (Einstellungen)
• anschau­li­cheres Musterwort Ramburgefonstiv
• besseres Schriftmuster-Rendering
• weitere Lokalisierungen (D, US, NL, F, N)

FontShuffle 1.1 mit 2 Ansichten

Links: Listenansicht, Mitte: Lieblingsschriften book­marken, rechts: Shuffleansicht, Alternativen dazu mischen

FontShuffle ist ein visu­eller Typo-Stammbaum, der die Welt der Schriften in 6 Klassen auffä­chert (Sans, Serif, Slab, Script, Fraktur und Headline), jede davon unter­glie­dert in 6 Ordnungen. Durch zwei­ma­liges Tippen erreicht man die Liste der Schriftfamilien, zum Beispiel Klasse Sans ➙ Ordnung geome­trisch ➙ 27 Familien. Und diese Familienübersicht ist schon ein Neuheit in der Version 1.1, die Listendarstellung. Erstmals ist es möglich, alle gefil­terte Schriften zu sehen, anstatt diese zu ständig neuen Sixpacks zusammen zu shuffeln.

Lieblingsschriften in diesen (insge­samt 36) Ordnungen können jetzt fixiert werden, das heißt sie stehen im Shuffle-Modus immer oben, an glei­cher Stelle, hell­grau hinter­legt. Die Alternativen erscheinen darunter nach dem Zufallsprinzip, entweder durch des Betätigen des Shuffle-Buttons oder durch Schütteln des iPhones. Der hierbei erklin­gende Sound lässt sich, eben­falls neu, unter »Einstellungen« an- und abschalten.

Wer direkt zu einer Schrift möchte, zum Beispiel Helvetica, kann in Version 1.1 die Suche auf der Startseite von FontShuffle nutzen. Das ist vor allem hilf­reich, wenn man nicht genau weiß, in welcher Klasse oder Ordnung eine Schrift einsor­tiert sein könnte. Die Suche macht Vorschläge, das heißt sie bietet schon nach dem Tippen des ersten Buchstabens mögliche Schriftnamen an. Auf diese Weise lässt sich rasch fest­stellen, ob eine bestimmte Schrift über­haupt im FontShuffle kata­lo­gi­siert ist.

FontShuffle 1.1 neue Features

Das Musterwort für die Schriftfamilienliste wurde von Hamburgefontis in Ramburgefonstiv geän­dert. Dieses enthält nicht nur den zusätz­li­chen Buchstaben v und das aussa­ge­kräf­ti­gere Versal-R (mit Rundung und Diagonalstrich), sondern auch die in der normalen Schriftwelt häufig auftre­tenden Buchstabenkombinationen st und iv. Die Schriftmusterwörter wurden manuell optisch ange­gli­chen, so dass Suchergebnisse in Version 1.1 harmo­ni­scher aussehen und Schriften jetzt noch besser zu verglei­chen sind. Dies wird vor allem bei den lebhaften Schreibschriften sofort sichtbar.

Schließlich wurde FontShuffle inter­na­tio­naler, denn es präsen­tiert such nun zusätz­lich in hollän­disch, fran­zö­sisch und norwe­gisch. Unser Dank geht an Yves Peters, Jean Francois Porchez, Erik van Blokland und Jacob Øvergaard.

Fshuffle_Suche_iPhone


Plakatwettbewerb Code: Noch bis Freitag

Der Einsendeschluss des Create-Berlin-Plakatwettbewerbs Code endet am kommenden Freitag, 24:00 Uhr. Letzte Woche gab es eine erste Jury-Sitzung. Ich bin zwar zu abso­lutem Stillschweigen verur­teilt, darf aber doch soviel verraten, dass die Chancen für Späteinreicher nicht schlecht stehen, einen der 3 Hauptpreise abzu­sahnen. Über die turbu­lente Geschichte des Wettbewerbs klären die beiden Fontblog-Beiträge Der Code-Plakatwettbewerb ist gestartet und Code Plakatwettbewerb … Restart auf … bitte auch die Kommentare lesen. Hier die Ausschreibungsunterlagen als PDF (0,5 MB) laden …