Fontblog Artikel im Januar 2007

Das größte Online-Digitalfoto: 8,6 Gigapixel

Der italie­ni­sche Digitalfoto-Dienstleister HAL9000 hat auf seiner Seite das größte Kunst-Digitalfoto veröf­fent­licht. Das aus 1.145 Einzelfotos bestehende 8,6 Gigapixel große Gesamtbild (96.679 mal 89.000 Bildpunkte) der Christus-Passion von Gaudenzio Ferrari (aus dem Jahre 1513) kann bis ins kleinste Detail betrachtet werden. In einer zwölf­stün­digen Fotosession wurde das Altarbild in der Kirche Santa Maria delle Grazie im Italinischen Varallo digi­ta­li­siert. Das für die Darstellung des Mega-Fotos im Internet verwen­dete Tool heißt Zoomify und kann kostenlos unter www​.zoomify​.com herun­ter­ge­laden werden. Gefunden bei Pixelgalerie und Brandt.


Die TYPO wird ausverkauft sein

Eben wollte ich schon das Ausverkauft-Schild auf die TYPO-Seite kleben, da hat mich Benno Rudolf zurück gepfiffen. Heute ist die 751. Anmeldung ins Haus geflat­tert, die zumin­dest eines bewirkt hat: die Studenten-Tickets sind vergriffen (das sind 2/3 aller Eintrittskarten; neue Anmeldungen nehmen wir auf eine Warteliste für stor­nierte Studentenkarten). Wir danken den Studierenden aus Österreich, deren Interesse an der TYPO auch 2007 unver­min­dert anhält. Sie stellen fast die Hälfte der teil­neh­menden studen­ti­schen Besucher, eine Watschn für die grafi­sche Ausbildung in Deutschland, oder?!

Anders als in den letzten Jahren treffen die Anmeldung auch nach dem Ende der 1. Subskriptionsphase (31. 12. 2006) weiter fleißig bei uns ein. Es ist wirk­lich kein Marketing-Trick: Es gibt noch rund 250 Profikarten (das bcc ist etwas kleiner als das Haus der Kulturen der Welt). Und dabei kündigen wir die spek­ta­ku­lärsten Sprecherinnen und Sprecher erst in den kommenden Tagen an. Großen Dank für Euer Vertrauen … und natür­lich ist es ein Ansporn für uns, Euch auch dieses Jahr nicht zu enttäuschen.


Mal angenommen …

… FontShop würde sich 12 Monate Zeit nehmen, um die Schriften-Archive dieser Welt zu durch­forsten … um Bestsellerlisten der vergan­genen Jahrzehnte zu analy­sieren … Verkaufszahlen recher­chieren … ein Dutzend inter­na­tio­nale Schriftmarkt-Kenner befragen. Mal ange­nommen, wir alle stellten unseren eigenen Geschmack hintenan, um ganz fest daran zu glauben, dass am Ende eine Liste der 100 besten Schriften aller Zeiten entstehen könnte … Welche 10 Schriften würdest Du vorne sehen? Notiere sie – durch­num­me­riert in einer/m Zeile/Absatz – hier als Kommentar.


Beowolf OT kommt: mit 85.000 Zeichen

LettError kündigen auf Ihrer Webseite die OpenType-Versionen der Random-Klassiker Beowolf und BeoSans an. Erik van Blokland schreibt: »Wir haben soeben die Daten zum Mastering an FSI FontShop International geschickt, jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit. Achtung: Diese Schriften werden keine echten Zufallschriften sein wie ihre Type-3-Vorfahren. Sicher wird dies für manche eine konzep­tio­nelle Enttäuschung sein. Aber wir müssen mit dem leben, was uns zur Verfügung steht. OpenType erlaubt es nicht, Kurvenpunkte nach Lust und Laune hin- und herzu­schieben. Und eine Random-Funktion gibt es ebenso wenig.

Stattdessen hat Just van Rossum ein Produktionssystem entwi­ckelt, das Zufallsvarianten erzeugt, die dazu­ge­hö­rigen Austauschregeln und die Unterschneidungen. Ich brauchte nur ein paar fehlende Zeichen zu entwerfen und letzte Hand anzu­legen. Jeder »Beo-«-Font enthält 10 Varianten für jedes Schriftzeichen und genü­gend Austauschkleister, dass er euch den Kopf verdrehen wird. Insgesamt macht das über 85.000 Glyphen … das Ergebnis eines 10-stün­digen Produktionskreislaufs.

Das Tolle unter OpenType: Die Random-Font-Ästhetik lässt sich erst­mals live und in Farbe am Bildschirm verfolgen. Ich kann gar nicht glauben, das es kein Zufallseffekt ist.«


Langweilige Postkarten

Der große Fotograf und Sammler Martin Parr brachte 2000 das Büchlein »Boring Postcards« heraus: histo­ri­sche Ansichtskarten von öden Landschaften, Gebäuden und leblosen Gegenden – meist mit Stolz in Auftrag gegeben und vertrieben von den Besitzern der Immobilien. Ein Jahr später folgte das deut­sche Gegenstück »Langweilige Postkarten«. Herzhaftes Lachen ist ange­sagt, wenn man sich von der Luftaufnahme der Autobahnraststätte Allertal über Schwarzweißfotografien aus Eisenhüttenstadt zum Gruppenfoto älterer Damen, entspannt auf Liegen ruhend, in der Grotte eines Kurortes vorblät­tert; Raststätten bilden einen wich­tigen Bestandteil des Buches.

Jetzt gibt es auf Flickr eine Gruppe mit dem Titel Boring Postcards (Irgendwas ist ja immer hat sie entdeckt). Das Blättern hat mir so großen Spaß gemacht, dass ich gleich mal drei Karten aus meinem Archiv hoch­laden musste.


Wie ich antworte …

Es gibt wohl glas­klare Gründe, warum ich nicht für den Schalter bzw. den Servicebereich geeignet bin: Ich bin ein frecher Hund. Dabei will ich gar nicht so sein. Aber man braucht bei mir nur einen Knopf (sprich: eine empfind­liche Stelle) zu berühren, und schon gebe ich brutal kontra. Ach hätte ich nur die Beherrschung eines Oliver Adam (siehe Kommentar zum vorhe­rigen Eintrag).

Vor rund 13 Jahren – genauer: am 30. 9. 1994 – schrieb mir ein Student aus Essen, der sich als h/d schell­nack ausgab. Zwei Seiten, ein Anschreiben und ein Fragebogen mit 10 Fragen zum Thema Typografie. Es ging um seine Zwischenprüfungsarbeit und die »Bedeutung der Typographie als Mittel der künst­le­risch-kultu­rellen Expression«. Der junge Mann begeis­terte sich für Drucksachen wie Octavo, Emigre, Ray Gun, Beach Culture und Frontpage. Und natür­lich FUSE. Und darum drehten sich auch die meisten Fragen (»1. Wie oft werden die Fuse-Packs im Durchschnitt verkauft?«) … aber nicht alle.

Frage 6 lautete: »Welche Bedeutung hat Schrift im Zeitalter neuer elek­tro­ni­scher Medien – und wie muß sie aussehen? Wie haben die neuen Medien unsere Sehgewohnheiten geän­dert? Braucht die mit Computer, Video und TV gewöhnte neue Generation eine neue, den verän­derten visu­ellen Gewohnheiten ange­paßte Schriftsprache? Kehrt die Gesellschaft im digi­talen Zeitalter zur Bilderschrift zurück? Ist in der virtu­ellen Erlebniswelt des ›Cyberspace‹ über­haupt noch eine Schrift nötig?« Da platze mir der Kragen:

»Zu Frage 6: Das sind 5 Fragen auf einmal (Sie wollen mich täuschen). Inhaltlich sollten sie alle durch Ihre Recherche im Rahmen Ihrer Arbeit beant­wortet werden und nicht durch FontShop.« Mein zwei­sei­tiges Schreiben enthielt noch weitere Rüffel, ja es begann bereits mit einer ausführ­li­chen Belehrungen über h/ds Sprache (zu viele Fremdwörter). Mein Gott, war ich gnadenlos und pampig.

Zehn Jahre später, ich hatte diese Korrespondenz längst vergessen, traf sich zum ersten Mal der FontShop-Beirat. Mit am Tisch: HD Schellnack. Ich selbst hatte ihn hierzu nomi­niert, weil er mir in den Monaten zuvor als konstruk­tiver FontShop-Kritiker aufge­fallen war. Ich glaube, es war bereits beim gegen­sei­tigen Vorstellen, als HD – ganz nebenbei – meine arro­gante schrift­liche Abfertigung von damals in Erinnerung brachte. Erik Spiekermann meinte nur: »Das war doch die rich­tige Antwort, oder?« HD stimmte nicht ganz zu, und ich bekam einen roten Kopf. Nee, es war eine unreife Antwort.

Ich habe in der Zwischenzeit ein biss­chen dazu­ge­lernt. Trotzdem habe ich auf die E-Mail von heute morgen sehr kurz ange­bunden, mit den folgenden Worten geant­wortet: »Lieber Herr XXXXX, ich denke: was Sie von mir fordern ist genau Ihre Aufgabe im Rahmen des Studiums. Ich müsste Archive durch­wühlen, Suchmaschinen anschmeißen und Bibliotheken aufsu­chen. Diese Arbeit kann und will ich Ihnen nicht abnehmen.
Liebe Grüße, Jürgen Siebert«

Mit der Länge bin ich sehr zufrieden, auch mit dem inves­tierten Zeitaufwand. An ein freund­li­ches, verbales »an die Hand nehmen« werde ich mich noch heran­tasten. Danke Oliver. Danke den anderen Kommentatoren, die unserem Freund brauch­bare Tipps gegeben haben. Danke HD für deine Geduld.


Was würdet ihr antworten?

Heute morgen finde ich folgende E-Mail in meinem Eingangsordner:

»Guten Tag,
ich bin Design-Student aus Basel und arbeite an einem Studienprojekt über den Gebrauch von Typografie und Piktogrammen in inter­ak­tiven Medien und die mögliche Entwicklung und Veränderung/Anpassung von Typo in diesem Umfeld. Dabei soll es nicht um Web-design oder Screen-Typo gehen.
Deshalb wollte ich Sie fragen, ob sie mir mögli­cher­weise ein paar tips geben könnten, da Sie im Bereich Typografie tätig sind. Auch gerne lite­ratur, links etc.«

Ich habe meine (kurze) Antwort bereits gesendet. Was würdet ihr antworten?


Der Sound-Magier: John Groves im Video-Podcast

Man nennt ihn auch den »König der Werbetöne«: John Groves, Engländer, Wahlhamburger und einer der erfolg­reichsten Werbemusik-Produzenten. Über 1000 Jingles und Werbemelodien hat er bereits geschaffen, unter anderem für Nestle, Aral, Dea, Bacardi, Johnny Walker, Flensburger, BBC und viele andere … auch »Visa – die Freiheit nehm ich mir« stammt von ihm. Auf der TYPO 2005 Change hielt er einen faszi­nie­renden Vortrag über Sound Branding, das denselben Regeln unter­liegt wie visu­elle oder verbale Markenführung.

Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit eines ganz­heit­li­chen Markenbildes, das nur durch Differenzierungsfaktoren der Konkurrenzsituation auf dem Markt stand­halten kann, verdeut­lichte Groves, auf welche Weise Musik unsere Emotionen und Gedanken, unsere Physiologie und unser Verhalten beein­flusst: Dur- und Moll-Töne erwe­cken bei den meisten Menschen Gefühle von Glück bzw. Melancholie, Reibung und Dissonanzen rufen ein beklem­mendes Gefühl bis hin zu Angst hervor.

Der ganze John-Groves-Vortrag, jetzt im TYPO-Video-Podcast … ein Vorgeschmack auf die TYPO 2007 Music.