Der »Christliche Garten« kann wachsen

Vor fast einem Jahr berich­tete ich zum ersten Mal über das Projekt Gärten der Welt im Erholungspark Marzahn: So geht profes­sio­nelles Design …. Der Berliner Designer Alexander Branczyk machte mich darauf aufmerksam, weil einer der Gärten von einer kolos­salen schmie­de­ei­sernen Schriftinstallation beherrscht wird. Vor wenigen Tagen wurde das letzte Teilstück einge­fügt. Nachfolgend einige Aufnahmen die anläss­lich des Richtfests entstanden sind.

Der Erholungspark Marzahn liegt am nörd­li­chen Fuß des Kienbergs und wurde am 9. Mai 1987 anläss­lich der 750-Jahr-Feier von Berlin als »Berliner Gartenschau« und »Geschenk der Gärtner an die Hauptstadt der DDR« (Ost-Berlin) eröffnet. Mit den angren­zenden frei zugäng­li­chen Erholungsflächen des Kienbergs und dem direkt östlich anschlie­ßenden Wuhletal ergibt sich eine Gesamtfläche von über 100 Hektar Grün.

Zwei Jahre nach der Wende wurde die Anlage in Erholungspark Marzahn umbe­nannt. Spiel- und Liegewiesen kamen hinzu, Bäume wurden gepflanzt und Sondergärten einge­richtet. Seit Oktober 2000 ist der Park durch seine Gärten der Welt auch weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. 2005 wurde der Chinesische Garten als dritt­schönste Parkanlage Deutschlands ausge­zeichnet. Inzwischen gehört der junge Erholungspark zu den 365 Orten im Land der Ideen.

Nach dem Chinesische Garten (2000), dem Japanischen und dem Balinesischen (2003), folgte 2005 der mit Unterstützung der Allianz Umweltstiftung errich­tete Islamische Garten. Inzwischen berei­chern noch der Koreanische Garten, ein Irrgarten mit Labyrinth, der Karl-Foerster-Staudengarten und ein Italienischer Renaissancegarten die Gärten der Welt im Erholungspark Marzahn.

Seit 2007 laufen die Vorbereitungen für einen Christlichen Garten, die mit einem Planungs-Wettbewerb begannen. Auch dieses Projekt wird von der Allianz Umweltstiftung geför­dert. Eine hoch­ka­rä­tige Fachjury kürte den Entwurf des Berliner Büros Relais Landschaftsarchitekten zum Gewinner, der im Moment reali­siert wird.

Abgeleitet von der Urform der Christlichen Gärten, dem klös­ter­li­chen Kreuzgang, entsteht in ein »moderner« Klostergarten. Eine quadra­ti­sche Gartenfläche mit einem Wegekreuz aus hellem Kies, Pflanzflächen aus Buchs und weiß blühenden Stauden sowie einem Wasserbecken, als Symbol für das Wasser als Quelle des Lebens.

Hauptattraktion des Christlichen Gartens wird der Wandelgang: Seine Wände bestehen aus gold­la­ckierten Aluminiumflächen, in die Textpassagen aus dem Alten und Neuen Testament einge­ar­beitet sind. Damit wird daran erin­nert, dass das Christentum eine Religion der Bücher und der Schrift ist.

Die typo­gra­fi­sche Gestaltung hat Alexander Branczyk (Abb. oben, mit Mütze und Schallschutz) über­nommen. Die hier einge­streuten Abbildungen haben er und sein Team vor einigen Tagen beim Richtfest aufge­nommen. Branczyk hat es sich natür­lich nicht nehmen lassen, für das Projekt eine wunder­bare exklu­sive Schrift zu entwerfen, deren Aussehen von der Aufgabe und der Herstellungstechnik bestimmt ist.

Die Herstellung der Lettern setzte dem Schriftgestalter einer­seits Grenzen, ande­rer­seits nutzt er die verblei­benden Freiheitsgrade für splee­nige Ausschweifungen. Das Ergebnis zeigt die einzig­ar­tige Qualität von Branczyks Schriftentwürfen, die er sich Anfang der 90er Jahre in Nachtsitzungen für das Technomagazin Frontpage ange­eignet hat: für jede Ausgabe eine neue Headline-Schrift, darunter ging gar nichts. Schnell, zügellos, präzise – aber mit raffi­niert kalku­lierten Störungen … so lässt sich seinen Typostil charakterisieren.

Einfügen des letzten »gußei­sernen« (tatsäch­lich ist es Aluminium) Teilstücks in den Wandelgang des Christlichen Gartens

Fleißige Hände verschrauben schließ­lich das letzte Teilstück mit dem Rest der Metallkonstruktion


7 Kommentare

  1. R::bert

    Ach schön! Eine Insel zum Durchatmen und Besinnen. Und das für Typografen und Gestalter ; )

  2. thomas junold

    ein traumjob mit einer wunder­baren lösung.

  3. SFO

    Super: Ein Käfig aus Dogmen gebaut. Festgefügt ist diese Burg … Es gibt sogar frische Luft für die Eingesperrten auch wenn das „Wort“ davor ist. Nach allen Seiten verschlossen. „Gott sei es gedankt“ für Ein- und Ausgang und Dir Alex für eine Typo mit Charakter.

    Gruß Ralf.

  4. R::bert

    Käfig

    Kein schat­ten­spen­dender »Andachtsraum« unter freiem Himmel?

    Dogmen

    Keine trost­spen­denden Zusagen mit ermu­ti­gender Wirkung?

  5. Matthias

    Schönes Projekt, schöner Beitrag. Und schon wieder hat sich der kurze tägliche Abstecher zum Fontblog gelohnt.

  6. Judit Szabo

    Gratuliere ,sehr schön und beeindrucksvoll,ein wenig kritisch ,als ob die Texte in der moderner Welt zu wichtig geweswn were. Entschuldigung für Fehler.Judit Szabo

  7. jonas.

    Schöne Sache. Freue mich das bald mal live zu sehen.
    (Auch wenn ich nicht beson­ders reli­giös bin. ;)

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